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SektorenkopplungOhne Speicher keine Energiewende

Illuminierter Turm.
Speichern kann so schön sein: Der kunstvoll gestaltete Alperia Tower ist Fernwärmespeicher für die Stadt Bozen in Südtirol. Im Inneren des 40 Meter Turms befindet sich rund 5.850 m3 Wasser, das durch die Abwärme der Müllverwertungsanlage Bozen bis auf 95° C erhitzt werden kann. Bei vollem Speicher kann so thermische Energie von bis zu 220 MWh für das Fernwärmenetz bereitgestellt werden. (FOTO: BARTLEBY08 / WIKIMEDIA COMMONS CC BY-SA 4.0)

Zur Überwindung des fossilen Zeitalters braucht es Speicher. Noch leben wir aber in einem System, das vor allem aus großen Erzeugern und fossilen Kraftwerken besteht. Dabei braucht es die Sektorenkopplung und dezentrale Lösungen.

13.05.2021 – Windkraft und Solarenergie sind die Treiber der Energiewende. Noch könnten die beiden Erzeugungsarten allein jedoch keinen gesicherten Energiebedarf bereitstellen. Die bisherige Grundlast von Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken liefert zwar zu jedem Zeitpunkt gleichmäßig Energie, konterkariert jedoch Klima- und Umweltschutz. Schon heute produzieren Wind- und Solarenergie in manchen Regionen Deutschlands mehr Energie, als ins Netz eingespeist werden kann. Dann müssen sie abgeregelt, also ausgeschaltet werden.

2019 gingen durch die Abregelung Erneuerbarer Energien 6,5 Milliarden Kilowattstunden Strom verloren. Dabei kann diese Energie mit den richtigen Technologien gespeichert und bei Bedarf – wenn keine Sonne scheint und kein Wind pfeift – wieder ins Netz eingespeist werden. Damit wären Grundlastkraftwerke aus fossilen Brennstoffen endgültig überflüssig. Es gibt inzwischen eine Vielzahl an unterschiedlichen Speichertechnologien. Speicher mit sehr schnellen Be- und Entladezeiten stabilisieren das Stromnetz. Andere können größere Energiemengen über Tage oder sogar Wochen einlagern.

Aktuell sind Pumpspeicherkraftwerke die dominante Technik, um elektrische Energie im Bedarfsfall bereitzustellen. Etwa sieben Gigawatt Leistung sind in Deutschland installiert. Doch um fossile Kraftwerke zu ersetzen, braucht es deutlich mehr. Und jedes weitere Pumpspeicherkraftwerk bedeutet erhebliche Eingriffe in die Natur, weil dafür riesige Stauseen angelegt werden müssen.

Kondensatoren oder magnetische Spulen dagegen helfen Schwankungen im Stromnetz abzufedern und die Spannung stabil zu halten. Sie reagieren schnell und haben einen hohen Wirkungsgrad, die Speicherkapazität ist dagegen gering. Auch Batterien dienen unter anderem der Netzstabilisierung und kommen in Heimspeichersystemen für Photovoltaik ebenso zum Einsatz wie im Antrieb von Elektrofahrzeugen.

Die Sektoren verbinden

Mit neuen Verfahren lässt sich erneuerbarer Strom für andere Sektoren – Wärme und Verkehr – verfügbar machen. Großwärmespeicher können Windstrom, der aufgrund von Netzengpässen abgeregelt werden müsste, im Power-to-Heat-Verfahren für Fernwärmenetze nutzbar machen. Bei der Nutzung von Technologien wie Blockheizkraftwerken (BHKW) wird gleichzeitig Strom und Wärme gewonnen, die vor Ort gespeichert und weitergenutzt werden kann.

Somit ist diese Form der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) auch ein entscheidender Baustein der dezentralen Energiewende, etwa für die Wärmeversorgung von Gemeinden oder Stadtquartieren. Heute kommt die Energie für KWK-Anlagen jedoch oft noch aus fossilen Quellen. Die Umstellung auf Erneuerbare Energien ist auch hier die große Aufgabe.

