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Serie PV-Recycling Teil6Altmodule sammeln, prüfen und verwerten

Offener Container mit PV-Modulen mit gebrochener Frontscheibe
Verbraucher können Kleinstmengen Solarmodule auf Wertstoffhöfen kostenfrei entsorgen. Die Art der Sammlung und die Mischung unterschiedlichster Fabrikate hat Schwächen. (Foto: energiezukunft / Petra Franke)

Altmodule werden in Europa mitunter unsachgemäß behandelt. Zudem könnten die Recycling-Vorgaben ein Update gebrauchen und der Gebrauchtmarkt ein klares Regelwerk. Praktikable Vorgaben und ihre Einhaltung sind für den wachsenden Markt unabdingbar.

07.03.2023 – In Europa ist die WEEE-Richtline 2012/19 das regulatorische Grundgerüst für das Modulrecycling. Die Abkürzung WEEE steht für Waste of Electrical and Electronic Equipment – Elektro- und Elektronikgeräte-Abfall. Mittlerweile haben alle EU-Mitgliedsstaaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. In Deutschland finden sich die Vorgaben der Richtlinie im Elektro- und Elektronikgerätegesetz wieder.

Neben der der WEEE-Richtlinie ist die RoHS-Richtlinie eine wichtige gesetzliche Grundlage. Sie hat das Ziel, problematische Bestandteile aus dem Elektronikschrott zu verbannen. RoHS steht für Restriction of Hazardous Substances – Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektrogeräten. Unter anderem schränkte die RoHS ab 2002 die Verwendung von Blei in Elektro- und Elektronikgeräten ein. Dieses Verbot gilt allerdings nicht für PV-Module.

Die Richtlinie WEEE verpflichtet alle Hersteller von PV-Modulen, beim Inverkehrbringen ihrer Produkte in den europäischen Markt entweder ein eigenes Rücknahme- und Recyclingsystem zu betreiben oder sich einem bestehenden Herstellerverbund anzuschließen.

Hersteller in der Verantwortung für Entsorgung

Seit 2016 müssen die PV-Hersteller eine insolvenzsichere Garantie für jede in Verkehr gebrachte Tonne bei der Stiftung EAR (Elektro-Altgeräte-Register) hinterlegen. Damit wird sichergestellt, dass auch im Falle von Hersteller-Insolvenzen die Altgeräte entsorgt werden können. Für vor 2016 installierte Module gibt es allerdings solche Sicherheiten nicht. Hier schlummern einige Risiken für Solaranlagenbetreiber.

Abgesehen von der Garantie, die im Insolvenzfall greift, müssen Hersteller je nach Geräteart, die sie in Verkehr bringen, Altgeräte von den Wertstoffhöfen entsorgen. Dieses Prinzip gilt auch für Solarmodule.  Die Stiftung ear wählt nach Marktanteil aus, welcher Hersteller welche Altmodulmenge zum zertifizierten Entsorger transportiert und das Recycling bezahlt. Die Abholung muss der Stiftung ear nachgewiesen werden.

Für Betreiber von Solaranlagen entstehen also Kosten, wenn die Anlage zurückgebaut und die Module für das Recycling oder den Gebrauchtmarkt abgeholt werden. Diese Kosten werden bereits bei der Planung einer Anlage berücksichtigt und im Idealfall Rückstellungen dafür gebildet. Logistik und Handling bedeuten Aufwand. Geeignete Module für den Gebrauchtmarkt aus der Menge herauszulösen, sie an geeignete Zweitverwender zu übergeben – oder aber in ein ordnungsgemäßes Recyclingverfahren – ist eine komplexe Aufgabe.

Die Recyclingwirtschaft steht in den Startlöchern, hat aber bisher wenig Grund zum Jubeln. Zum einen sind Primärrohstoffe immer noch sehr viel preiswerter als im Recycling zurückgewonnene Materialien. Zum anderen erreichen viel weniger Module als erwartet die Recyclingunternehmen.  

Kleinstmengen aus Privathaushalten dürfen an den öffentlichen Sammelstellen (Wertstoffhöfen) abgegeben werden. Hier gibt es ebenfalls Schwachstellen. Die Wertstoffhöfe sind sehr unterschiedlich aufgestellt. Manche verweigern sogar die Annahme. Andere sammeln die Altmodule bunt gemischt, zum Teil auch stark beschädigt, in ungeeigneten Behältern. Wird dann eine Abholung angefordert, reibt sich der Dienstleister oft die Augen. Die Module zu sortieren und zum geeigneten Recyclingunternehmen zu bringen, verursacht zusätzlichen Aufwand.

Sorgfältig abbauen, transportieren und prüfen

Gemäß der WEEE-Richtlinie sind einige größere Akteure im Markt aktiv. Im Vorgriff auf das Gesetz startete PV Cycle 2013 einen europäischen Herstellerverbund, mit derzeit über 300 Mitgliedern. Der Dünnschichtmodulhersteller First Solar hat sein eigenes Rücknahme- und Recyclingsystem etabliert.

