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Nachgefragt
08. Mai 2018

20 Jahre NATURSTROM: „Es war mühsame Pionierarbeit“

Die Bedingungen Ende der 90er-Jahre inmitten der etablierten Energiekonzerne waren schwierig, Motivation und Zusammenhalt dagegen einzigartig. Mitgründer und späterer Vorstand Ralf Bischof sowie seine Frau Bettina, die Kundenservice und Vertrieb aufbaute, erzählen von der Gründung NATURSTROMs.

Ralf und Bettina Bischof, Mitgründer von NATURSTROM

Ralf und Bettina Bischof, Mitgründer von NATURSTROM
Ralf und Bettina Bischof. (Foto: Andreas Schlegel / © NATURSTROM AG)

08.05.2018 – Ralf Bischof gehörte zu den 16 Gründern und war Vorstand von NATURSTROM, er leitete von 1998 bis 2002 die Geschicke des Unternehmens. Seine heutige Frau Bettina Bischof wurde als eine der ersten Mitarbeiterinnen eingestellt. Ab März 1999 verantwortete die studierte Germanistin den Aufbau des Kundenservice und des Vertriebsbereiches.

„Am 16. April 1998 hast du im Beisein eines Notars das Licht der Welt erblickt“, das sagten Sie vor zehn Jahren über die Gründung von NATURSTROM, Herr Bischof – das klingt nach einer innigen, väterlichen Beziehung.

Ralf Bischof: Tatsächlich war es so wie bei einem Baby, mit vielen schönen Erinnerungen und Erlebnissen. Aber Schlafmangel gehörte ebenso dazu und manchmal wurde es sehr anstrengend. Es gab allerdings eine Menge Gründungsmütter und noch mehr -väter, außerdem eine Mannschaft, mit der man gemeinsam durch dick und dünn gegangen ist.

Wie ist es zu dieser Geburt gekommen?

Ralf Bischof: Auslöser war, dass die EU den Strommarkt liberalisieren wollte. In Deutschland gab es damals nicht viele Fürsprecher, die europäische Vorgabe musste trotzdem umgesetzt werden. Die eigentliche Geschichte fängt aber bereits 1997 an.

Was geschah damals?

Ralf Bischof: Ich arbeitete beim Bundesverband Windenergie in Bonn – damals war ich der einzige der von den Erneuerbaren-Verbänden, die noch sehr klein waren, als Hauptamtlicher am Regierungssitz saß, als Untermieter des Deutschen Naturschutzrings. 1997 wollte der FDP-Wirtschaftsminister die Vergütungssätze für die Förderung neuer Ökostromanlagen absenken, als Reaktion organisierten wir eine für damalige Verhältnisse ziemlich große Demo in Bonn. 5.000 Teilnehmer waren für die sehr kleine Erneuerbaren-Gemeinde ein riesiger Erfolg. Auf der Demo-Bühne sprachen die unterschiedlichsten Personen, neben Joschka Fischer, Vertreter von BUND und NABU, der IG Metall auch Politiker von SPD, CDU und FDP. Es war ein breites gesellschaftliches Bündnis, was ungewöhnlich war. Aus dieser Stimmung und Atmosphäre ist NATURSTROM entstanden.

Wie genau haben sich die Gründer zusammengefunden?

Ralf Bischof: Die Organisatoren der Demo sind im Kontakt geblieben, denn alle wollten mehr erreichen. Da die Strommarktliberalisierung zu dieser Zeit anstand, wurden wir uns ziemlich schnell einig: Wir nutzen die Gunst der Stunde und heben etwas aus der Taufe, wir gründen einen unabhängigen,  reinen Ökostromversorger. Das Anfangskapital kam von genau diesen Personen. Es war ein nicht zu unterschätzendes Risiko, denn niemand wusste, ob die Idee funktionieren würde. Es gab zwar noch weitere Unternehmen, die etwa zeitgleich gegründet wurden. Wir waren uns aber bewusst, dass NATURSTROM ein besonderes Unternehmen ist, allein aus der Vorgeschichte heraus.

Gegründet wurde das Unternehmen schließlich in Düsseldorf. Organisierten Sie eine große Party?

Ralf Bischof: Nein, das lief ziemlich nüchtern ab. Die 16 Gründer fanden sich zu einem gemeinsamen Termin in Düsseldorf zusammen, jeder sagte dem Notar, wie viel er dazugibt und dann war NATURSTROM gegründet. Ich glaube, 160.000 D-Mark waren das. Anschließend sind wir etwas trinken gegangen.

Wurde dort entschieden, dass Sie Vorstand werden?

