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Europäische UnionEntwaldungsfreie Lieferketten mit Ausbaupotenzial

Ein Mann füllt die Flüssigkeit eines Kautschukbaumes ab.
Förderung von Kautschuk an einem Baum in Indien: Besserer Schutz natürlicher Wälder und Stärkung der Menschenrechte. (Bild: Rhaessner at German Wikipedia, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0, Ausschnitt)

Viele Produkte, die Entwaldung verursachen, dürfen künftig nicht mehr in die Europäische Union importiert werden, darauf haben sich Parlament und Rat der EU geeinigt. Doch in einigen Punkten schwächelt das neue Gesetz.

08.12.2022 – Während das Vorhaben für ein EU-Lieferkettengesetz bei den Unternehmen ansetzt und diese zu einer größeren Sorgfaltspflicht bei der Einhaltung nachhaltiger Lieferketten verpflichten soll, verfolgt das Gesetzesvorhaben für entwaldungsfreie Lieferketten einen produktbezogenen Ansatz. Laut einem entsprechenden Gesetzesvorschlag der EU-Kommission von November letzten Jahres sollen Holz, Kaffee, Kakao, Palmöl, Rindfleisch und Soja sowie daraus gewonnene Produkte strengeren Importregularien unterliegen und nicht mehr in der EU vertrieben werden, wenn deren Herstellung unter bestimmten Umständen Entwaldung verursacht hat.

Ausgehend von den Vorschlägen der Kommission, haben Rat und Parlament der EU in gemeinsamen Verhandlungen nun eine Einigung erzielt. Der Weg für ein Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten ist damit frei und geht bezüglich der Produkte über den Vorschlag der Kommission hinaus. Auch Kautschuk, Holzkohle und bedrucktes Papier sollen demnach den strengen Importregularien unterliegen, die Sorgfaltspflichten für Unternehmen festlegt, die entsprechende Produkte in die EU importieren wollen. Die Unternehmen müssen demnach belegen, dass für die Herstellung der Produkte kein Wald gerodet, der Ende 2020 noch vorhanden war – etwa anhand von Satellitenbildern. Auch mögliche Menschenrechtsverletzungen sollen stärker kontrolliert und der Zugang geschädigter zur Justiz erleichtert werden.

Die EU-Mitgliedsstaaten werden künftig in der Pflicht sein, Kontrollen durchzuführen. Die Kommission wird dazu eine Klassifizierung der Herkunftsländer vornehmen, die die Anzahl der Kontrollen vorgibt. Mitgliedsländer sollen künftig neun Prozent der Produkte und Marktteilnehmer aus Ländern mit hohem Entwaldungsrisiko kontrollieren, drei Prozent der Marktteilnehmer mit mittlerem Risiko und neun Prozent der Marktteilnehmer mit geringem Risiko. Länder mit geringem Risiko müssen zudem weniger Sorgfaltspflichten erfüllen. Sanktionen gibt es etwa mittels Geldbußen von "mindestens vier Prozent" des Jahresumsatzes des Marktteilnehmers, oder auch eines Ausschlusses vom Markt für maximal 12 Monate. In Kraft treten soll das Gesetz voraussichtlich Mitte 2024.

Hauptimporteur Europa

Für Anna Cavazzini, Europaagebordnete von Bündnis 90/die Grünen und Berichterstatterin des Parlaments, setzt die Einigung Maßstäbe für den globalen Waldschutz. „Ich begrüße es, dass sich das Europaparlament durchsetzen konnte und Kautschuk in die Verordnung aufgenommen wurde, da dessen Produktion maßgeblich zur Entwaldung führt“, so Cavazzini weiter. Die EU ist einer der Hauptimporteure von Kautschuk, mit einem Anteil von 25 Prozent der weltweiten Einfuhren. Das Material, dass meist von Bäumen stammt, wird vielfältig eingesetzt, für Kondome bis Autoreifen. Auch bei den anderen klassifizierten Produktklassen ist die EU einer der Hauptimporteure. Hauptgrund für globale Entwaldung ist die Ausdehnung der Landwirtschaft, mit einem Anteil von 90 Prozent. 16 Prozent der dabei angebauten Agrarrohstoffe werden in der EU konsumiert. Nur China ist für einen noch weitaus höheren Anteil verantwortlich.