Kraft-Wärme-Kopplung in der Praxis

In der bayerischen Marktgemeinde Lupburg liefert ein Holzgas-Blockheizkraftwerk Strom und Wärme für die Gemeinde. Die Energiezentrale beherbergt einen Holzvergaser, ein Blockheizkraftwerk, fünf Pelletkessel sowie zwei große Pufferspeicher. Im Holzvergaser werden Holzpellets unter Luftausschluss schwelend verbrannt. Das dadurch entstehende ein Gasgemisch wird dem Blockheizkraftwerk zugeführt und dort verbrannt. So entsteht Strom und gleichzeitig Wärme, die in das angeschlossene Nahwärmenetz eingespeist wird. Durch die zwei Pufferspeicher werden Wärmebedarf und Wärmeerzeugung zeitlich voneinander entkoppelt, das Nahwärmenetz reagiert somit flexibel auf die Bedürfnisse vor Ort. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach liefert den Strom für elektrisch betriebene Pumpen und die Steuerungstechnik des Wärmenetzes. Eine Power-to-Heat-Anlage kann überschüssigen Strom aus dem Blockheizkraftwerk in Wärme umwandeln und speichern und zugleich Regelenergie bereitstellen, um die Netzstabilität der Stromversorgung zu garantieren.


Eine ganze Stadt mit Wärme versorgen

In Städten sorgen Großspeicher mit mehreren Millionen Litern Fassungsvermögen über Monate für eine sichere Wärmeversorgung. Fernwärmespeicher sind häufig mit Wasser gefüllte Behälter, die Schwankungen im Wärmebedarf des Fernwärmenetzes ausgleichen.  Meist kommt Wasser als Speichermittel zum Einsatz, da es, bezogen auf seine Masse, besonders viel Energie aufnehmen kann, Auch in Form von Eis oder Dampf kann Wasser deutlich mehr Wärme speichern als viele andere Materialien.

Leider basiert die Fernwärmeversorgung heute oft noch auf der Verbrennung fossiler Stoffe, wie Kohle und Gas. Dabei gibt es viele weitere CO2-arme Alternativen, wie Geothermie, Biomasse und die Nutzung industrieller Abwärme oder der von Müllverbrennungsanlagen. Um eine ganze Stadt klimafreundlich mit Wärme zu versorgen, erprobt Hamburg in einem Reallabor ein unterirdisches Wärmespeichernetz. Es bedient sich Grundwasserspeichern, die tiefer liegen als Schichten, aus denen das Hamburger Trinkwasser gewonnen wird.

Diese Wasserleiter – auch Aquifere genannt – sind salzhaltig und damit unbrauchbar für das Trinken, aber hervorragend geeignet als Speicher, da Salz über zusätzliche Wärmeleiteigenschaften verfügt. So könnte im Sommer das Wasser hochgepumpt, mittels klimafreundlicher Technologien auf 80 Grad erhitzt und wieder in die tiefen Schichten gepumpt werden. Dort kann es über Monate unter geringen Temperaturverlusten lagern.

Eine Umwandlung von Warmwasser zurück in Strom ist jedoch aufgrund des niedrigen Temperaturniveaus nicht möglich. Dafür braucht es etwa Hochtemperaturwärmespeicher. So erprobt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) aktuell in einer Anlage in Köln Flüssigsalz als Speichermedium. Dies kann mithilfe von Sonnenkollektoren auf bis zu 560 Grad erhitzt werden. Bei Bedarf gibt das Salz die gespeicherte Wärme über einen Wärmetauscher wieder als Dampf ab und treibt Turbinen zur Stromerzeugung an. Auch der Einsatz von Stahl und Vulkangestein für diese Anwendungspraxis wird erforscht.

Professor Dirk Uwe Sauer, einer der führenden Experten für Speichersysteme von der RWTH Aachen, sieht aktuell jedoch wenig Chancen für Hochtemperaturwärmespeicher für die Stromspeicherung, sich im Markt zu behaupten. „Wenn sie nicht rentabel sind – und er relativ geringe Wirkungsgrad trägt erheblich zu den Betriebskosten bei – dann braucht man sie auch nicht. Es mangelt nicht an Alternativen. Interessant wird es aber gegebenenfalls wenn starke Wärmequellen zur Verfügung stehen.“, so Sauer. Der DLR hat für seine Flüssigsalzspeichertechnologie den Umbau von bestehenden Kohlekraftwerken in den Blick genommen. Dies wäre eine Möglichkeit, Kosten zu senken. Hochtemperaturwärmespeicher als Wärmspeicher in industriellen Prozessen dagegen laut Sauer eine interessante technologische Option dar.