Ein wichtiger Marktakteur ist das Unternehmen Take-e-way aus Hamburg, das sich bereits seit 2005 dem Service für Elektrogerätehersteller verschrieben hat. Hersteller können dem Unternehmen alle organisatorischen Schritte rund um das Inverkehrbringen wie auch die Rücknahme von Geräten aus dem Markt übertragen.

Konkret heißt das unter anderem beim Inverkehrbringen die Anmeldung gemäß der WEEE-Richtlinie und am Lebensende die Abholung und Übergabe in die Entsorgungswege – für die PV-Module ist das eine zertifizierte Erstbehandlungsanlage. Aber nicht nur Module gilt es zu entsorgen, sondern auch Wechselrichter, Batterien, Kabel, Steuerungsgeräte und die dazugehörigen Verpackungen.

Bei Take-e-way verantwortet Michaela Lepke alle Prozesse rund um Photovoltaikkomponenten. Sie beschreibt, wie es eigentlich laufen sollte: „Wer nach den gesetzlichen Vorschriften handelt, lässt die Module sorgfältig abbauen, transportieren und in einer zertifizierten Erstbehandlungsanlage prüfen. Je nach Ergebnis treten sie dann ihren Weg in eine dafür geeignete Recyclinganlage oder gehen in die Wiederverwendung.  4000 Tonnen PV-Module hat Take-e-way 2022 für seine Kunden entsorgt. Seit 2016 zeichnet das Unternehmen verantwortlich für rund 60 Prozent aller registrierten PV-Module im deutschen Markt. Darüber hinaus registriert das Unternehmen für die Solarbranche europaweit.

Realität hat dunkle Seiten

Doch Lepke weiß um die Lücken in der Praxis: funktionsfähige Module landen im Recycling oder defekte Module auf einem Schiff, das Europa verlässt. Zudem ist nicht jedes Unternehmen, das Altmodule annimmt, dafür zertifiziert. „Wir hören von Kunden, die eine Anlage abbauen wollen, dass Händler um die Felder streichen und anbieten, die Module unbesehen von der Anlage direkt abzuholen und weiterzuverkaufen. Den Anlagenbesitzern wird ein Sorglos-Paket inklusive Geld für die Altmodule geboten.  Entscheiden sie sich dagegen und wählen den legalen Weg fallen Kosten an. Da ist die Versuchung groß, die nicht legalen Wege zu gehen“, erklärt Lepke. Dass dies geschehe, könne man auch an den Zahlen ablesen: Seit Jahren beträgt die Quote der offiziell aus dem Markt genommenen Module gerade mal ein Prozent in Relation zu den neu in Verkehr gebrachten.

Ein funktionierender Zweitmarkt in Europa könnte nach Meinung von Lepke diese Praktiken überwinden helfen. Außerdem erachtet sie einen stärkeren Vollzug für notwendig: „Die Einhaltung der Vorgaben muss kontrolliert und Regelverstöße geahndet werden. Dazu gehören auch Schulungen für Zollpersonal und gezielte Exportkontrollen.“ 

Beim Umgang mit Altmodulen ist also noch viel Luft nach oben – das bestätigen viele Akteure, wobei neben dem laxen Umgang mit gesetzlichen Vorgaben auch verbesserungsbedürftige Rahmenbedingungen für den Gebrauchtmarkt und für das Recycling an sich gemeint sind. 

Recycling-Quoten für einzelne Materialien vorgeben

Die Recycling-Vorgaben stellen im Wesentlichen auf zwei Aspekte ab: den Gesundheitsschutz und Vorgaben zur Qualität des Recyclings. „Gerade für die Qualität des Recyclings brauchen wir weitere Regularien“, sagt Daniel Horn vom Fraunhofer IWKS. Derzeit müssen nur 50 Prozent der Masse eines Moduls recycelt werden. Das erreicht man spielend mit dem Recycling der Rahmen und des Glases. Die wertvollen Materialien wie Silber und Silizium wiederzugewinnen, ist zu aufwändig und wird deshalb (noch) nicht in großem Maßstab gemacht.

Eine Verbesserung wäre nach Meinung von Horn, Quoten für die einzelnen Materialien vorzugeben. Vorgaben zur Reparierbarkeit von Modulen wie sie in der in Ausarbeitung befindlichen Öko-Design-Richtlinie vorgesehen sind, hält Horn dagegen für zweitrangig. Wichtiger findet er die Einführung eines Produktpasses, der die wichtigsten im Modul verarbeiteten Materialien auflistet, so dass die Herkunft von Rohstoffen verfolgt werden kann aber auch beispielsweise die Verwendung fluorhaltiger Rückseitenfolien nicht erst vom Recycler selbst aufwändig recherchiert werden muss.

