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KlimakriseMilliardensummen fließen weiter an die Kohlekonzerne

Teilnehmer der Aktion Fossil Free Berlin im Juni 2018 rufen die deutsche Bundesregierung zum Divestment auf – die Finanzierung der Kohleindustrie zu beenden
Teilnehmer der Aktion Fossil Free Berlin im Juni 2018 rufen die deutsche Bundesregierung zum Divestment auf – die Finanzierung der Kohleindustrie zu beenden. Es kam leider anders. (Foto: © Willem Thomson/Fossil Free Berlin / Wikimedia Commons / CC BY-SA)

Aufgrund lückenhafter Kohlerichtlinien fließen weiterhin Milliarden an RWE und Co. US-Vermögensverwalter BlackRock hat mit sieben Milliarden Euro das meiste Geld versenkt. Auch Allianz und Deutsche Bank gehören weiterhin zu den großen Investoren.

17.07.2020 – Klimaschutz bleibt in vielen Teilen der großen Finanzwirtschaft ein Lippenbekenntnis. Denn sie investiert noch immer viele Milliarden Euro im Kohlesektor. Das zeigt die neue Studie Fool’s Good der NGO-Allianz Europe Beyond Coal, mitherausgegeben von elf Organisationen, darunter auf deutscher Seite die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald. Trotz verschärfter Kohlerichtlinien in der Finanzindustrie und eines zunehmend schwächelnden Kohlesektors erhalten die größten europäischen Kohlekonzerne, darunter RWE und Uniper, nach wie vor Milliardensummen von Banken und Investoren.

Die Recherche zeigt, welche europäischen Banken und Investoren die wichtigsten acht Kohlekonzerne in Europa am stärksten finanziell bedienen. Die größte Unterstützung  in Form von Krediten oder bei Aktien- und Anleihe-Geschäften leistet demnach die UniCredit, die 2,8 Milliarden Euro in Aktien und Anleihen der Kohlewirtschaft investiert hat. Es folgten BNP Paribas (mit 2,1 Milliarden), Barclays (1,7), sowie Société Générale und Deutsche Bank gleichauf (jeweils 1,3). Das meiste Geld floss dabei in die Unternehmen RWE (Deutschland), PGE (Polen), EPH (Tschechien), ČEZ (Tschechien), Enel/Endesa (Italien/Spanien) und Fortum/Uniper (Finnland/Deutschland).

Größter europäischer Investor im Recherche-Zeitraum ist mit 1,5 Milliarden Euro der Norwegische Pensionsfonds. Der verschärfte vor kurzem allerdings seine Kohleausschluss-Richtlinie und verkauft seine RWE-Aktien. „Das geschah, wie übrigens auch beim Versicherer AXA, nach Druck aus der Zivilgesellschaft“, sagt Moritz Schröder-Therre, Sprecher von urgewald.

Es überrascht zunächst, dass im ersten Halbjahr 2020 laut Studie etliche europäische Finanzinstitutionen neue Richtlinien herausgegeben haben, die ihre finanziellen Verbindungen zur Kohleindustrie begrenzen. Das seien aber häufig nur leere Versprechen. „Jedes Finanzinstitut, das wir untersucht haben, behauptet, seine Kohlegeschäfte einzuschränken“, erläutert Kaarina Kolle, Koordinatorin für Finanzen und Energieversorger bei Europe Beyond Coal. Doch häufig fließe weiterhin Geld für die Kohle, denn die Schlupflöcher sind groß.

Nachhaltig verkohlt

Besonders schlecht schneide die Deutsche Bank dabei ab, mit einer der schwächsten Kohle-Richtlinien unter den großen europäischen Finanzinstitutionen. „Sie hat keine konkreten Ausschlüsse für Kohlefirmen formuliert“, berichtet urgewald, „sondern setzt lediglich auf globale Reduktionsziele für den Sektor insgesamt.“ So sei es nicht verwunderlich, dass sie zu sämtlichen untersuchten kohlebasierten Energieversorgern Geschäftsbeziehungen unterhält.

Das steht zudem im Widerspruch zum nötigen Kohleausstieg. Studien zeigen, dass sich Europa bis 2030 von der Kohle verabschieden muss, will es seinen Beitrag für das Gelingen der Klimaziele von Paris leisten. „Die Deutsche Bank bezeichnet sich selbst gern als Klimabotschafterin, doch das ist ein Zerrbild“,  kommentiertKatrin Ganswindt, Kohle-Campaignerin bei urgewald. Nicht nur Energieversorger, auch Banken brauchen einen klar formulierten Ausstiegspfad, an dem sich Kunden und Investoren orientieren können. Finanzgrößen wie die Weltbank-Tochter IFC machen es vor und wenden die Global Coal Exit List von urgewald an, für einen konsequenten und messbaren Kohleausstieg.“

Auch beim großen Versicherer Allianz bleibe es beim Klimaversprechen. Der Versicherungskonzern habe zwar in den Jahren 2015 und 2018 Kohlerichtlinien beschlossen, tätige jedoch weiterhin Kohleinvestitionen vor allem für externe Kunden, indem er diese über seine Tochtergesellschaften Allianz Global Investors und Pimco abwickle. Solche Investitionen für Dritte seien von den Allianz-Kohlerichtlinien gar nicht tangiert.

Größter Kohle- und Öl-Finanzierer BlackRock als Nachhaltigkeitsberater der EU?

Der insgesamt wichtigste Investor der größten europäischen Kohlekraftwerksbetreiber komme allerdings aus den USA. Der weltweit mächtigste Vermögensverwalter BlackRock hat in alle untersuchten Unternehmen über Aktien und Anleihen im Wert von sieben Milliarden Euro investiert – mehr als die vier größten europäischen Investoren zusammen. Nicht einmal 20 Prozent der Kohleindustrie sind von BlackRocks Ausschlusskriterien betroffen.

Die Studienautoren sehen einen „strukturellen Niedergang“ der Kohle. Einer Analyse von 2019 zufolge hat Blackrock in den letzten zehn Jahren mit Investitionen in Öl, Gas und Kohle denn auch schon viel Geld verloren. Es erscheint umso grotesker und erschreckend zugleich, dass „Blackrock die EU in Sachen Nachhaltige Finanzen beraten soll“, twittert urgewald.

Einige europäische Länder haben den Ausstieg aus der Kohleverstromung bereits eingeleitet. In Großbritannien kamen bspw. im Jahr 2019 nur noch zwei Prozent des erzeugten Stroms aus Kohle, der Anteil der fossilen Energien am Strommix sank in den Jahren 2010 bis 2019 von 75 auf 43 Prozent.

In Spanien ist die Hälfte aller verbliebenen Kohlekraftwerke vor kurzem vom Netz gegangen, weitere folgen. Seit staatliche Förderungen wegfallen und der Emissionshandel angezogen hat, macht Kohlestrom wirtschaftlich keinen Sinn mehr.

In Deutschland kommt der Kohleausstieg nach Meinung vieler Kritiker zu spät, das Kohleausstiegsgesetz sorgt zudem für harsche Kritik mit dem Vorwurf, dass es die Kohlewirtschaft weiter subventioniert. „Es ist an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen“, sagt Studienautorin Kolle. Hätten Unternehmen keinen Plan für den Kohleausstieg bis 2030, müssten Investoren und Banken sie „unverzüglich ausschließen“. Auch die Politik ist jetzt am Zug. na

 


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