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Gespaltene Entwicklung

Hersteller von Solarmodulen können mit dem asiatischen Markt nur schwer konkurrieren. (Foto: <a href="https://flic.kr/p/dqT7TA" target="_blank">Oesterreichs Energie</a>, <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/" target="_blank">CC BY-ND 2
Hersteller von Solarmodulen können mit dem asiatischen Markt nur schwer konkurrieren. (Foto: Oesterreichs Energie, CC BY-ND 2.0)

Während der Anschluss für die europäischen Zellen- und Modulproduzenten an die asiatischen Spitzenhersteller immer schwieriger wird, profitieren die Solarmaschinenbauer vom Boom in Fernost. Doch auch ihre gute Position könnte in Gefahr geraten, trotz des Technologievorsprungs zu den Firmen in Asien.

15.09.2016 – Innovationen entwickeln sich in der Photovoltaik unvermindert rasch. Nach der aktuellen Studie „The Price of Solar–Benchmarking PV Module Manufacturing Cost“ des Analystenhauses IHS, die auf der Intersolar Messe im Juni vorgestellt wurde, haben alle weltweit führenden Hersteller die Kosten in der Produktion von Solarmodulen seit Anfang 2015 um acht bis 13Prozent gesenkt. Vor allem asiatische Produzenten seien dabei überdurchschnittlich erfolgreich, heißt es. „Sie nutzen die Skaleneffekte sehr großer Fertigungen, haben Zugang zu einer dichten Lieferkette vor Ort und konzentrieren sich auf wenige Produkte“, sagt IHS-Analyst Henning Wicht. So werden chinesische Module mittlerweile für 0,43 Dollar pro Watt angeboten. Zum Vergleich: Die Preise für Paneele aus europäischer Produktion liegen mit umgerechnet mehr als 50 Cent deutlich darüber.

Ein wesentlicher Grund für die raschen Kostensenkungen ist die starke Nachfrage nach günstiger Solartechnik in China und in den aufstrebenden Solarmärkten Indien und Lateinamerika. Nach Informationen der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua errichteten chinesische Solarunternehmen im ersten Halbjahr 2016 im eigenen Land Solaranlagen mit rund 20 Gigawatt Leistung – damit hat China das staatlich vorgegebene Jahresziel von 18 Gigawatt bereits erreicht. Durch den starken Zubau im eigenen Land sei die Modulproduktion im ersten Halbjahr um mehr als ein Drittel auf 27 Gigawatt angestiegen.

Das Problem aus europäischer Sicht: Hiesige Verbraucher und Investoren profitieren von den Fortschritten und Kostensenkungen in Fernost nicht. Denn 2013 hat die Kommission der Europäischen Union Anti-Dumping-Zölle auf China-Module beschlossen, um staatlich subventionierte chinesische Billigimporte zu verhindern. Die Abgaben müssen alle chinesischen Hersteller entrichten, die sich nicht im Rahmen eines sogenannten Undertakings verpflichtet haben, für ihre Module einen Mindestpreis von 0,56 Euro pro Watt zu verlangen. Die Konsequenz: „Während die Photovoltaik weltweit boomt, stagniert sie in Europa“, sagt Holger Krawinkel, Sprecher der Solar Alliance for Europe (Safe), einem Netzwerk von Unternehmen und Verbänden, das sich gegen Modulzölle und für freien Wettbewerb einsetzt. Doch ein baldiges Ende der Maßnahmen ist nicht in Sicht. Derzeit überprüft die EU-Kommission, ob die Sanktionen gegen China noch gerechtfertigt sind. Das Verfahren wird voraussichtlich noch bis Frühjahr 2017 dauern, und zu welchem Schluss die EU-Experten kommen, ist völlig offen.

Fehlende Investoren

Theoretisch gäbe es noch einen anderen Weg zu günstiger Solartechnik in Europa: Die hiesige Solarindustrie würde ebenfalls Gigawatt-Fabriken in der Größe asiatischer Produktionen errichten. Noch sind die Pläne für eine gemeinsame europäische „Gigafab“, die das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme 2013 erstmals ins Spiel brachte, nicht vom Tisch (neue energie 12/2013). So hat die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission untersucht, unter welchen Bedingungen eine solche Großproduktion in Europa aktuell Sinn ergeben würde. Die Hürden sind nach dem Ergebnis der Untersuchung allerdings technisch wie finanziell immens. Zwar böte der wachsende Weltmarkt genügend Absatzchancen, doch um mit chinesischen Produktionen konkurrieren zu können, müsste die Gigafab mit einer Produktionskapazität von mehreren Gigawatt konzipiert werden und kurzfristig Module zu Kosten von weniger als 0,40 Euro pro Watt hervorbringen, erklärt der Photovoltaikexperte Arnulf Jäger-Waldau von der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission. „In China sehen wir bereits Fünf-Gigawatt-Fabriken. Für die kleinen europäischen Unternehmen wäre das ein Riesensprung.“ Hauptproblem sei die Finanzierung der Großfabrik, sagt Jäger-Waldau. „Mit der Technologie würde es keine Schwierigkeiten geben, das Know-how ist vorhanden, aber es gibt keine Investoren.“

