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Ausblick 2023Energiepolitische Agenda ist bunt und prall gefüllt

Bunter Heißluftballon beim Start auf der Insel Ventotene
Der Aufgabenzettel der Energiepolitik für 2023 hat es in sich. (Foto: IslandVita auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Das neue Jahr dürfte energiepolitisch ebenso dynamisch werden wie das vergangene. Energie- und Klimakrise setzen die Agenda für EU und Bundesregierung. Mehr Unabhängigkeit, mehr Erneuerbare, so die Kurzformel. Doch die Details haben es in sich.

02.01.2023 – Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich die Welt verändert. Die direkte Betroffenheit der europäischen Länder, die sich in einer handfesten Energiekrise mit hohen Preisen und drohenden Energieengpässen befinden, hat dem Ausbau der Erneuerbaren Energien mehr Dringlichkeit denn je verliehen. Unisono in allen Bündnissen und politischen Lagern wird das inzwischen so gesehen. Aber mit der Knappheit hatten auch die Kohlekraft und sogar die Atomkraft ein unerwartetes Comeback. Völlig undenkbar noch vor einem Jahr: Der Ausbau einer Flüssiggas-Infrastruktur ist in vollem Gange. Deshalb ist keineswegs sicher, dass das Kommando „Volle Fahrt voraus für die Erneuerbaren“ tatsächlich konsequent gilt. Ein Ausblick auf die energiepolitische Agenda für das Jahr 2023.

EU sucht nach Antwort auf US-amerikanisches Anti-Inflations-Programm

Mit Spannung werden Vereinfachungen im europäischen Beihilferecht erwartet. Im Sommer letzten Jahres nahm US-Präsident Biden mit dem Inflation Reduction Act ein Konjunkturprogramm riesigen Ausmaßes in Angriff. 386 Milliarden Dollar will die US-Regierung in Erneuerbare Energien, E-Autos und Batterie-Technologien sowie in hochmoderne grüne Wasserstoffindustrien investieren.

Einzelne Stimmen wiesen in den Wochen danach auf die Tragweite des Unterfangens auch für die europäische Wirtschaft hin. Aber erst gegen Ende des Jahres wurde die Besorgnis in der EU wahrnehmbar. Der französische Präsident Macron reiste sogar nach Washington, um das Befremden der Europäer in diplomatische Worte zu fassen. Denn das Anti-Inflationsprogramm sieht Beihilfen bzw. Steuererleichterungen für amerikanische Unternehmen nur dann vor, wenn in den USA gefertigte Produkte und Komponenten verbaut werden. Eine Abwanderung von Greentech-Unternehmen aus Europa nach Amerika wird befürchtet.

Als Reaktion kündigte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen an, die EU-Beihilferegeln zu vereinfachen. Eine strukturelle Antwort sei notwendig. Doch inzwischen ist auch klar, dass eine Überarbeitung der Beihilferegeln nur eine Stellschraube unter vielen ist. Um Innovationen und deren Markteinführung zu beflügeln, braucht es mehr: Verhandlungen mit den USA, damit auch europäische Unternehmen von den Steuervorteilen profitieren können und generell einen gestärkten Binnenmarkt in der EU, beispielsweise durch einheitliche Standards, damit Innovationen wirklich schnell in Masse und damit kostengünstig auf den Markt gebracht werden können. Inzwischen ist auch von der Schaffung eines Souveränitätsfonds für Europa die Rede.

Erneuerbaren Richtlinie REDIII und schnellere Genehmigungen

Die EU hat sich weitere große Projekte vorgenommen. Die Erneuerbaren-Richtlinie REDIII soll unter schwedischer Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2023 verabschiedet werden. 2022 schlug die Diskussion um den Umgang mit Holzenergie bereits hohe Wellen, ist aber nur ein Detail des Vorhabens. Insgesamt soll die Richtlinie konform zum Fit-for-55-Programm gemacht werden: höhere Ausbauziele für Erneuerbare, Unterziele für Verkehr, Gebäude und Fernwärme sowie höhere Energieeinsparziele sind die Hauptlinien. Mit dem RepowerEU-Programm, der Reaktion Europas auf den russischen Überfall auf die Ukraine, ist sogar schon die REDIV am Horizont sichtbar, es könnte also leicht unübersichtlich werden.

