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Energiekommunen im Globalen Süden

Frau hält Briketts aus Biomasse
Nachhaltige, genossenschaftliche Energieerzeugung mit Briketts aus Biomasse in Uganda (Foto: © WECF).

Energiegenossenschaften können auch ländliche Gebiete dezentral mit Erneuerbarem Strom versorgen – und dabei Gemeinschaft, Wirtschaft und Gleichberechtigung fördern. In Äthiopien wollen Kaffeegenossenschaften bald ihren eigenen Ökostrom produzieren.

04.05.2023 Der Zugang zu zuverlässiger, nachhaltiger und bezahlbarer Energie für Alle ist eines der gemeinsamen Ziele, die sich die Weltgemeinschaft bis 2030 gesetzt hat. Energie ist die Grundlage jeder modernen Gesellschaft. Gebraucht wird sie für alles, von der medizinischen Versorgung über den Anbau von Nahrungsmitteln bis zur Bildung und Kommunikation. Jedes Unternehmen, jedes Geschäftsmodell ist auf Energie angewiesen.

Energiearmut im globalen Süden

Das stellt besonders die Länder des globalen Südens vor große Herausforderungen. Zwar wurden in den letzten Jahrzehnten deutliche Fortschritte im Bereich der Elektrifizierung gemacht. Gerade ländliche Regionen sind aber nur schwerlich an ein traditionelles Stromnetz anzuschließen, da der Ausbau zu kompliziert und vor allem kostspielig wäre. Die genannten Fortschritte der letzten Jahre wurden vor allem durch öffentliche Netzerweiterung erzielt, wie eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt. Südlich der Sahara in Afrika geht die Elektrifizierung nur langsam voran. Dort haben über eine halbe Milliarde Menschen keinen Anschluss an ein Stromnetz.

Dezentrale Energiequellen vor Ort sind oft nicht nachhaltig. Gekocht wird mit Holz, Kohle oder Kerosin. In einigen Regionen werden zusätzlich Dieselgeneratoren genutzt, um Strom zu erzeugen. Diese fossilen Energiequellen sind vor allem vor dem Hintergrund der Klimakrise keine dauerhafte Lösung für Energiearmut. Fossil betriebene Inselnetze seien zudem meist vom Privatsektor finanziert und führten unter Umständen dank ihrer Monopolstellung zu hohen Strompreisen, heißt es vom DIW. Auch schwankende Dieselpreise, Unsicherheit über staatliche Subventionen oder fehlende technische Kenntnisse vor Ort können einem solchen Grid zum Verhängnis werden. Oft blieben Investoren schlicht aufgrund der fehlenden Rechtssicherheit und Unterregulierung sowie politischer Instabilität fern.

Dezentrale, Erneuerbare Inselnetze schaffen Energiesicherheit

Technischer Fortschritt und damit einhergehende sinkende Kosten für Solarenergie bieten bereits seit einigen Jahren eine Alternative. In besonders stark von Energiearmut betroffenen Ländern in Afrika herrschen oft beste Bedingungen für Solarenergie und andere Erneuerbare. Dezentrale Mini-Grids können Menschen auch in abgelegenen Landesteilen mit sauberem, Erneuerbaren Strom versorgen.

Inzwischen stellt sich auch die Internationale Energieagentur hinter den Ausbau von dezentralen Erneuerbaren Inselnetzen, um Strom in ländliche Regionen zu bringen. Das gleiche gilt für die Weltbank, die zunehmend Solarsysteme anstatt Dieselgeneratoren in der Entwicklungszusammenarbeit finanziert. So sagte die Weltbank beispielsweise Äthiopien erst im vergangenen Jahr Finanzhilfen für die Entwicklung von 200 Mini-Grids zu.

Der Großteil der Bevölkerung Äthiopiens, nämlich fast vier Fünftel, lebt in ländlichen Gebieten, die zu großen Teilen nicht an das Stromnetz angeschlossen sind. Rund 13 Millionen Haushalte haben keinen stabilen Stromanschluss. Die äthiopische Regierung plant, bis 2025 über einem Drittel dieser Haushalte einen Stromanschluss zu ermöglichen – und zwar unabhängig vom zentralen Stromnetz. Stattdessen sollen an über 250 Standorten Mini-Grids aufgebaut werden. Zum Teil will die Regierung dabei auf Energiegenossenschaften setzen.

