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Bürgerrat KlimaDetaillierte Empfehlungen für mehr Klimaschutz

vier Personen
Gestern präsentierte der Bürgerrat Klima seine Ergebnisse. Mit dabei (v. l.n.r.): Adnan Arslan (Teilnehmer des Bürgerrats), Horst Köhler (Bundespräsident a.d. und Schirmherr des Bürgerrats), Mareike Menneckemeier (Teilnehmerin des Bürgerrats) und Wolfgang Lucht (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und wissenschaftlicher Berater beim Bürgerrat). (Bild: Robert Boden)

Es ist ein bislang erfolgreiches Experiment. Erstmals kam in Deutschland ein repräsentativer Querschnitt der Gesellschaft zusammen, um, unterstützt von Experten, über Klimaschutz zu beraten. Herausgekommen ist ein deutlicher Weckruf an die Politik.

25.06.2021 – Nach 12 digitalen Sitzungen und über 50 Stunden Diskussionen stehen die Ergebnisse. Der Bürgerrat Klima legt 10 übergeordnete Leitsätze und über 80 Empfehlungen vor. Intensiv geführte Debatten gab es vor allem bei der Mobilität und dem CO2-Preis. Doch im Großen und Ganzen adressieren die Teilnehmenden den klaren Auftrag an die Politik, Klimaschutz in allen Lebensbereichen deutlich stärker voranzutreiben.

Am 26. April kam der Bürgerrat erstmals Online zusammen. Die 160 Teilnehmenden stellten eine Art Mini-Deutschland dar. Unterschiedliche Bildungsabschlüsse und Migrationshintergründe etwa waren im Bürgerrat Klima repräsentativ, den Verhältnissen in Deutschland entsprechend, vertreten. Anders als zuletzt in Frankreich und Dänemark, handelt es sich beim hiesigen Bürgerrat nicht um einen von der Politik ins Leben gerufenen.

Zugleich findet die Arbeit dieses zivilgesellschaftlichen organisierten Bürgerrats die Unterstützung von über 60 Organisationen und Verbänden. Im Beirat des Bürgerrats befindet sich etwa der Verband der Automobilindustrie (VDA) ebenso, wie der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD). Auch der deutsche Feuerwehrverband, die AWO oder der Olympische Sportbund sind Teil des Unterstützerkreises. Mit diesem breiten Bündnis hofft Rabea Koss, Sprecherin des Bürgerrates, die Ergebnisse in die breite Öffentlichkeit zu tragen.

Und aus Sicht des Klimaschutzes können sich diese Ergebnisse sehen lassen. Mit zumeist über 90 Prozent der Stimmen verabschiedeten die Teilnehmenden zehn Leitsätze, mit Forderungen, nach einer sozialen-, globalen- und generationengerechten Klimawende, die das 1,5 Grad Ziel als oberste Priorität ansieht. Das Gemeinwohl stehe dabei über einzelnen wirtschaftlichen Interessen.

Detaillierte Forderungen

Darüber hinaus legte der Bürgerrat Klima in über 80 einzelnen Empfehlungen zum Teil detaillierte Maßnahmen vor, diese übergeordneten Ziele auch zu erreichen. So erarbeiteten die Teilnehmenden mit Unterstützung von Experten Pläne, wie mindestens zwei Prozent der Gesamtfläche jedes Bundeslandes für den Ausbau von Photovoltaik- und Windenergieanlagen bereitgestellt werden kann, oder wie die Nutzung von Photovoltaik-Anlagen auf Dachflächen ab 2022 schrittweise verpflichtend eingeführt und in Bebauungsplänen festgehalten werden kann.

Einer der Teilnehmenden war Adnan Arslan aus Velbert in Nordrhein-Westfalen, der sich zuvor nicht viel um die Themen Klima und Umwelt gekümmert habe, wie er gestern bei einer Pressekonferenz erklärte. „Durch Diskussionen und Vorträge von Wissenschaftlern fühle ich mich jetzt gut informiert“, so Arslan weiter. Durch Gespräche mit anderen Teilnehmern habe man darüber hinaus verschiedene Sichtweisen zu verstehen gelernt.

Das bestätigte auch Mareike Menneckemeyer aus Nürnberg, ebenfalls Teil des Bürgerrats Klima. So habe es Teilnehmer gegeben, die die Forderung stellten, das Parken in Städten deutlich teurer zu machen. „Als Mutter von zwei Kindern ist es aber kein Vergnügen mit Öffis in die Nürnberger Innenstadt zu fahren“, so Menneckemeyer, die aus einem Nürnberger Vorort kommt. Wenn das Parken oder auch Fahren in der Innenstadt teurer werde, sei das für sie problematisch.

Intensive Debatten

Im Mobilitätsbereich gab es die intensivsten Debatten, berichteten die Teilnehmer. Dort findet sich auch die einzige Empfehlung, die letztendlich vom Bürgerrat nicht angenommen wurde. Die Forderung nach einer City-Maut für Autos wurde knapp abgelehnt (Nur 49 Prozent Zustimmung). Verschärfte Tempolimits auf deutschen Straßen hingegen fanden eine knappe Zustimmung von 58 Prozent der Teilnehmenden.

Neben der Mobilität erarbeitete der Bürgerrat Maßnahmen in den Handlungsfeldern Energie, Gebäude und Wärme, Ernährung und Instrumente der Transformation. Zu diesen Instrumenten gehört etwa der CO2-Preis. Auch bei diesem Thema habe es schwierige Diskussionen gegeben, so Menneckemeyer. Die Angst, dass das Leben dadurch deutlich teurer werde, sei groß.

Der Bürgerrat fordert in diesem Zuge ein Höchstmaß an Transparenz. „Ein regelmäßiger öffentlich-rechtlicher Klimabericht soll über Einnahmen der CO2-Bepreisung und deren Verwendung informieren“, so eine Empfehlung, und: „Auf Produkten muss die Höhe des CO2-Preises und die Klimaschädlichkeit des Produktes (z. B. in Form einer Klimaampel) einfach und intuitiv dargestellt werden.“

Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen indes „zweckgebunden in den sozialen Ausgleich, in Forschung und Entwicklung sowie in Infrastruktur investiert werden“, so die Forderung des Bürgerrats. Im Vorfeld der Bundestagswahl ist über Höhe und Verwendung der CO2-Bepreisung eine breite Debatte entbrannt.

Hilfestellung und Angebot für die Politik

Rabea Koss sieht den Bürgerrat als Hilfestellung und Angebot für die Politik, unter dem Motto: „Schaut euch an, was die Bevölkerung eigentlich will, und nehmt deren Empfehlungen ernst“, so Koss, die es für realistisch hält, dass sich die Politik die Empfehlungen anhört und berücksichtigt. Denn was sei besser als ein Programm, das von den Bürger:innen erarbeitet wurde.

Die Angst sei da, dass die Politik, das was wir erarbeitet haben, wie das Bild eines Kindes aus dem Kindergarten betrachten werde, sagte Mareike Menneckemeyer. Es bestehe aber auch die große Hoffnung, dass der Druck der Öffentlichkeit so groß werde, dass die Empfehlungen wirklich umgesetzt werden. Adnan Arslan hat indes schon seine eigenen Konsequenzen gezogen. Er hat anderen Teilnehmern versprochen, sich ein Fahrrad zuzulegen. Manuel Först


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