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Nachgefragt
10. Mai 2021

„Die Windenergie ist seit meiner Kindheit ein Teil von mir“

Seit 2005 ist Diana Lauer Geschäftsführerin der BadenWind. Wir haben mit ihr über Ihre Erfahrungen in der Windbranche und die Zukunft der Windenergie gesprochen.

Diana Lauer, Geschäftsführerin BadenWind

Diana Lauer, Geschäftsführerin BadenWind
Diana Lauer
Foto: Michael Rudewig

Frau Lauer, ihr Vater hat bereits in den 1990er Jahren Windkraftanlagen projektiert. Wie haben Sie persönlich diese Zeit erlebt?

Die Windenergie ist seit meiner Kindheit ein Teil von mir. Schon als zehnjähriges Mädchen war ich immer mit dabei, als mein Vater Anfang der 1990er Jahre in Süddeutschland seine erste Anlage errichtete. Das war in Jettingen am Rand des Schwarzwaldes. 1993 ging die Anlage ans Netz und war ein absolutes Novum in Baden-Württemberg. Ich habe mich gefühlt wie ein Exot, Freunde und Familie haben uns nicht verstanden. Damals hat mein Vater mit Begeisterung und um Geld zu sparen vieles selbst gemacht. Für die Windmessungen haben wir zum Beispiel einen zehn bis fünfzehn Meter hohen Turm aus Surfmasten errichtet. Auch die Stahlbewehrung für das Fundament der Anlage hat er selbst geflochten. Schon früh war mir bewusst, dass wir für die Windenergieanlage haften und unser Haus verlieren könnten, falls irgendetwas schiefgeht. Das Projekt war schließlich über Banken finanziert. Ich hatte damals jahrelang Angst, mein Zuhause zu verlieren. Am Ende ist alles gut gegangen, die Anlage steht immer noch, genau wie unser Haus.

Ein Leben für die Windenergie?

Genau so war es, wir sind auch in jedem Urlaub auf Stellplatzsuche gegangen. Und zwar nicht auf Stellplatzsuche für Wohnmobile, sondern für Windkraftanlagen. Damals sind wir mit unserem alten Golf viel nach Norddeutschland oder Frankreich gefahren. Immer auf der Suche nach guten Standorten für Windkraftanlagen.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie zum ersten Mal auf einer Windkraftanlage standen?

Zum ersten Mal auf einer großen Windkraftanlage stand ich tatsächlich erst im Jahr 2005, also nach dem Tod meines Vaters. Damals hatte ich mit meinen 25 Jahren gerade die Firma übernommen. In diesem Moment habe ich echte Begeisterung für die Windenergie gespürt. Vorher fühlte es sich eher wie eine Pflicht für mich an. Schließlich musste ich das Familienunternehmen meines Vaters weiterführen, es war sein ganzer Stolz. Als ich dann aber zum ersten Mal oben auf einer Anlage stand, das war Begeisterung pur. Man spürt da oben das Wetter, spürt wie mächtig die Natur ist. Es weht ein ordentlicher Wind, die gesamte Anlage bewegt sich und schwingt leicht hin und her. Ich bin danach immer wieder hochgeklettert, hab manchmal oben ein Picknick gemacht oder eine Flasche Sekt geöffnet.

Im Jahr 2005 haben Sie die Firma Ihres Vaters übernommen. Wie haben Sie damals die Branche erlebt?

Ich war als 25-jährige Frau eine absolute Exotin in der Branche. Es war anstrengend, sich in dieser Männerdomäne zu behaupten. Oft wurde ich ungläubig angeguckt und nicht ernst genommen. Damals war die Branche noch viel kleiner und persönlicher, jeder kannte jeden. Es war am Anfang kein schönes Gefühl, immer diese Blicke von den Leuten zu spüren. Sei es auf einer Gesellschafterversammlung oder bei einer Gemeinderatssitzung, überall haben einen belustigte Männeraugen angeschaut.

Hat sich das im Lauf der Zeit verändert?

Ja auf jeden Fall, ich bin ja nicht so jung geblieben und habe ein großes Selbstvertrauen. Zudem gibt es inzwischen etliche große Firmen, die auch viele junge Menschen und Frauen in der Branche anstellen. Das hat sich gewandelt.

Wie hat sich die Windbranche insgesamt verändert?

Heutzutage gibt es immer mehr Akteure in der Branche, alles ist fremder und unpersönlicher geworden. Die Mentalität einer Ellbogengesellschaft hat Einzug gehalten. Es geht oft darum, mit allen Mitteln einen Zuschlag zu bekommen und die anderen zu verdrängen. Auf der anderen Seite ist die Entwicklung aber auch sehr spannend. Allein die Leistungssteigerung der Windenergieanlagen der letzten Jahre, das ist der Wahnsinn. Technisch hat sich auf jeden Fall einiges getan. Jedoch müssen wir in der Branche auch mit einem wachsenden und immer besser organisierten Widerstand gegen die Windkraft leben. Es gibt viele Vereine und Bürgerinitiativen, die teilweise bundesweit organisiert sind. Nach einer Bürgerversammlung habe ich sogar mal Drohmails erhalten, das war echt beängstigend.