Gemeinsam wirtschaften

In Äthiopien gibt es eine starke Genossenschaftskultur, besonders in der Landwirtschaft. Im vergangenen Jahr zählte die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit rund 82.000 Primärgenossenschaften in Äthiopien. Davon sind 30 Prozent Spar- und Kreditgenossenschaften und mehr als 70 Prozent sogenannte Mehrzweckgenossenschaften. Bei Letzteren arbeiten und wirtschaften die Mitglieder in verschiedenen Bereichen zusammen. Auch die Erzeugung und Verteilung von Strom wäre grundsätzlich möglich.

Die wirtschaftlichen Aktivitäten einer Genossenschaft bieten einen guten Anknüpfungspunkt. So können Mini-Grids so entwickelt werden, dass sie nicht nur Strom für Haushalte und Gemeindezentren oder ähnliches erzeugen, sondern auch zur wirtschaftlichen Entwicklung des Ortes beitragen. Der nachhaltig erzeugte Strom kann zur Lagerung, Verarbeitung oder dem Transport von landwirtschaftlichen Erzeugnissen eingesetzt werden. Dazu gehören zum Beispiel automatisierte Bewässerungssysteme sowie Kühlung oder Trocknung von Gütern.

Energiewende von unten

Dezentrale Erneuerbare-Energien-Anlagen und Inselnetze müssen geplant, finanziert, aufgebaut und gewartet werden. Das erfordert hohe Anfangsinvestitionen und genaue Analysen vor Ort, denn jedes Land hat andere Vorrausetzungen, Traditionen und Anforderungen. „In Äthiopien haben wir in den letzten Jahren schon Anlagen implementiert und Training zu Erneuerbarer Technologie, Geschäftsmodelle und Wartung gemacht. Wir wollen zeigen, wie man Solarenergie gewinnbringend einsetzen kann“, erklärt Johannes Baumann, Projektmanager im Energieteam bei Women Engage for a Common Future (WECF). Die Organisation arbeitet seit über 20 Jahren an geschlechtergerechten Energielösungen in Afrika. Frauen sind weltweit deutlich stärker von der Klimakrise betroffen – besonders jene in ländlichen Gebieten des globalen Südens.

Im Rahmen der Initiative Grüne Bürgerenergie für Afrika des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind sie auch in Äthiopien unterwegs. Zusammen mit der GIZ kooperieren Partnerorganisationen in Deutschland mit Kommunen vor Ort, um Erneuerbare Energien Anlagen aufzubauen und damit eine ständige Stromquelle bereitzustellen. „Von dem, was wir in unseren Umfragen gesehen haben, sind Erneuerbare Energien vor Ort auf jeden Fall gewollt“, erzählt Baumann. „Aber es ist nicht so viel Wissen darüber vorhanden. Und dann ist da auch immer die Frage der Finanzierung oder der Finanzierungsform, die geklärt werden muss.“

Frauen für Erneuerbare Energien stark machen

Bei bisherigen Projekten ging es oft darum, bereits bestehende Produktionsketten mit Erneuerbarem Strom zu betreiben. „Viele Genossenschaften, die keinen Zugang zum Netz haben, arbeiten immer noch mit Dieselgeneratoren. Wir zeigen dann die Vorteile Erneuerbarer Technologien auf. Je nachdem gehen wir mehr auch mehr ins Detail und erarbeiten, was konkret umsetzbar wäre. Das muss dann auf den lokalen Kontext angepasst werden“, meint Baumann. Bei der Kaffeeproduktion werden dann beispielsweise Solarpumpen und keine Dieselgeneratoren eingesetzt, um Wasser zu pumpen.

Frauen wissen aufgrund ihrer Tätigkeiten oft am besten, wo wie viel Energie verbraucht wird. Sie sind deshalb in der besten Position, Erneuerbare Energien voranzutreiben – wenn sie dabei unterstützt werden. Ihr Wissen um die praktischen Notwendigkeiten bleibt derzeit aufgrund ihrer Stellung in der Gesellschaft oft ungenutzt. Das zeigt sich auch darin, dass sie bei Planungs- und Entscheidungsprozessen noch selten mit einbezogen werden.

