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Verstrahlte IdeenAtomenergie ist kein Klimaschutz

Kernkraftwerk Cruas in Frankreich.
Kernkraftwerk Cruas in Frankreich. (Bild: David Roumanet auf Pixabay)

Deutschland steigt bis Ende 2022 aus der Atomenergie aus. Doch erst diese Woche veröffentlichte die Tageszeitung die Welt einen offenen Brief, der Deutschland zur nuklearen Umkehr aufruft. An der Datenlage zur Atomenergie ändert das nichts.

15.10.2021 – Ein Jahrzehnt nach Fukushima ersteht die Atomenergiedebatte im neuen Gewand des Klimaschutzes wieder auf von den Toten. Unter jungen Aktivisten geistert die Idee, mit Atomenergie die Klimakrise zu bekämpfen. Rückenwind bekommen sie von der internationalen Atomlobby und einzelnen Pro-Atom-Aktivisten. Diese Debatte ist kurzsichtig und ignoriert die Erfahrungen mit Atomenergie weltweit. Atomkraftwerke sind unwirtschaftlich, hochgradig anfällig für Störungen, Naturkatastrophen und kriminelle Angriffe.

Deutschland steigt aus, EU-Länder steigen ein

Deutschlands letzte Atomkraftwerke gehen Ende 2022 vom Netz. Viele Länder haben die Atomkraft hingegen fest in ihrer Energiestrategie verankert. Polen, Estland und Frankreich sind nur Beispiele für Länder, die sogar neue Atomkraftwerke bauen. Die EU hat zudem Anfang des Jahres angedeutet, Atomenergie voraussichtlich als grüne Investition einstufen zu wollen. Sie würde dann unter die Förderrichtlinien des Green Deals fallen und als ebenso nachhaltig gelten wie Erneuerbare Energien.

Als größter Verfechter der Atomenergie in der EU gilt Frankreich. Erst Anfang des Jahres hat das Atomstromland die Laufzeit mehrerer seiner AKWs verlängert.Präsident Macron kündigte Anfang der Woche ein 30-Milliarden-Euro-schweres Investitionspaket für die französische Industrie bis 2030 an. Davon soll eine Milliarde in den Bau neuer Atomreaktoren fließen. Im Vergleich ist dies zwar keine riesige Summe, aber Macron bekennt sich damit zu einem kritischen Zeitpunkt in der europäischen Strompreisdebatte zur Atomenergie. Noch eindeutiger lobte er die Kernenergie als Erhalter der energetischen Unabhängigkeit Frankreichs.

Risiken bewerten

Die erste „Deutsche Risikostudie – Kernkraft“, schätzte 1979 das Risiko von Atomkraft als extrem gering ein. Es wurde angenommen – und später viel zitiert, dass es nur alle 10 000 Jahre zu einem schweren Unfall komme. Tschernobyl und Fukushima sind die schwersten der nuklearen Katastrophen, die diese Annahme eindeutig widerlegen.

Eine Greenpeace-Studie von elf Atomkraftwerken in Deutschland, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Belgien, Frankreich, Schweiz, Schweden und Spanien vom März 2021 zeigt, dass keins der nuklearen Kraftwerke ein ausreichendes Konzept zum Schutz vor Naturkatastrophen hat. Die Anlagen operieren häufig aus finanziellen Gründen stattdessen mit Risikoschätzungen, die auf das bestmögliche Szenario setzen. Dies ist beim Ausmaß der Konsequenzen von Unfällen in Kernkraftanlagen grob fahrlässig.

Veränderte Umweltbedingungen, auch in Folge der Klimakrise, erhöhen das Risiko des Betriebs von Kernkraftanlagen stetig. Mitte des Jahres forderte das Umweltinstitut München deshalb die Abschaltung gefährdeter Atomreaktoren in Europa. Die Frage nach einem nur ansatzweise sicheren Endlager für Atommüll bleibt derweil weiter offen. Der unabhängige, jährlich erscheinende World Nuclear Report kommt zu dem Ergebnis, dass die Kernenergie auf dem heutigen Markt für den Neubau von Stromkapazitäten irrelevant ist.

Atomkraft? Nein danke!

In den letzten Jahren wurden auch in Deutschland immer wieder Stimmen gegen den Atomausstieg laut, besonders von (noch-) CDU-Parteivorsitzenden Armin Laschet, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Friedrich Merz, der im Vorfeld der Bundestagswahl auf Twitter bereute, dass seine Partei sich von der Anti-Atomkraftbewegung zu einem verfrühten Ausstieg habe drängen lassen.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Mit dem Atomausstieg entscheidet sich Deutschland für einen echten Energiesystemwandel. Die Anti-Atom-Bewegung bereitete mit jahrelangem Aktivismus den Boden für den Atomausstieg in Deutschland. Dieser wurde beschlossen, dann kam Merkel. Der Ausstieg aus dem Ausstieg. Und dann Fukushima. Der Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg. Fakt ist: Deutschland braucht keinen Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg. Oder auch: Atomkraft? Nein danke! jb


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Kommentare

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Manfred Hundhausen 16.10.2021, 11:04:28

Für den gesunden technischen Menschenverstand gibt es eine eindeutige Bewertung für KKW-Technologie: NO GO

 

Historische Entwicklung einer Hochrisiko Technologie:

 

Am 26. Juni 1956 weltweit erste kommerzielle Inbetriebnahme des russischen KKW-Reaktors. (fast 10 Jahre lang der einzige kommerzielle Reaktor in Russland).

