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Klimaklage





EnergiewendeDen Strommarkt für die Zukunft fit machen

Strommasten und Stromleitungen in der Abendsonne.
Durch die Stromleitungen Deutschlands fließt verstärkt Erneuerbarer Strom. Für das Ziel 100 Prozent Erneuerbare Energien aber sind weitere Veränderungen nötig. (Bild von Nicole Köhler auf Pixabay)  

Noch immer ist der deutsche Strommarkt auf träge fossile Kraftwerke ausgerichtet - obwohl sie von Erneuerbaren Energien zunehmend verdrängt werden. Experten fordern deshalb ein neues Strommarktdesign. Das könnte sogar kurzfristig Wirkung zeigen.

27.10.2020 – Im letzten Jahr lieferten Erneuerbare Energien schon 42 Prozent des Bruttostrombedarfs, im ersten Halbjahr 2020 wurde die 50 Prozent Marke geknackt. An manchen Tagen waren im Strommarkt sogar mehr als 70 Prozent Erneuerbare vorhanden. Die Corona-Pandemie sorgte zwischenzeitlich für deutlich weniger Industrieprozesse, die vor allem mit fossiler Leistung laufen. Technisch war die überwiegende Einspeisung regenerativer Energien für den Strommarkt kein Problem. Das Stromnetz lief stabil.

Doch wirtschaftlich rentiert sich das aktuelle Design des Strommarktes nicht mehr. Denn finanziell ist der Strommarkt noch immer auf träge fossile Kraftwerke ausgerichtet. Für die Energiewende und das Ziel 100 Prozent Erneuerbarer Energien ein Riesenproblem. Der Bundesverband Erneuerbare Energien hat daher gemeinsam mit den Energieinstituten Energy Brainpool, IZES, Enervis und IKEM Vorschläge zur Finanzierung und Flexibilisierung des Strommarktes erarbeitet, die kurzfristig Wirkung zeigen könnten.

Die Ausgangslage:

Mehr Erneuerbare Energien und eine geringere Stromnachfrage führen aktuell zu stark sinkenden Börsenstrompreisen. Was erst einmal positiv zu bewerten ist, führt jedoch im aktuellen Strommarktdesign dazu, dass die Differenz zwischen dem Marktwert des erneuerbaren Stroms und der EEG-Vergütung, die über die EEG-Umlage ausgeglichen werden muss, steigt. So lag der Börsenstrompreis 2010 noch bei 5,8 Cent pro Kilowattstunde. Im ersten Halbjahr 2020 waren es deutlich unter 3 ct/kWh. Einnahmen für das EEG-Konto brachen weg, die EEG-Umlage erhöhte sich allein wegen des Börsenstrompreises seit 2010 um 2 ct/kWh.

Hinzu kommt der stark gestiegene Anteil stromintensiver Unternehmen, die von der EEG-Umlage befreit sind. Dadurch steigt die EEG-Umlage für alle anderen Stromverbraucher. Der Zubau Erneuerbarer Energien hingegen trägt kaum noch zur Erhöhung der EEG-Umlage bei. 2021 wird die Finanzierung regenerativer Energieanlagen wohl nur noch eine Erhöhung von 0,1 ct/kWh ausmachen. Im Zuge der anstehenden Novelle will die Bundesregierung die EEG-Umlage zwar deckeln, Experten bezweifeln jedoch, ob dies die Probleme beseitigt.

Ein weiteres Problem sind laut BEE und Energieinstituten negative Strompreise, die immer häufiger auftreten. Diese entstehen, wenn die Stromerzeugung den Verbrauch überschreitet und der darüber hinaus nicht exportiert werden kann. Wer dann Strom einspeist muss grundsätzlich für seinen Strom bezahlen, statt Einnahmen zu erzielen. Zwar erhalten neuere Ökostrom-Anlagen dann nach wie vor Geld aus dem EEG, doch für viele ältere Anlagen, die nach 20 Jahren aus dem EEG fallen, rentiert sich der im Normalfall wirtschaftliche Betrieb nicht mehr. Problem in Zeiten überhöhter Einspeisung ist indes fossiler Strom. So lassen sich Atom- und Kohlekraftwerke nicht flexibel abschalten und speisen zu viel Strom ins Netz.

