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Greenpeace-StudieDeutschlands Klimaschutzlücke wird größer, Bürger klagen

Luftballons auf einer Demo mit Aufschrift "Raus aus der Kohle" und "Klima retten"
Die Klimaziele und Senkung von CO2-Emissionen werden mit der aktuellen Energiepolitik nicht erreicht. Den Bürgern bleibt bislang nur der Protest, wie hier auf der Klimaschutz-Demo in Berlin 2019. (Foto: Nicole Allé)

Die Bundesregierung erreicht ihre Klimazusagen für 2020 laut einer neuen Studie frühestens bis zum Jahr 2025. Die Maßnahmen des Klimaschutzpakets werden über die kommenden Jahre kaum Wirkung entfalten können, die Energiewende wird weiter gebremst.

31.10.2019 – Die deutsche Bundesregierung wird ihr öffentlich zugesichertes Klimaziel für das Jahr 2020 mindestens fünf Jahre zu spät erreichen. Das heißt konkret: Mit dem im Klimapaket beschlossenen Maßnahmen wird der CO2-Ausstoß frühestens im Jahr 2025 um 40 Prozent gegenüber 1990 gesenkt sein – das macht die aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag von Greenpeace deutlich. Die Klimamaßnahmen der Bundesregierung bringen bei weitem nicht genug. 2020 werden laut Bericht der Bundesregierung zufolge nur 33,2 Prozent Minderung erreicht.

Das kürzlich beschlossene Klimapaket ist ungenügend, es braucht ehrgeizigere Maßnahmen. Die Bundesregierung muss auf einen Klimaschutzpfad zurückzukehren, der einen rechtsverbindlichen Rahmen für die deutsche Klimapolitik schafft, fordert Greenpeace. Dieser müsse sicherstellen, dass der CO2-Ausstoß in Bereichen wie Verkehr, Energie oder Landwirtschaft Jahr für Jahr im Einklang mit dem Pariser Klimaübereinkommen sinkt. Auch der Ausstieg aus der Kohle müsste jetzt schnellstmöglich per Gesetz festgeschrieben und bis 2030 abgeschlossen werden. Die klimaschädlichen Subventionen müssen schrittweise abgeschafft, die Subventionierung der alten Energiewirtschaft beendet werden.

Klimaschutzlücke aufholen, Klimapaket anpassen

Deutschland droht also ohne wirkungsvolle Maßnahmen eine gewaltige Klimaschutzlücke. Die Autoren der DIW-Studie kommen zu einer Abschätzung. Nach dem für 2020 beschlossenen Ziel müssten die jährlichen deutschen CO2-Emissionen auf 750 Millionen Tonnen gesenkt werden. Nach heutigem Stand werde die CO2-Lücke zu diesem Ziel im Jahr 2020 rund 85 Millionen Tonnen betragen und der Ausstoß frühestens im Jahr 2025 auf 750 Millionen Tonnen sinken. Durch das um Jahre und Emissionen verpasste Ziel gelangen nach Rechnung der Wissenschaftler über das nächste Jahrzehnt insgesamt rund 800 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich in die Atmosphäre. „Mit jedem weiteren verlorenen Jahr macht die Bundesregierung den notwendigen CO2-Reduktionspfad steiler“, warnt Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid.

Eigentlich war die Aufgabenstellung für die Politik klar definiert: 300 Millionen Tonnen Treibhausgase müssen bis 2030 eingespart werden. Die Studienergebnisse stünden auch im Widerspruch zum Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Darin ist vereinbart, „die Lücke zur Erreichung des 40 Prozent-Reduktionsziels 2020 so weit wie möglich zu reduzieren“. Und möglich wäre eben mehr. In allen Bereichen und verstärkt in den Sektoren Wärme und Verkehr braucht es neben einem wirkungsvollen CO2-Preis weitere, zielgerichtete Maßnahmen, um die Klimalücke zu schließen.

Verkehr, Gebäude-, Stromsektor – es reicht für nichts

Die Berechnungen des DIW Berlin in der Studie zeigen, dass „bei Verwendung historischer Preiselastizitäten im Verkehrssektor eine CO2-Bepreisung von 80 Euro je Tonne CO2 zu Einsparungen von minimal 3 Millionen Tonnen CO2 bis maximal 25 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 führen würde.“ Der CO2-Preis müsste also deutlich höher angesetzt werden als im Klimaschutzplan vorgesehen, um die notwendige Reduktion im Verkehrssektor zügig umzusetzen, stellen die Studienautoren fest. Im Gebäudesektor bewirke ein CO2-Preis von 80 Euro je Tonne CO2 eine Emissionsminderung von mindestens 8 Millionen Tonnen CO2 bis maximal 20 Millionen Tonnen CO2 bis 2030.

Ziel Erneuerbare-Energien-Anteil wird so auch verfehlt

Auch im Stromsektor werden bei einem Weiter-so ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen und trotz der Berücksichtigung der Empfehlungen der Kohlekommission alle Klimaziele verfehlt, warnt die Studie. Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromnachfrage entspräche demnach im Jahr 2025 rund 52 Prozent und 2030 dann erst 56 Prozent. Somit würde auch hier das selbst gesetzte Ziel der Bundesregierung, einen Anteil von Erneuerbaren Energien von 65 Prozent an der Stromerzeugung bis 2030 zu erreichen, deutlich verfehlt. Um diesen Ökostrom-Anteil doch noch zu erreichen, müsste laut Studie jetzt vor allem der jährliche Zubau von Wind an Land auf mindestens 4,4 Gigawatt und Photovoltaik auf 4,3 Gigawatt erhöht werden. Dafür müssten etwa Genehmigungsprozesse beschleunigt werden. Insbesondere die Abstandsregelungen von Windkraftanlagen verhindern den weiteren Ausbau an Land.

Mindestmaß an Klimaschutz wird nicht eingehalten – Bürger klagen an

Das denken nicht nur Wissenschaftler, sondern auch immer mehr um die Zukunft besorgte Bürger und gehen nicht nur auf die Straße, um eine bessere Klimapolitik einzufordern – sie fordern jetzt auch ihr Recht ein: Noch in dieser Woche wird das Berliner Verwaltungsgericht die erste deutsche Klimaklage verhandeln. Drei Landwirtsfamilien wollen zusammen mit Greenpeace gerichtlich durchsetzen, dass die Bundesregierung die nötigen Klimaschutzmaßnahmen ergreift, um das Ziel 2020 doch noch zu erreichen. Ein Argument der Kläger: Die Bundesregierung habe „Maßnahmen unterlassen, die verfassungsrechtlich als Mindestmaß an Klimaschutz geboten seien.“ na


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