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Die Meinung
13. August 2021

Söders „Klimaruck“: Nebelkerzen im Top-Sonnenland

Einen „Klimaruck“ hatte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nach der Hochwasserkatastrophe gefordert und für Bayern das „modernste Klimaschutzgesetz“ in Deutschland angekündigt. Wird Söder diesem Anspruch gerecht?

Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer am Umweltinstitut München

Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer am Umweltinstitut München
Fabian Holzheid
Bild: Ökoinstitut

Die Union ist für vieles bekannt, aber sicher nicht für besonders große Ambitionen bei der Bekämpfung der Klimakrise. Das verrät die Gesamtschau auf die Klimapolitik der Ära Merkel ebenso, wie ein Blick ins aktuelle Wahlprogramm. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder allerdings fällt immer wieder durch scheinbar radikale Forderungen auf: 2019 etwa brachte Söder, sehr zum Verdruss der CDU, den Vorschlag ins Spiel, Deutschland solle bereits 2030 aus der Kohle aussteigen, während die Schwesterpartei das Ausstiegsdatum um acht weitere Jahre verzögern wollte. Böse Zungen behaupteten damals Söder täte sich mit dieser Forderung besonders leicht, da in Bayern keine Kohle abgebaut wird.

Nun, nach der verheerenden Hochwasserkatastrophe im Juli, die neben Nordrhein-Westfalen auch Teile Bayerns traf, kündigte Markus Söder einen „Klimaruck“ auch für sein Bundesland an: Beim Klimaschutz müsse man jetzt endlich nachhaltig vorankommen. Das sei keine ideologische Frage, sondern "eine Frage der Vernunft". Dabei genüge es nicht, nur Ziele zu definieren, sondern man müsse diese auch mit konkreten Maßnahmen hinterlegen. Bayern solle nun „Vorbild-Land“ beim Klimaschutz werden. Große Worte.

Wird von Bayern aus nun tatsächlich die Klimapolitik der Union umgekrempelt?

Das wäre tatsächlich revolutionär. Schließlich steht die CSU seit vielen Jahren Jahren auf der Bremse, wenn es um den Ausbau von Solar- und Windkraft im Freistaat geht, und auch seit Söders Amtsantritt ist nicht viel Fortschritt zu verzeichnen.

Schon im Juli 2020 hatte der Ministerpräsident verkündet, Bayern werde nun „Top-Sonnenland“ – und starte „die größte Solar-Offensive, die Bayern je hatte“, so das vollmundige Versprechen über Twitter. „Auf allen Neubauten in Bayern soll es künftig Photovoltaik geben. Das bringt Schwung für die Energiewende und trägt zum Klimaschutz bei“. Diese Photovoltaik-Pflicht, so Söders Pläne, solle für neue Gewerbebauten bereits ab 2021, für neu gebaute Wohnhäuser dann ab 2022 gelten. Wir bayerischen Umweltschützer:innen reagierten entzückt.

Doch dann passierte: Nichts.

Heute, im Sommer 2021, liegt das „Top-Sonnenland“ immer noch in weiter Ferne: Die von Söder vor über einem Jahr versprochene Solarpflicht ist noch immer nicht umgesetzt.Schlimmer noch:In einer Regierungserklärung vom 21. Juli, nur zwei Tage nach der Ankündigung des „Klimarucks“, kassierte Söder die PV-Pflicht für private Neubauten wieder und schob die Verantwortung auf die Bundesebene, wo eine solche Regelung allerdings gerade erst verhindert worden war – ausgerechnet durch die Union.

Auch bei der Windkraft bremst die Staatsregierung weiter:  Die 10H-Regel, die einen unsinnig hohen Mindestabstand neuer Windräder zu Wohnhäusern vorschreibt, bleibt bestehen. Damit ist der Ausbau der Windkraft im Freistaat weiterhin so gut wie unmöglich. Ein paar Ausnahmen in Staatswäldern, auf Truppenübungsplätzen und "vorbelasteten Flächen" machen da kaum einen Unterschied. Infolge der Abstandsregel wurden in Bayern im ganzen Jahr 2020 nur acht Windanlagen gebaut – 2014, kurz vor der Einführung von 10H, waren es noch 154!

Vergleicht man die vollmundigen Ankündigungen Söders mit der Realität seiner Politik, dann entsteht der Eindruck, dass die Staatsregierung die Wählerinnen und Wähler in Bayern für dumm verkaufen will: So lange Söder nicht willens ist so einfache und kostengünstige Maßnahmen wie die Abschaffung der 10H-Regel und die Einführung einer PV-Pflicht zu realisieren, muss man ihm jede echte Ambition beim Klimaschutz absprechen.

Wie dringend notwendig substanzielle Fortschritte beim Klimaschutz sind, zeigt indes der neueste Bericht des Weltklimarats IPCC: Uns bleiben nur noch wenige Jahre, um das Ruder herumzureißen und eine zivilisationsvernichtende Erhitzung der Erde zu verhindern. Vielleicht überzeugen die eindringlichen Warnungen der Wissenschaftler:innen Markus Söder davon, dass die Zeit der Nebelkerzen und des Bäume-Umarmens auf PR-Terminen vorbei ist und er jetzt endlich liefern muss. Wir werden es bald erfahren.




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