Frauen sind in vielen afrikanischen Ländern traditionell für die Bewirtschaftung der Böden, den Haushalt und die Beschaffung von Wasser zuständig. Gleichzeitig sind die rechtlichen Rahmenbedingungen meist denkbar schlecht. Frauen besitzen nur in seltenen Fällen das Land, das sie beackern, und verfügen kaum über finanzielle Ressourcen.

Der Klimawandel führt bereits in vielen Gebieten zu geringeren Ernten und Wassermangel. So müssen immer weitere Strecken zurückgelegt werden, um Wasser zu beschaffen und eine Selbstversorgung durch Anbau von Nahrungsmitteln wird immer schwerer. Da die Frauen oft kaum Alternativen haben, drohen ihnen und ihren Familien Hunger und Armut. Sie profitieren deshalb überdurchschnittlich von alternativen Möglichkeiten, ein Einkommen zu generieren. „Grundsätzlich ist es in Ländern wie Äthiopien immer sehr wichtig, Frauen zu fördern, weil die Kultur sehr patriarchalisch geprägt ist. Wir bieten die Trainings aber nicht nur für Frauen an, es wohnt auch der eine oder andere Mann bei“, sagt Baumann.

Energiegenossenschaften für Äthiopien

Eine stabile Stromversorgung der landwirtschaftlichen Produktion vor Ort macht diese unabhängiger von äußeren Einflüssen und damit auch rentabler. Andersherum bietet die garantierte Abnahme gewisser Strommengen den Betreibern von Mini-Grids Sicherheit und zusätzliche Einnahmen. Das Modell bietet eine Basis für ländliche Industrialisierung, bei der CO2-Emissionen nicht wie sonst üblich nach oben schnellen. Vereinen Genossenschaften ihren wirtschaftlichen Betrieb mit der Produktion von Ökoenergie, können sie von beiden Vorteilen profitieren. „Das wäre ideal, weil die Betreffenden schon mit dem Genossenschaftsmodell an sich vertraut sind. Man könnte es nun einfach ausweiten auf Energieerzeugung“, sagt Baumann.

Die gesellschaftliche Basis ist da. Im vergangenen Jahr stellte die GIZ einen Leitfaden für Genossenschaften in Äthiopien zusammen, die rechtliche Rahmenbedingungen, Finanzierungs- und Businessmodelle für eine gemeinsame Stromerzeugung aufzeigen. Mitglieder der bestehenden Genossenschaften sind bereits an deren Strukturen der genossenschaftlichen Arbeit gewöhnt. Im nächsten Schritt heißt es, den Mitgliedern die Möglichkeiten einer eigenen, gemeinschaftlichen Energieversorgung zu zeigen. „Das ist ein größeres Novum. Bisher gibt es nämlich keine Energiegenossenschaften in Äthiopien“, erzählt Baumann. WECF hat bereits eine feste Beziehung zur einer der großen Dachgenossenschaften des Landes. „Die umfasst ein riesiges Netzwerk aus etwa 400 Genossenschaften, an denen etwa eine halbe Million Haushalte beteiligt sind. Wir arbeiten nun daran, einen Gründungsplan zu erstellen, mit dem unterschiedliche Kooperativen im Kaffeesektor eine Energiegenossenschaft etablieren können.“ Mit dem Leitfaden der GIZ und der Energiestrategie der Regierung sind wichtige Grundlagen geschaffen. Nun geht es um die Umsetzung. Julia Broich

Der Artikel erschien auch in der aktuellen Printausgabe der energiezukunft: Die Kraft der Kommunen


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Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Froelich (Hr.) 15.05.2023, 12:09:10

Guten Tag,

so wichtig und interessant der Artikel auch ist, so wichtig ist es zu unterscheiden zwischen Energiebedarf zum Kochen und zur Stromerzeugung. Leider sind v.a. ländliche Haushalte zum Kochen immer noch auf Holz angewiesen. Allerdings gibt es inzwischen genügend Holz und Energiesparende Öfen und Kochstellen.

Da es in dem Artikel v.a. um Solar-Stromerzeugung und das in Äthiopien geht, passt das Foto der Frau mit den Bio-Brickekts in Uganda nicht zum Artikel.

gez. Hilmar Froelich (Hr.)


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