Flexibilisierung nötig

In diesem Zuge fordern BEE und Co. eine Flexibilisierung des Strommarktes. Ziel sollte es sein die Regelenergieleistung oder auch Grundlast konventioneller Kraftwerke durch Erneuerbare Energien zu ersetzen. Damit auch in Zeiten rein Erneuerbarer Einspeisung ins Stromnetz keine Versorgungsengpässe entstehen, müssten Speicherkapazitäten vehement ausgebaut werden. Auch müsste die Vorrangregelung Erneuerbarer Energien auf die Regelenergieleistung ausgeweitet werden. Erste Analysen zeigen, dass für diese Flexibilisierung drei Maßnahmen zügig Wirkung zeigen könnten.

  1. Anreize für Lastverschiebungen: Bislang versorgt die Industrie sich vor allem selbst mit Strom, meist auf fossiler Basis. Für die Industrie müssten daher Anreize geschaffen werden ihren Strom vorrangig aus Erneuerbaren Energien im Netz zu beziehen. Dies könnte vor allem zu Zeiten bewerkstelligt werden, wenn viel Strom aus Erneuerbaren im Netz ist. Dann könnten spezielle Vergünstigungen für die Industrie greifen. Gleichzeitig müssten in diesen Zeiträumen extra Entgelte für fossilen Strom aus Eigenversorgung erhoben werden.
  2. Stromspeicher sollten weitestgehend von Stromnebenkosten befreit werden, um diese attraktiver zu machen.
  3. Dynamisierung von Stromnebenkosten: Eine stärkere Orientierung von Stromkosten an der Einspeisung Erneuerbare Energien ist nötig. Der Großhandelspreis oder Menge regenerativen Stroms im Netz könnte als Signal für anfallende Stromsteuern und -kosten wirken.

Gerechte und ökologische Finanzierung fällig

Um Finanzierung und Akzeptanz des weiteren Ausbaus Erneuerbarer Energien zu sichern, muss die EEG-Umlage stabilisiert oder sogar gesenkt werden. BEE und die Energieinstitute fordern in diesem Zuge verursachergerecht zu handeln. Ebenfalls drei Maßnahmen könnten demnach Wirkung zeigen.

  1. Veränderte Ausgleichsregelungen für stromintensive Betriebe: So könnte die Befreiung stromintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage abgeschafft werden, sodass alle Stromverbraucher die volle EEG-Umlage zahlen. Im Gegenzug würden die stromintensiven Betriebe Kompensationen ähnlich wie im Emissionshandel erhalten. Im besten Fall sind diese dann an Maßnahmen im Bereich der Energieeffizienz gekoppelt. Ein zweiter Weg wäre die Befreiung von der EEG-Umlage zu erhalten, die dadurch fehlenden Einnahmen aber aus dem Bundeshaushalt zu zahlen. Das würde die Transparenz erhöhen und die Entlastungen für alle anderen Stromverbraucher deutlich mindern.
  2. Die Stromsteuer senken: Die Stromsteuer könnte von derzeit 2,05 ct/kWh auf den von der EU vorgeschriebenen Mindestsatz von 0,1 ct/kWh gesenkt werden. Davon würden vor allem Privatpersonen profitieren, da Unternehmen bereits weitgehend die Stromsteuer zurückerstattet bekommen. Der Bundeshaushalt müsste die entgehenden Einnahmen jedoch auffangen ohne andere Sozialsysteme zu belasten.
  3. Finanzierung der EEG-Umlage durch höheren CO2-Preis: So könnten Teile der Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel (ETS) und aus dem künftigen deutschen Brennstoffemissionshandelsgesetz in die EEG-Umlage fließen und diese senken. Eine steigende CO2-Bepreisung könnte das in den kommenden Jahren realistisch machen, ohne dass an anderer Stelle für Klimaschutz Gelder fehlen.

Juristisch und technisch könnten alle diese Maßnahmen schnell umgesetzt werden so die Macher der Analyse. Fabian Huneke von Energy Brainpool versprach bei der Vorstellung des Papiers: „Alle Maßnahmen sind sehr kurzfristig umsetzbar.“ Sollten diese zum Beispiel in die anstehende EEG-Novelle einfließen, wären schon ab Anfang des kommenden Jahres Wirkungen sichtbar.

Auch Simone Peter, Präsidentin des BEE sagte: „Sie (die Maßnahmen) würden eine zeitnahe Entlastung schaffen und gleichzeitig eine geordnete Neujustierung des Strommarktdesigns für die erneuerbar getragene Energieversorgung vornehmen“. Für langfristige Lösungen arbeiten der BEE und die Energieinstitute bereits an einer Grundlagenstudie, die eine noch tiefer gehende Überarbeitung des Strommarktes ermöglichen soll. mf

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