Cavazzini kritisiert indes, dass nicht auch Mais in die Verordnung aufgenommen wurde, deren Anteil an den globalen Importen in die EU 30 Prozent beträgt. Mitgliedsstaaten gaben zu Bedenken, dass die Hinzunahme von Mais, die angespannte Lage an den globalen Lebensmittelmärkten weiter verschärfen könnte. Doch Mais ist neben Soja Hauptfuttermittel für die Fleischindustrie und damit gewichtiger Treiber der globalen Entwaldung. Mit einer verpflichtenden Klausel soll nach zwei Jahren geprüft werden, ob Mais doch noch in die Produkte entwaldungsfreier Lieferketten aufgenommen werden soll. Dies gilt auch für die Aufnahme von anderen bewaldeten Flächen und von Finanzinstitutionen. „Wir Grüne werden darauf pochen, dass andere bewaldete Flächen nach einem und Finanzinstitutionen nach zwei Jahren mit in die Verordnung aufgenommen werden“, sagt Cavazzini.

Business Entwaldung

In einer gemeinsamen Studie Anfang September zeigten die norwegische Umweltorganisation Harvest und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf, wie allein deutsche Finanzinstitute zwischen 2016 und 2021 Investitionen und Kreditfinanzierungen von 1,3 Milliarden US-Dollar für Produkte mit besonders hohem Entwaldungsrisiko bereitgestellt haben. Demnach wurden rund 300 globalen Unternehmen, die besonders entwaldungskritische Agrarprodukte wie Rindfleisch, Soja, Palmöl, Kautschuk, Holz sowie Zellstoff und Papier in Entwaldungs-Hotspots in Südostasien, Zentral- und Westafrika sowie in Teilen Südamerikas produzieren, 899 Millionen US-Dollar in Form von Krediten und Emissionsübernahmen bereitgestellt. Zudem investierten deutsche Finanzakteure etwa 423 Millionen US-Dollar in Anleihen und Aktien von Unternehmen mit hohem Entwaldungsrisiko.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, zeigte sich diesbezüglich nach der Einigung enttäuscht: „Damit können Banken weiterhin Unternehmen mit einem hohen Entwaldungsrisiko finanzieren.“ Auch den fehlenden sofortigen Schutz von anderen bewaldeten Flächen kritisiert die DUH. „Der Schutz von Trockenwäldern wie dem brasilianischen Cerrado wird auf die lange Bank geschoben. Damit fällt ein Großteil der Entwaldung durch den EU-Konsum von Sojafuttermitteln und Rindfleisch unter den Tisch. Die Situation im Cerrado könnte sich sogar noch verschlimmern, da Unternehmen jetzt von geschützten Waldgebieten auf diese ungeschützten Gebiete ausweichen“, so Müller-Kraenner. Vorerst haben es nur sogenannte „Primärwälder“, wie der Amazonas Regenwald, in das Gesetz geschafft und nicht „bewaldete Flächen“, wie den Cerrado.

Beim EU-Lieferkettengesetz indes, das Unternehmen direkt in die Pflicht nimmt, stehen zeitnah weitere Verhandlungen auf EU-Ebene an. Der Rat der EU legte dazu letzte Woche seine Position vor, nachdem die Kommission im Februar einen Vorschlag unterbreitet hatte. Auch bei diesem Gesetzesvorhaben droht der Finanzsektor außen vorzubleiben. Auch bei der Frage der Haftung besteht laut der Parlamentarierin Cavazzini noch Verhandlungsbedarf. mg


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