 

Heute gibt es weltweit nicht einmal 500 aktive KKW in kommerziellen Betrieb.

Es gibt keine Erfolgstechnologie, die sich in 65 Jahren so extremst schwach entwickelt hat. Und das, obwohl die Produkt Nachfrage (Strombedarf) gigantisch gestiegen ist.

 

Die Ursache ist eindeutig: diese Technologie ist nicht rentabel, es ist ein ökonomischer FLOP.

Diese schwache Entwicklung, bei der Bestand Reaktoren uralt noch in Betrieb sind, besteht wohlgemerkt W E L T W E I T seit über 6 Jahrzehnten.

 

Die Ursache für diese niederschmetternde Entwicklung liegt nicht in der Anti Atom Bewegung, die in totalitären Systemen gar nicht denkbar ist. Die Fakten sprechen für sich.

 

Punkt zwei:

Die Betriebssicherheit ist extrem mangelhaft.

Auch das sieht man bei objektiver Betrachtung der Verfügbarkeit von Reaktoren zwischen zwei Revisionen:. M A N G E L H A F T.

Das gilt für alle Reaktoren, in Frankreich, USA, Japan,.., aber genauso in Deutschland.

 

Wenn ein ICE ist ein Airbus oder der Dienstwagen eines Präsidenten oder Politikers oder das eigene Auto so oft wegen Störungen nicht betriebsbereit wäre, wäre das inakzeptabel.

Der ICE würde den Bahnhof nicht mehr verlassen, der Airbus würde nicht mehr vom Boden abheben.

 

Die Verfügbarkeit bei KKW ist ,objektiv feststellbar, katastrophal schlecht.

 

Bei der bekannten Risikotageweite ergibt sich ein nur ein einziges mögliches Urteil:

NO GO!!

Werner Mueller 09.11.2021, 13:13:47

„Polen, Estland und Frankreich sind nur Beispiele für Länder, die sogar neue Atomkraftwerke bauen.“

................................................................

Nur Frankreich Baut ein AKW und das bereits seit ca. 15 Jahren und das kW Leistung kostet da ca. 12.000€/kW.

Eine PV-Anlage kostet ca. 1000€/kW und ist in wenigen Tage errichtet.

Philipp Sasse 07.01.2022, 15:30:41

+71 Gut

Bitte bei sachlichen Argumenten bleiben! Für die CO2-Einsparung ist nicht die Nennleistung entscheidend, sondern die gelieferte Energieausbeute. 1 kW PV-Nennleistung ergibt je nach Bedingungen einen Jahresertrag zwischen 700 und 1100 kWh, während es beim AKW rund 8000 kWh sind. Da die mittlere Laufzeit eines AKW ein Vielfaches der PV-Anlage erreicht, schneidet das AKW trotz übler Kostenüberschreitung in CO2-Einspeisung pro investiertem € viel besser ab als die PV-Anlage.

Besser mit Windkraft vergleichen, da ist die Einsparung pro investiertem Euro erheblich günstiger!

Christoph Goebel 07.01.2022, 15:29:46

" ... Frankreich Baut ein AKW und ... und das kW [CG: installierte] Leistung kostet da ca. 12.000€/kW [CG: installierte Leistung]. Eine PV-Anlage kostet ca. 1000€/kW ..."

 

Photovoltaik-(=PV-)Anlagen erreichen aufgrund der natürlichen Gegebenheiten in D (Tag-und-Nacht-Rhythmus, Wetter, Jahreszeiten) nur in etwa 10 Prozent der Zeit eine tatsächliche Leistung, die der installierten entspricht, "AKWs" (=KKWs) dagegen in ca 85 Prozent der Zeit.

Philipp Sasse 07.01.2022, 15:49:32

Inwiefern widerlegen Tschernobyl und Fukushima die Annahme, dass es alle 10.000 Betriebsjahre eines Reaktors zu einer Kernschmelze käme (so steht es in der Studie)? Bei 400 Reaktoren in Betrieb ergibt sich, dass es alle 25 Jahre zu einer Kernschmelze in einem dieser Reaktoren weltweit kommt, was ziemlich genau dem Abstand der beiden Katastrophen entspricht. Die Annahme wurde also nicht widerlegt, sondern bestätigt.

Allerdings bezog sich die Annahme auf Deutschland, wo weder Tschernobyl (untermoderierter Reaktor gleicht eher einer Atombombe als einem Kraftwerk) noch Fukushima (Unfall war nur möglich, weil Vorgaben der internationalen Aufsicht nicht umgesetzt wurden) hätten betrieben werden dürfen.


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