Ein einfacherer Zugang zu finanziellen Mitteln und eine bessere Infrastruktur für die Solarindustrie könnten Abhilfe schaffen, doch mangele es an der hierfür nötigen Industriepolitik in den Ländern, so Jäger-Waldau. „Eine Maßnahme wäre, Industriegebiete auszuweisen, die für die Solarindustrie bereits verifiziert sind. Aber diese Hilfe haben Hersteller nicht.“ Stattdessen übernehmen in Europa mehr und mehr mit teils üppigen staatlichen Krediten ausgestattete asiatische Solarunternehmen das Ruder. Also Solar etwa produziert mittlerweile unter der Flagge der taiwanesischen SAS, Dünnschicht-spezialist Avancis ging bereits 2014 an den chinesischen Baukonzern CNBM und Shanghai Electric aus China stieg Anfang dieses Jahres beim Reutlinger Solarmaschinenbauer Manz ein. Auch der Roboterspezialist Kuka ist in den Fokus chinesischer Investoren geraten. „Wenn die Europäer nicht bis 2018 mit einer eigenen Solarproduktion aufwarten, wird der Anschluss an China schwierig“, sagt Jäger-Waldau.

Aufträge aus Asien

Während ein Wiederaufschwung für die europäischen Zellen- und Modulproduzenten immer schwieriger wird, profitieren die deutschen Maschinenbauer von der Finanzstärke der chinesischen Hersteller. Denn diese setzen in ihren Produktionslinien vornehmlich Fertigungsequipment deutscher Ausrüster ein, die vor allem dank der starken Nachfrage aus Asien auf einen Weltmarktanteil von 50 Prozent kommen. Nach Angaben des Maschinenbauverbands VDMA ist ihr Umsatz im ersten Quartal 2016 um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. „Die hohe Investitionstätigkeit der Solarzellenhersteller in den Ausbau bestehender und neuer Produktionskapazitäten hält an, die Produktion ist ausgelastet, jedoch wirken sich die niedrigen Preise negativ auf die Umsätze aus. Aufträge kommen auch schon aus den neuen Märkten wie Indien“, erklärt Peter Fath, Vorstandsvorsitzender der VDMA-Sparte Photovoltaik-Produktionsmittel.

So wird etwa die Schmid Group in Zusammenarbeit mit der iranischen Organisation für industrielle Entwicklung Idro eine voll integrierte Photovoltaik-Produktion im Iran errichten. Das Werk soll die gesamte Photovoltaik-Wertschöpfungskette umfassen, einschließlich Siliziumproduktion, Wafer-, Zellen- und Modul-Fertigung und von anfänglich 200 Megawatt auf eine Jahreskapazität von mehr als 1000 Megawatt ausgebaut werden. Außerdem rüstet Schmid derzeit die erste Modulproduktion des asiatischen Staats Kirgisistan aus. Die wesentliche Innovation in der dortigen 35-Megawatt-Fertigung sei, dass die einzelnen Stationen nicht mit einem Förderband, sondern mit Förderfahrzeugen verbunden seien. Die Shuttles bewegten sich auf engerem Raum, verkürzten so Wege, liefen sicherer und steigerten daher die Effizienz der Produktion, heißt es bei Schmid.

Die Firma Singulus wiederum hat jüngst vom russischen Unternehmen Hevel einen Auftrag für den Umbau einer bestehenden Dünnschichtproduktion auf Hochleistungszellen aus Silizium mit einer Jahreskapazität von 160 Megawatt erhalten. Konkret wird Singulus Prozessanlagen zur nasschemischen Behandlung der Zellen lie fern. Dadurch entstehen auf ihrer Oberfläche spezielle Strukturen, die einen besseren Lichteinfall ermöglichen. Auch andere europäische Zulieferer sind bei den asiatischen Solarproduzenten gefragt. So hat das Schweizer Unternehmen Meyer Burger nach eigenen Angaben von einem führenden chinesischen Hersteller im Juli einen Anschluss-Großauftrag über die Lieferung und Installation von Maschinen zur Produktion von Solarzellen auf Basis der sogenannten Perc-Technik in Höhe von rund 17 Millionen Euro erhalten. Das Besondere der Perc-Zellen ist eine spezielle Verspiegelung auf der Rückseite, die die Lichtausbeute steigert. Die Lieferung und Inbetriebnahme der Anlagen ist für das vierte Quartal 2016 vorgesehen.

Zusammen mit einem bereits im Juni bekannt gegebenen Auftrag hat dieser chinesische Kunde Diamantdrahttechnik zum Sägen der Wafer und weitere Maschinen im Gesamtwert von knapp 40 Millionen Euro bei Meyer Burger bestellt. Die Lage der europäischen Solarindustrie ist also gespalten: Während die Zellen und Modulproduzenten bei den Kosten aktuell kaum mit den Asiaten konkurrieren und wohl nur durch neue Großfabriken wieder Anschluss finden können, profitieren die Anbieter von Solarmaschinen von der Expansion in Asien. Solarexperte Jäger-Waldau von der Gemeinsamen EU-Forschungsstelle hält den weiteren Erfolg der Zulieferer jedoch für keine Selbstverständlichkeit, denn auch in Asien etabliere sich eine starke Equipment-Industrie. „Der Technologievorsprung der europäischen Ausrüster beträgt maximal noch zwei bis drei Jahre, sie müssen daher weiterhin stark auf technische Neuerungen setzen.“ Als Problem für die Europäer könnte sich allerdings abermals herausstellen, dass die Finanzausstattung und das Innovationstempo der Asiaten größer sind.

Sascha Rentzing (neue energie, Ausgabe Nr. 09/2016, S.76-81)


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