Früher gab es diesen Protest nicht so stark?

Diese sehr gut organisierten Widerstände gab es früher auf jeden Fall nicht. Es wird auch viel mehr in den Medien über Windenergie berichtet – und leider nicht immer so positiv und faktenbasiert. Es gibt immer größere Anlagen, mehr Projekte und mit dem Internet ganz andere Informationsquellen. Über die sozialen Netzwerke verteilen sich die Informationen rasend schnell, unabhängig von deren Wahrheitsgehalt. Der Widerstand ist dadurch auf jeden Fall gewachsen. Es ist heutzutage auch viel leichter geworden, sich einer Protestgruppe anzuschließen.

Wie stellen Sie sich die Zukunft der Windbranche vor?

Wenn es so weitergeht wie jetzt, dann wird es immer weniger und dafür größere Marktteilnehmer geben. Die ganzen „kleinen“ Pioniere der ersten Stunde, die Landwirte, die die Energiewende vorangebracht haben, wird es dann nicht mehr geben. Ihr Anteil am Ausbau der Windenergie wird immer geringer, schließlich ist ja inzwischen ein ganz anderes Investitionsvolumen für den Bau einer Anlage gefragt. Außerdem wurden Windprojekte durch die ganzen neuen Regularien und Gesetze bedeutend verkompliziert. Im Prinzip braucht man heutzutage für jeden Schritt juristische Unterstützung, das EEG wird zum Beispiel immer schwerer zu lesen. Und es gibt noch zahlreiche andere Themen, die eine Projektierung mühsam machen, wie etwa der Artenschutz, die Schallthemen oder die Ausschreibungen.

Welche Rolle wird Repowering spielen?

Dieses Thema wird in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen, die ersten Anlagen sind ja bereits aus dem EEG gefallen. Ich war davon ebenfalls betroffen und musste im letzten Jahr lange rechnen, ob sich der Weiterbetrieb meiner Anlagen noch lohnt. Ich finde es persönlich nämlich sehr schade, wenn eine Anlage einfach abgebaut wird, obwohl der Weiterbetrieb aus technischer Sicht möglich ist. Tatsächlich konnte ich die meisten meiner Anlagen durch Power Purchase Agreements (kurz: PPAs, also direkte Lieferverträge) weiterbetreiben. Gutachten haben ergeben, dass aus technischer Sicht einige meiner Anlagen noch bis zu zwanzig Jahre lang weiterbetrieben werden können. Aber das ist sehr unterschiedlich und hängt stark vom Anlagentyp und Standort ab. Sobald jedoch die ersten größeren Reparaturen anstehen, werden die Anlagen entweder abgebaut oder ein Repowering durchgeführt. Wobei letzteres aufgrund der planungsrechtlichen Situation oder wegen Abständen zu Wohnhäusern oder Straßen auch nicht an allen Standorten möglich ist. Für den Bau einer neuen Anlage müssen schließlich auch die neuen Gesetze beachtet werden.

Die Bundesregierung plant im EEG 2021 einen Windkraft-Zubau. Sehen Sie da für die BadenWind eine Chance?

Ja, eigentlich schon. Ich habe mich aber vor ein paar Jahren gegen das Projektieren von Neuanlagen entschieden und dafür meinen Fokus auf das Betreiben meiner eigenen Anlagen sowie die Betriebsführung für meine Kunden gelegt. Damit habe ich bewusst mein persönliches Risiko reduziert. Mit Planungszeiten von drei bis fünf Jahren wird ansonsten viel Kapital in die Waagschale geworfen. Wo es möglich ist, werde ich meine Projekte zukünftig repowern. Bis dahin wird meiner Meinung nach der Weiterbetrieb von Anlagen sehr wichtig bleiben. Bis es vernünftige Repowering-Strategien und Genehmigungen gibt, muss der Weiterbetrieb technologisch und wirtschaftlich funktionieren. Ansonsten verlieren wir in Deutschland in den nächsten Jahren nicht unerhebliche Kapazitäten und verzeichnen unter Umständen sogar einen negativen Windkraftzubau.

Was macht für Sie die Faszination einer Windkraftanlage aus?

Ich finde es unglaublich schön, dass uns die Natur jeden Tag kostenlos Wind schenkt. Durch Temperaturunterschiede und Zirkulation entsteht jeden Tag aufs Neue Wind, die Energie ist praktisch unendlich verfügbar. Auf der ganzen Welt können wir dadurch riesige Mengen Strom erzeugen, das finde ich genial.

Das Interview führte Joschua Katz.


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Kommentare

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Adalbert Mauch 12.05.2021, 05:36:31

Eine echte Pioniersfamilie! Früher hat man solche eher gefördert. Heute wo die Energieriesen sich alles unter den Nagel reissen wollen, ist die Energiewelt lahmer bzw rücksichtsloser geworden. Gesponserte Falschinformationen blockieren das Land der Denker (und Dichter). Ein Kampf der Zentralen gegen die Dezentralen. Leider steht in Deutschland die Mammon-CDU nicht mehr auf des Volkes Seite. Damit Verhinderer einer schnellen Energiewende.


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