Hinzu kommt eine EU-Notfallverordnung, die eine Höchstdauer für Genehmigungen für Erneuerbare-Projekte vorsieht. Sie wurde kurz vor Weihnachten 2022 vom Energieministerrat beschlossen und nimmt ein Vorhaben vorweg, das Teil der REDIV sein soll. Die Mitgliedsstaaten sollen ermächtigt werden, in sogenannten Beschleunigungsgebieten die Umweltprüfungen zu straffen und so schnellere Genehmigungen herbeiführen. In diesen Expresszonen muss aber zuvor eine strategische Umweltprüfung stattgefunden haben. Außerdem müssen Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen sein.

Reform des Strommarktes

Der Strommarkt in der EU soll umfassen reformiert werden. Für das erste Quartal wird ein Vorschlag der EU dazu erwartet. Experten gehen davon aus, dass die Reform auch eine Entkopplung der Strom- und Gaspreise einschließen wird. Bereits kurz vor Weihnachten kursierte ein erstes Papier der EU-Kommission. Pikantes Detail: die Abschöpfung von Gewinnen und Erlösen, die zeitlich befristet aufgrund der Energiekrise europarechtlich erlaubt wurde, könnte ein dauerhafter Mechanismus werden.

Die Gründung einer Wasserstoffbank steht ebenfalls im Arbeitsprogramm der EU-Kommission für das dritte Quartal 2023. Das Konzept ist aber noch nicht bekannt. Von Seiten der Bundesregierung  wird eine Überarbeitung der nationalen Wasserstoffstrategie erwartet.

Neue Regeln für Nachhaltigkeitsberichte

Corporate Social Responsibility, kurz CSR, ist der Begriff für die soziale Verantwortung der Unternehmen, die Verantwortung für die Umwelt einschließt. Mit der überarbeiteten CSR-Richtlinie sollen die Nachhaltigkeitsberichte ähnlich wichtig werden wie die Finanzberichte. Zudem sollen die Berichte zur Nachhaltigkeit Teil der Lageberichte von Unternehmen werden. Wird der Zeitplan eingehalten, gilt die neue Richtline ab 2024, betrifft dann schon die Berichte für das Geschäftsjahr 2023 und mehr Unternehmen als bisher.

Am 1. Januar 2023 beginnt die neue gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in der EU. Alle Mitgliedsstaaten haben ihre Strategiepläne vorgelegt, die Kommission hat sie genehmigt. Insgesamt stehen 264 Milliarden Euro bereit, um den Übergang zu einem nachhaltigen und widerstandsfähigen Agrarsektor zu unterstützen. Diese Mittel werden durch nationale Beiträge aufgestockt. Für die Agrarförderung in Deutschland stehen von 2023 bis 2027 jährlich rund 6,2 Milliarden Euro bereit. Weiterhin erhalten Landwirte und Landwirtinnen Direktzahlungen pro Fläche. Als zweite Säule unterstützen Förderprogramm die nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung.

EEG 2023 tritt in Kraft

In Deutschland tritt das EEG 2023 vollständig in Kraft, wobei einzelne Regelungen bereits seit Sommer letzten Jahres gültig sind. Die EU hatte Ende 2022 die notwendige beihilferechtliche Zustimmung erteilt. Die Strom- und Gaspreisbremsen werden ab März gelten – dann aber rückwirkend zum 1. Januar. Zudem treten echte Steuererleichterungen für PV-Anlagen bis 30 Kilowatt in Kraft. Für sie sind rückwirkend zum 1. Januar 2022 keine Ertragssteuern mehr fällig. Außerdem gilt unter bestimmten Voraussetzungen ab 1.1.2023 ein Umsatzsteuersatz von Null Prozent.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat eine Zusammenfassung über andere wichtige Änderungen für Verbraucher gegeben. Einige Highlights: Ab 2023 werden zudem Vermieter:innen in einem Stufenmodell an der so genannten CO2-Abgabe beteiligt. Die Abgabe soll den Anreiz für energetische Sanierungen bei Bestandsbauten erhöhen. Das Neun-Euro-Ticket soll einen Nachfolger bekommen: Für 49 Euro pro Monat sollen bundesweit alle Busse und Bahnen des öffentlichen Nahverkehrs genutzt werden können. Außerdem wird das Bürgergeld Hartz IV ablösen und das Wohngeld steigen. Steigen werden aber auch die Beiträge für Gebäude- und Kfz-Versicherungen sowie in vielen Fällen die Zusatzbeiträge der Krankenkassen.

