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Die Meinung
17. Mai 2016

Energiesicherheit um welchen Preis?

Schon vor der Ukrainekrise gab es wiederholt Streit zwischen dem staatlichen russischen Gaskonzern Gazprom und der Ukraine. Dies führte dazu, dass die Gaszufuhr kurzzeitig unterbrochen wurde. Bereits damals war die Energiesicherheit ein heikles Thema in der EU. Dies gilt umso mehr seit Ausbruch der Krise im Jahr 2014.

Regine RichterEnergieexpertinurgewald e.V.

Regine RichterEnergieexpertinurgewald e.V.
Regine Richter ist Energieexpertin der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald. (Foto: urgewald)
Regine Richter ist Energieexpertin der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald. (Foto: urgewald)

17.05.2016 – Aktuell entwickelt die Europäische Kommission eine Gas-Strategie, in deren Zentrum „Versorgungssicherheit“ steht. Diese soll unter anderem erreicht werden, indem die Versorgungsrouten diversifiziert werden. Etwa durch mehr Infrastruktur für den Import von Flüssiggas, oder durch neue Gaspipelines, die nicht-russisches Gas transportieren. Zudem will die Kommission zwischenstaatliche Abkommen im Energiebereich vorab prüfen. Dies mag durchaus ein Seitenhieb auf Deutschland sein, das durch die geplante North Stream 2 Pipeline (von Russland nach Deutschland durch die Ostsee) die Abhängigkeit von russischem Gas verstärkt, statt sie zu reduzieren. Dementsprechend unbeliebt ist das Projekt bei Kommissionsmitgliedern.

Überaus beliebt ist hingegen der „Southern Gas Corridor“. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Gasleitungen, die den Brennstoff aus dem aserbaidschanischen Shah Deniz Feld im kaspischen Meer durch Georgien, die Türkei, Griechenland, Albanien bis nach Italien bringen sollen. Das Pipelinesystem wird sich über fast 3.500 km strecken. Die angenommenen Kosten liegen bei 45 Milliarden US-Dollar. Perspektivisch könnte zudem iranisches Gas in die Pipelines gespeist werden.

Desaströse Menschenrechtslage

Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen sehen das Projekt kritisch. So ist die Menschenrechtslage in Aserbaidschan katastrophal: Viele Menschenrechtsaktivisten und kritische Journalisten sitzen und saßen auf der Grundlage absurder Vorwürfe im Gefängnis oder haben das Land verlassen, um der Verhaftung zu entgehen. Das Europäische Parlament hat sich mehrfach besorgt über die Lage in Aserbaidschan geäußert. In einer Resolution von September 2015 hat es von Rat und Kommission gefordert, gegenüber der aserbaidschanischen Regierung klar Stellung zu dieser völlig unakzeptablen Lage zu beziehen. Zudem dürfe es keinen „business as usual“ geben, bis alle politischen Gefangenen freigelassen werden und das scharfe Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft beendet wird.

Energieinteressen scheinen der Kommission jedoch wichtiger zu sein als Menschenrechte. So nahm die Außenbeauftragte der EU Federica Mogherini Ende Februar 2016 an einem Ministerialtreffen zum Southern Gas Corridor in Baku teil und unterstrich die Bedeutung der Kooperation zwischen EU und Aserbaidschan. Entschiedene Kritik sieht anders aus.

Unklare Wirtschaftlichkeit

Dabei ist nicht einmal die Wirtschaftlichkeit der Pipeline klar. Denn in den letzten Jahren wurde der EU-Gasbedarf chronisch überschätzt. Seit einem Hoch 2010 sinkt der Gasverbrauch kontinuierlich in den Bereichen Strom, Industrie und Haushalte, 2014 lag er 23 Prozentpunkte unter der Spitze von 2010. Das liegt an geänderter Wirtschaft, Verbrauch und Fortschritten bei der Energieeffizienz. Wenn nun auf der Basis zu hoher Prognosen neue Infrastruktur gebaut wird, droht diese unwirtschaftlich zu werden.

Zudem würde das wichtige Signal verpasst, dass die EU als Konsequenz aus dem Klimaabkommen von Paris ihren Gasverbrauch drastisch senken will. Stattdessen würde sie künftigen Gasverbrauch zementieren und dafür noch öffentliche Mittel verschwenden.

Denn ein Megaprojekt wie dieses birgt zahlreiche wirtschaftliche und politische Risiken, die durch Garantien und öffentliche Mittel gemildert werden sollen. Deshalb sind alle großen multilateralen Banken, von der Weltbank, über die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) bis hin zur Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) für die Finanzierung von Teilstücken der Pipelines angefragt. Die EBRD hat bereits im Juli 2015 Geld für das Konsortium gegeben, das das Gas im kaspischen Meer fördert.

Diese öffentlichen Mittel sollten besser in weitere Energieeffizienzmaßnahmen und den Ausbau erneuerbarer Energien gesteckt werden. Für beides gibt es in der EU noch enormes Potenzial. Weiter sinkender Gasbedarf erhöht schließlich ebenfalls die Energiesicherheit und wäre eine deutlich nachhaltigere Verwendung von öffentlichen Geldern.

Regine Richter ist Mitarbeiterin der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald, die Banken und Konzernen auf die Finger schaut, wenn deren Aktivitäten Mensch und Umwelt schaden.




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