Erneuerbare Energien und Naturschutz: Energiewende? Natürlich!
Die meisten Menschen wollen die Energiewende, doch bei der Umsetzung konkreter Projekte vor Ort kommt es manchmal zu Konflikten. Das „Dialogforum Erneuerbare Energien und Naturschutz“ unterstützt den naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren in Baden-Württemberg und versucht zu schlichten.
07.05.2018 – Die Folgen des Klimawandels sind auch in Deutschland bereits spürbar. Der Energiesektor ist laut Umweltbundesamt mit knapp 85 Prozent die größte Quelle menschengemachter Treibhausgasemissionen und damit hauptverantwortlich für den Klimawandel. Kaum noch jemand zweifelt daran, dass eine Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes unverzichtbar ist, um den weiteren Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur zu bremsen. Auch aus diesem Grund steht die große Mehrheit der Bevölkerung hinter der Energiewende. Bei der Umsetzung konkreter Projekte vor Ort kommt es dennoch teilweise zu Konflikten. Anwohner sind beispielsweise besorgt über die Veränderungen des Landschaftsbildes in ihrer gewohnten Umgebung, Naturschützer beklagen Verluste bei Vogel- oder Fledermausvorkommen. Trotz umfangreicher Genehmigungsverfahren für die Errichtung von Windenergieanlagen (WEA), mit Gutachten zum Artenschutz und zu Schatten- und Geräuschemissionen, sind diese Bedenken vor Ort zum Teil schwer auszuräumen.
Lasst uns reden!
Um Konflikten mit dem Natur- und Artenschutz vorzubeugen und konstruktive Lösungen für Streitfälle zu finden, wurde 2012 das „Dialogforum Erneuerbare Energien und Naturschutz“ ins Leben gerufen. Das Gemeinschaftsprojekt der beiden Umwelt- und Naturschutzverbände BUND und NABU wird zu 90 Prozent vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg gefördert. Ziel ist es, den Ausbau der Windenergie, der Photovoltaik und auch der Stromverteilnetze naturverträglich umzusetzen und die Beteiligung der Bürger zu stärken.
Akzeptanz stärken
Das Dialogforum hilft, die Akzeptanz für die Planungen von Netzen und Erneuerbaren Energien zu stärken. Damit die Energiewende gelingt, braucht es eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Um Zustimmung in der Öffentlichkeit zu finden, muss diese bei der Umsetzung der Vorhaben mitgenommen werden. Mit Hilfe des Dialogforums können strittige Planungen in bürgernahen Prozessen transparent und frühzeitig diskutiert werden. Informationen und Dialog bilden dabei einen konstruktiven Weg, um die Beteiligten an einen Tisch zu holen und widersprüchlich scheinende Interessenzusammenzuführen.
Was dabei auffällt, ist, dass der bisher klassische Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie sich teilweise auf einen inner-ökologischen Konflikt zwischen Klimaschutz und Artenschutz verlagert hat. Für NABU und BUND in Baden-Württemberg sind der Klimaschutz und der Schutz der biologischen Vielfalt gleichrangige Ziele – das „Dialogforum Erneuerbare Energien und Naturschutz“ arbeitet daran, beide Ziele zu erreichen. Weil der Ausbau der Stromverteilnetze (bis 110 kV) ein wesentlicher Baustein zum Gelingen der Energiewende ist, wurde das Projekt im Jahr 2016 inhaltlich um dieses Themenfeld erweitert.
Konflikte vor Ort lösen
Was macht das Dialogforum konkret, um den Ausbau von Netzen und Erneuerbaren Energien naturverträglich und unter Beteiligung der Öffentlichkeit zu unterstützen? – Eine der wichtigsten Aufgaben des Dialogforums ist es, bei Konfliktfällen vor Ort zu vermitteln. Wie das in der Praxis aussehen kann, beschreibt Katharina Maaß: „Eine Gemeinde plant einen Windpark mit Anlagenstandorten im Wald. Die vor Ort aktive Naturschutzgruppe von BUND oder NABU Alle Akteure an einen Tisch bringengeht davon aus, dass durch die Planung ein Schwarzstorch gestört wird, der seinen Horst in der Nähe hat. Wenn wir in einer solchen Situation kontaktiert werden, versuchen wir zuerst einmal, den Konflikt einzuschätzen und die Situation zu analysieren. Unser Ziel ist es dann, alle Akteure an einen Tisch zu bringen und in einem moderierten Dialog die Argumente sachlich auszutauschen. Zu oft wird nämlich übereinander statt miteinander geredet.“ Ist der Konflikt klar definiert, werden Lösungswege gesucht, die beide Seiten akzeptieren können.
Franziska Janke zählt verschiedene Beispiele für solche Lösungsmöglichkeiten auf: „In einem Fall wurde ein Anlagestandort verlegt, um einen Rotmilanhorst zu schützen. In einem anderen wurden vom Anlagenbetreiber noch vor dem Bau einer Windenergieanlage zusätzliche neue Nahrungsräume für den Schwarzstorch angelegt. Auch das zeitlich begrenzte Abschalten von Windenergieanlagen bei bestimmten Wetterlagen und Jahreszeiten ist eine Option, um zum Beispiel das Kollisionsrisiko von Fledermäusen zu reduzieren.“
Planung mit Weitsicht
Das frühzeitige Einbeziehen der Naturschutzverbände beim Ausbau von Erneuerbaren und Verteilnetzen wirkt sich nach den Erfahrungen des Dialogforums positiv auf den Verlauf der Verfahren. „Grundsätzlich gilt: Je früher die Verbände und Öffentlichkeit eingebunden werden, desto besser kann auf mögliche Konflikte reagiert werden. Je früher zum Beispiel Verteilnetzbetreibern bekannt ist, an welchen Leitungsabschnitten eine erhöhte Kollisionsgefahr für Vögel besteht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass zur Vorbeugung von Kollisionen Vogelschutzmarkierungen am Blitzschutzseil angebracht werden“, erläutert Annette Reiber. „Auch können bei Neubauvorhaben ökologisch besonders sensible Gebiete umgangen werden, wenn diese frühzeitig bekannt sind. Die Arten- und Ortskenntnis der ehrenamtlich aktiven Verbandsmitglieder ist dabei von unschätzbarem Wert.“ Hinweise von Naturschützern können auch dazu beitragen, dass geeignete Leitungsabschnitte nach ökologischen Kriterien gepflegt werden. Die Abschnitte können so im besten Fall zu einem kleinen Baustein im Biotopverbund werden.
Information ist der Anfang
Damit ein Dialog erfolgreich sein kann, braucht es ausreichend Informationen auf allen Seiten. Deshalb ist das Informieren der Öffentlichkeit innerhalb und außerhalb der Verbände eine weitere zentrale Aufgabe des Dialogforums. Durch die Vermittlung fundierten Wissens soll gleichzeitig auch Konflikten vorgebeugt werden. Zu diesem Zweck bietet das Dialogforum zum Beispiel Seminare und Fachtagungen an und veröffentlicht eigene Broschüren und Erklärvideos. Ebenso informiert das Dialogforum durch Vorträge und Infostände.
Das Dialogforum wird sich trotz der Hürden, die sich durch die neuen Ausschreibungsregelungen des EEG für den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg ergeben, weiter für eine naturverträgliche Energiewende stark machen und den Dialog aller Beteiligtenfördern. Andrea Molkenthin-Keßler
Mehr Informationen und Termine sind auf den Websites der beiden Verbände NABU und BUND zu finden.