Immerhin gibt es bereits Strukturen und Anfänge, bemerkt Tomaso Charlemonts von BayWa r.e. Er kam im zweiten Teil dieser Serie zu Wort und hat erläutert, warum viele Solarparks mit neuen Modulen ausgestattet werden, obwohl die alten noch gut funktionieren. Jetzt sei eine Art Scharnierpunkt gekommen: „Die Technologien zum Recycling sind vorhanden, nun geht es um ihre sinnvolle Überführung in die Breite.“ Die verfügbaren Technologien warten auf Investoren, der Altmodulmarkt und das Recycling auf geeignete Rahmenbedingungen.

Der Recycling-Spezialist Reiling sieht ebenfalls die Notwendigkeit, abmontierte aber noch funktionstüchtige Module nicht im Recycling enden zu lassen. Das Unternehmen errichtet gerade eine Prüfstraße. Optisch unbeschadete Module sollen künftig mit diversen Prüfverfahren getestet werden, um Leistung und elektrische Sicherheit festzustellen. Bei positivem Prüfergebnis will das Unternehmen die Module auf dem Gebrauchtmarkt anbieten. Das hätte auch Vorteile für die Kunden von Reiling, die sicher sein können, dass Altmodule den jeweils richtigen Weg gehen.

Regeln in Ausarbeitung

Ein Arbeitskreis beim VDE erarbeitet derzeit eine Anwendungsregel für all die Schritte, die bei der Demontage von Modulen in Richtung Recycling oder Zweitmarkt zu gehen sind. Das schließt den Abbau der Module, den Transport und die Vorsortierung ein. Noch in diesem Jahr soll ein erster Entwurf zur Diskussion gestellt werden. Ziel ist, eine Wiederverwendung zu ermöglichen, unnötigen Schrott zu vermeiden und das Recycling aller Materialien in den Modulen anzustreben. Die Initiative ist Teil des Forschungsprojektes ReSi-Norm, das vom Fraunhofer IWKS koordiniert wird und Standards für das Recycling von Solarzellen verbessern und vereinheitlichen will. Die Ergebnisse sollen in europäische Regelwerke einfließen. Das IEC in Genf arbeitet an einer Direktive zum Umgang mit gebrauchten Modulen. Ende des Jahres soll sie veröffentlicht werden.

Weil ein funktionierender Zweitmarkt für gebrauchte Solarmodule ein wichtiges Puzzle-Stück für den Erfolg des Recyclings ist, wird dem Gebrauchtmarkt ein weiterer Teil dieser Serie (Teil7) gewidmet.

Fazit

In dieser Artikel-Serie wurde beschrieben, warum das Modulrecycling noch kein boomender Markt ist: die Unsicherheit über Altmodulaufkommen lässt Investoren zögern, die „Abwanderung“ von nennenswerten Mengen nach außerhalb der EU verringert das Recyclingvolumen und damit die Wirtschaftlichkeit von Recyclingprozessen. Gesetzliche Vorgaben lassen Lücken und werden nicht streng genug kontrolliert, die Recycling-Quoten sind leicht zu erfüllen, wertvolle Rohstoffe gehen verloren, Primärrohstoffe sind preiswert verfügbar und es fehlt ein transparenter Zweitmarkt mit klaren Regeln innerhalb der EU.

Die Regelwerke sind in Ausarbeitung – beim VDE eine Anwendungsregel für all die Schritte, die bei der Demontage von Modulen in Richtung Recycling oder Zweitmarkt zu gehen sind. Und auch das IEC in Genf arbeitet an einer Direktive zur Wiederverwendung von gebrauchten Modulen.

Verschiedene Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten an variantenreichen Technologien für das Recycling. Es scheint realistisch, dass die zukünftigen Altmodulmengen so recycelt werden können, dass mehr wertvolle Rohstoffe als heute zurückgewonnen und in anderen Anwendungen wiederverwertet werden können.

Was fehlt? Zur Photovoltaik gehören nicht nur Solarmodule, sondern auch Wechselrichter, Steuerungsgeräte, Batteriespeicher und einiges mehr. Zu diesen Komponenten und zu den in großen Mengen anfallenden Verpackungsmaterialien wurde in dieser Serie nichts gesagt. Zumindest für die Wechselrichter soll im Laufe des Jahres eine Ergänzung folgen. Petra Franke

Die energiezukunft-Serie zum PV-Recycling im Überblick

Teil 1: Globale PV-Recycling-Märkte

Teil2: PV-Recycling in Europa

Teil3: Nachhaltigkeit beginnt in der Herstellung

Teil4: Recycling-Technologien und Forschung

Teil5: Flaxres – Blick auf ein spezielles Verfahren zum Modulrecycling

Teil6: Sammelsystem und rechtliche Rahmenbedingungen in Europa

Teil7: Exkurs zum Gebrauchtmarkt


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