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Klimawandel: Schussental muss sich anpassen

Versiegelte Garageneinfahrten
Versiegelte Garageneinfahrten und nicht begrünte Fassaden und Dächer sind auch in Ravensburg noch vielfach zu sehen. (Bild: GeorgHH, Public domain, via Wikimedia Commons)

Der Klimawandel bringt auch die Gemeinden im Schussental im Landkreis Ravensburg ganz schön ins Schwitzen. Zur Anpassung ist nun mehr Grün, Schatten und Wasser in den Kommunen gefragt, gepaart mit der Offenhaltung von Kaltluftschneisen, Entsiegelung, Verkehrsvermeidung und energetischer Sanierung.

24.10.2017 – „In Baden-Württemberg ist es nicht nur wärmer, sondern auch heißer geworden“, sagt der Stuttgarter Klimatologe Prof. Jürgen Baumüller. So haben die Sommertage, in denen es über 25 Grad Celsius warm ist, seit Anfang der 1960 Jahre um 35 Prozent zugenommen. Die heißen Tage mit über 30 Grad sind sogar um rund 84 Prozent gestiegen. Gab es in den 1960er Jahren in Weingarten noch fünf heiße Tage im Jahr, sind es nun schon 14. Zugenommen haben auch die „tropischen Nächte“, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt. Im Jahre 2003 waren dies in Stuttgart 17 Nächte und 23 im Jahr 2015. 2.250 Hitzetote gab es laut Angaben des Statistischen Landesamtes im Sommer 2015 in Baden-Württemberg. Wenn nicht gegengesteuert werde sei damit zu rechnen, dass es im Südwesten bis Ende des Jahrhunderts nochmals um bis zu 3,5 Grad wärmer werde und die mittlere Jahrestemperatur auf über 12 Grad klettert, so Baumüller. Von 1880 bis 2016 nahm die mittlere Jahrestemperatur im Südwesten bereits um 1,4 Grad zu.

Trockene Sommer machen auch den Landwirten zu schaffen

Dazu kommen Überflutungen durch Starkregen. So löste ein Starkregen in Braunsbach (Landkreis Schwäbisch Hall) Ende Mai 2016 eine Sturzflut aus, die große Teile der 2.500 Einwohner zählenden Gemeinde innerhalb kurzer Zeit verwüstete. 71 Millimeter Niederschlag prasselten dort innerhalb einer Stunde nieder. Auch für das Schussental sei damit zu rechnen, dass Starkregen immer häufiger zu Überflutungen führe, so der Klimatologe. Dazu kommt Trockenheit im Sommer. So hat sich die klimatische Wasserbilanz im Sommer in Ravensburg innerhalb der vergangenen Jahrzehnte stark verändert. Der Überschuss an Niederschlägen im Sommermittel ging von über 100 Millimeter in den 1950er Jahren auf knapp 30 Millimeter zurück. Künftig wird es voraussichtlich ein Defizit an Niederschlägen im Sommer geben, was unter anderen den Landwirten zu schaffen machen wird, prognostiziert Baumüller.

Wassertretanlagen in der Innenstadt

Wie kann sich die Region an diese Folgen anpassen? Diese Frage stand im Fokus einer gut besuchten Informationsveranstaltung zum Klimawandel im Schussental, zu der jüngst der Gemeindeverband in Kooperation mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) eingeladen hatte. „Die Städte müssen grüner, blauer, schattiger und heller werden“, so Baumüller. Parkanlagen, begrünte Dächer und Fassaden, von Bäumen beschattete Parkplätze, das alles würde helfen, um die Bevölkerung vor Hitze zu schützen. Auch öffentliche Wasserflächen, beispielsweise Wassertretanlagen in der Innenstadt, könnten zur Abkühlung beitragen. Zudem rät der Klimatologe zu hellen Fassaden und Dächern, welche die Wärmestrahlung besser reflektieren als dunkle.

Kaltluftschneisen offenhalten

Wichtig ist auch die Freihaltung von Kaltluftschneisen, damit an heißen Sommertagen kältere Luft von den teils bewaldeten Hängen des Schussentals in die bebauten Kernlagen fließen kann. Solche Kaltluftschneisen können laut der örtlichen BUND-Gruppe Bäche, Grünzüge oder stark begrünte Straßen sein. „Vorteilhaft ist ein möglichst großes Gebiet, in dem Kaltluft entstehen kann (Wälder, Wiesen, Felder, Kleingärten), eine starke Hangneigung für schnellen Luftabfluss und eine möglichst breite Kaltluftschneise“, heißt es in Empfehlungen für örtliche Anpassungen an den Klimawandel. Dies müsse bei der Überarbeitung von Bebauungsplänen und der Ausweisung neuer Baugebiete beachtet werden. „Auch der Abfluss der Kaltluft im Tal sollte als Kriterium bei der Überarbeitung von Flächenwidmungsplänen und Bebauungsplänen prioritär berücksichtigt werden“, so Mitautor Manfred Walser.

Entsiegelung in den Bebauungsplänen festschreiben

Für mehr Grün und Wasser in der Stadt hält der BUND zudem eine Festschreibung von Entsiegelungsmaßnahmen in allen Bebauungsplänen für notwendig. Ergänzt werden sollte dies durch verstärkten vorbeugenden Hochwasserschutz um Umland. Auch die energetische Sanierung von Gebäuden sollte forciert werden. Nicht nur um das Klima zu schützen, sondern auch weil sich dann das Gebäude und die Umgebung weniger durch eintretende bzw. austretende Wärme aufheizen. Durch Verkehrsvermeidung kann auch eine lokale Erwärmung entlang viel befahrener Straßen durch Verbrennungsmotoren im Sommer reduziert werden.

Zudem plädiert der BUND für neue Formen der Nachbarschaftshilfe wie Einkaufsservice an heißen Tagen oder Urban Gardening, um mit den Bedingungen des Klimawandels besser fertig zu werden.

Klimaschutzkonzept Mittleres Schussental

Mit der Erarbeitung und Umsetzung eines Klimaschutzkonzeptes für den Gemeindeverband Mittleres Schussental ist die Klimaschutzmanagerin Veerle Buytaert betraut. Sie arbeitet bei der Stabsstelle Klimaschutz der Stadt Ravensburg. Ziel ist, den Ausstoß an Kohlendioxid zu verringern und die fünf Verbandsgemeinden baulich auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Hierbei arbeitet sie eng mit dem BUND zusammen. Die BUND-Arbeitsgruppe Stadtentwicklung erarbeitete einen Katalog mit 20 Maßnahmen, der nun in den Gemeinderäten vorgestellt wird. Hans-Christoph Neidlein


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