Ralf Bischof: Nein, so einfach lief das nicht ab. Ich hatte einen Job beim Windenergie-Verband, der mir Freude bereitete. Die Frage nach dem Vorstand kam erst später auf, als mehr Geld und Räume vorhanden waren. Wir benötigten ein funktionierendes Geschäftsmodell, für das es damals kein Vorbild gab. Also saßen wir zusammen und berieten darüber, wie man es anstellen müsste. Auf einmal sagte jemand: „Ralf, warum machst du das denn nicht?“

Und Sie haben es einfach gemacht?

Ralf Bischof: Mir war das erst einmal eine Nummer zu groß, schlussendlich habe ich mich mit der Idee angefreundet und bin ins kalte Wasser gesprungen. Das funktionierte recht gut. Es war ein schönes Gefühl, wenn man seine Ideen direkt umsetzen kann. Vieles hat auf Zuruf geklappt, denn alle wollten das gleiche.

Schon bald stellte NATURSTROM die ersten Mitarbeiter ein. Frau Bischof, wie sind Sie zum Unternehmen gekommen?

Bettina Bischof: Ralf und ich kannten uns aus dem Freundeskreis und ich hatte schon ein bisschen mitbekommen, was vor sich geht. Er fragte schließlich herum, ob jemand Lust hätte mitzuarbeiten. Das Thema Strom war mir zunächst so fern wie den meisten Leuten. Atomstrom fand man spätestens seit Tschernobyl nicht toll, aber dass jeder bei dem Thema etwas bewegen konnte, war eine neue Idee. Ich war also neugierig, habe mich schließlich beim damaligen zweiten Vorstand vorgestellt und wurde eingestellt.

Was hat Ihnen an NATURSTROM gefallen?

Bettina Bischof: Ich konnte mich sofort mit der Idee identifizieren. Was ich besonders mochte war die Aufbruchsstimmung. Außer einem sehr kleinen Kreis hatten ganz wenige Leute in Deutschland Ahnung von Ökostrom und es war schön, potenziellen Kunden zu erklären, was die Möglichkeiten sind und dass jeder etwas bewegen kann. Es war etwas ganz Neues.

Um welche Bereiche haben Sie sich gekümmert?

Bettina Bischof: Meine Aufgabe war der Aufbau des Kundenservice. Zunächst war ich allein, später kamen ein paar Studenten dazu, irgendwann wuchs der Bereich relativ schnell, weil wir immer mehr Kunden gewannen, die wir beraten konnten. Ich habe mich dann verstärkt dem Vertrieb für Großkunden zugewendet. Besonders spannend wurde es bei richtig großen Unternehmen. Ich kann mich erinnern, dass wir am Anfang bei einem Heilmittelhersteller in Süddeutschland waren und dieser während des Termins gleich Nägel mit Köpfen machen wollte. Als Ralf begann, den Ökostrombezug technisch aufwendig zu erklären, sah ich an den Gesichtern mir gegenüber, dass sie gar nicht die Details erklärt haben wollten. Die wollten von uns hören: Der Strom kommt weiterhin aus der Steckdose und das Licht geht nicht aus. Insgesamt waren wir viel unterwegs, haben die Idee vorgestellt oder Vorträge gehalten. Ein Spruch von Ralf lautete: Einfach machen, nicht so viel fragen. Wir waren zwar ein kleines, aber ein richtig gutes Team mit großem Zusammenhalt. Ich denke gerne daran zurück, es waren wirklich schöne Zeiten.

Dennoch waren die Anfänge von NATURSTROM sicher nicht einfach. Was waren die größten Herausforderungen?

Ralf Bischof: Wir waren gleich zum Start des neuen Energiewirtschaftsgesetztes am Markt, damals gab es die notwendigen Detailregelungen noch nicht. Theoretisch konnten wir Kunden versorgen, aber Begriffe wie Netzzugang waren noch nicht vorhanden. Diese Ansprüche durch das Gesetz mussten wir selbst durchsetzen. Die alten Energieunternehmen, ob große Konzerne oder Stadtwerke, waren noch zugleich Netzbetreiber und Stromversorger, die Geschäfte und Prozesse waren nicht getrennt.

Wie haben Sie Ihre Kunden also versorgt? Schließlich gibt es hunderte Netzbetreiber.

Ralf Bischof: Wir haben jedem Netzbetreiber, in dessen Gebiet wir Kunden versorgen wollten, einen Brief mit unseren Forderungen geschrieben. Fast immer wurden wir daraufhin zum Gespräch eingeladen. Ich bin also hingefahren und saß mehreren alteingesessenen Herren gegenüber, die verwundert waren, dass ich alleine kam. Das war jedes Mal eine interessante Erfahrung und hat tatsächlich Spaß gemacht.

Das Interview führte Clemens Weiß


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