Deutsches Lieferkettengesetz tritt in Kraft

Am 1. Januar 2023 tritt das Lieferkettengesetz in Deutschland in Kraft. Es gilt zunächst für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten, ab 2024 wird es auf Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten ausgeweitet. Das Gesetz verpflichtet die Unternehmen, auf Umweltschutz und Menschenrechte bei den Zulieferbetrieben zu achten und bei Bedarf Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Die Wirtschaft kritisierte das Gesetz, weil es deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligt. Inzwischen ist ein ähnliches Gesetz auf europäischer Ebene auf dem Weg. Die Mitgliedsstaaten einigten sich im Dezember 2023 auf einen Entwurf, im Mai wird die Stellungnahme des europäischen Parlaments erwartet. Das EU-Lieferkettengesetz wird flankiert von einem Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten, das einen produktspezifischen Ansatz wählt.

Deutschland erarbeitet Biomassestrategie Nabis

In Ausarbeitung befindet sich eine nationale Biomassestrategie für die nachhaltige Nutzung von Biomasse. Anfang Oktober stellte die Bundesregierung Eckpunkte vor, die nun im Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft konkretisiert werden.  Der Rahmen ist definiert: Es können nur nachhaltig verfügbare Potenziale genutzt werden, natürliche Ökosysteme gilt es zu erhalten und die Ernährungssicherheit soll Vorrang haben. Wichtigstes Leitprinzip ist die konsequente Kaskaden- und Mehrfachnutzung von Biomasse – also immer der stofflichen Nutzung Vorrang zu geben, die eine möglichst langfristige Kohlenstoffbindung ermöglicht. Erst am Ende der Kaskade sollten andere Anwendungen, zum Beispiel im Energie- und Kraftstoffbereich, in den Blick genommen werden.

IEA – Erneuerbare weltweit auf dem Vormarsch

Zum Schluss noch ein Blick auf die Trends beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die Branche in Deutschland schaut zuversichtlich in die Zukunft. Ein Zurück in die Zukunft werde es nicht mehr geben, so Simone Peter, Präsidentin des BDEW. „Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit, Klimaschutz und umfassende Wertschöpfung können nur mit dem schnellen Zubau der Erneuerbaren in allen Sektoren gewährleistet werden. Die Erneuerbaren werden das neue Energiesystem tragen“, so ihre Einschätzung.

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2023 wurde bereits von den Übertragungsnetzbetreibern grob geschätzt: Sie rechnen mit einem Netto-Zubau von Erneuerbaren-Energien-Anlagen in Höhe von 11 Gigawatt. Ein Großteil davon – 8,5 Gigawatt – wird wiederum von Solaranlagen erbracht. Windenergieanlagen an Land und Windenergieanlagen auf See tragen mit 2,2 GW und 0,5 GW zum Netto-Zubau bei. Für Biomasse wird ein leichter Rückgang der Leistung von 0,1 GW erwartet, da einige Anlagen ihr Förderende erreichen.

Die Internationale Energieagentur IEA – lange Zeit mächtiger Sachwalter der fossilen Energiebranche- sieht die Energiekrise als Wendepunkt hin zu mehr erneuerbaren Energien und sauberer Energie.

Die IEA erwartet in ihrer Basis-Prognose für den Zeitraum von 2022 bis 2027 einen Anstieg der weltweiten Stromerzeugungskapazität aus Erneuerbaren Energien um 2.400 Gigawatt (GW). Das entspräche 30 Prozent über der Wachstumsprognose vor einem Jahr. Damit werde deutlich, so IEA-Chef Fatih Birol, dass Regierungen das politische Gewicht sauberer und unabhängiger Energieversorgung erkannt haben. Erneuerbare Energien werden laut Bericht in den nächsten fünf Jahren über 90 Prozent des weltweiten Ausbaus im Stromsektor ausmachen. Damit würden sie Kohleenergie bereits bis Anfang 2025 als wichtigste Stromquelle ablösen. Petra Franke


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