Power-to-X

An sogenannten Power-to-X Technologien wird intensiv geforscht. Neben Power-to-Heat-Verfahren, bei dem Strom mit einem Wirkungsgrad von fast 100 Prozent in Wärme umgewandelt und über einen Zwischenspeicher in ein Wärmenetz eingespeist wird, fasst Power-to-X chemische Energiespeicher zusammen. Dabei wird aus elektrischem Strom zunächst Wasserstoff erzeugt und dann synthetische flüssige oder gasförmige Energieträger hergestellt, die über einen langen Zeitraum große Energiemengen aufnehmen und wieder abgeben können. Deutschland und Europa sehen vor allem im Wasserstoff riesige Potenziale und stecken Milliarden in die Forschung.

Der Wasserstoff kann entweder direkt gespeichert, unter Zugabe von CO2 zu Methan umgewandelt und dann gespeichert oder in Erdgasleitungen eingespeist, oder zu Flüssigkraftstoffen, sogenannten Power-to Liquids, weiterverarbeitet werden. Will man Energie vor Ort speichern und rückverstromen, zum Beispiel bei stromintensiven Prozessen, bietet es sich an, den Wasserstoff direkt zu speichern, dabei entstehen die geringsten Energieverluste. Doch die Speicherung von Wasserstoff verbraucht viel Platz. Am geeignetsten sind dafür noch unterirdische Cavernen in Salzstöcken, die auch heute schon für die Erdgasspeicherung verwendet werden.

Für den Transport ist daher die Methanisierung eine wichtige Option, da Methan bei gleicher Energiedichte nur ein Drittel des Volumens beansprucht. Dabei könnten beim Transport zwar vorhandene Erdgasinfrastrukturen wie Pipelines genutzt werden, jedoch drohen bei Methanlecks erhebliche Effekte auf das Klima, da es etwa 25mal klimaschädlicher ist als CO2. Bei der Weiterverarbeitung von Wasserstoff zu Power-to-Liquids werden Kraftstoffe mit der gleichen chemischen Zusammensetzung wie Benzin und Diesel hergestellt. Bestehende Fahrzeugtechniken und Infrastrukturen könnten weiter genutzt werden.

Doch Sauer warnt davor, solche Überlegungen für den Einsatz in Autos oder auch Lkws weiterzuverfolgen, denn die Effizienzkette sei „wirklich unterirdisch“. Lediglich für große Schiffe und Flugzeuge, oder auch landwirtschaftliche Maschinen im Dauereinsatz, könnten solche Flüssigtreibstoffe die wichtigste Alternative auf dem Weg zur CO2-neutralität sein.

Für den Pkw hingegen ist der Umstieg vom Verbrenner auf das Elektroauto die naheliegendste Lösung. Und E-Autos könnten sogar als flächendeckendes Speichermedium zum Einsatz kommen. Ein Auto fährt im Durchschnitt ein bis zwei Stunden am Tag und steht die restliche Zeit rum. In dieser Zeit könnte es – an das Stromnetz angeschlossen – helfen, das Netz zu stabilisieren und bei Bedarf einen kleinen Teil seiner Energie abgeben oder aufnehmen. Sollte der Umstieg vom Verbrenner auf elektrisch betriebene Fahrzeuge gelingen, könnten Millionen von E-Autos zu einer sicheren Stromversorgung beitragen und etwa den Lastausgleich zwischen Tag und Nacht ermöglichen.

Gesetze verhindern

Netzbetreiber und Fahrzeughersteller spekulieren für die Zukunft bereits mit solchen Verfahren, doch noch schieben Gesetze solchen Überlegungen einen Riegel vor. Laut Sauer fußen die geltenden Regularien noch immer auf einem veralteten Energiesystem, mit wenigen großen Erzeugern und Großkraftwerken. Partielle Veränderungen wie am Energiewirtschaftsgesetz oder am Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) würden nicht viel bringen. Dezentrale Versorgungssysteme und die Sektorenkopplung müssten viel besser genutzt werden. „Eigentlich müsste man regulatorisch und vom Energiewirtschaftsgesetz her ganz von vorn anfangen“, so Sauer.

Die Energy Watch Group unter Leitung des ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Mitbegründers des EEG, Hans-Josef Fell, legte im letzten Jahr einen Gesetzesvorschlag vor, der Kombikraftwerke aus Ökostrom- und Speicheranlagen gezielt fördert. Unter der Bedingung, dass das Kraftwerk zu jeder Stunde des Jahres in der Lage ist, bedarfsgerecht und systemdienlich einzuspeisen, soll dieses mit günstigen und festen Vergütungssätzen von acht Cent pro Kilowattstunde gefördert werden. Vor allem für Kleinanlagen könnte dieser Vorschlag, laut Fell und seinem Team, eine wichtige Stellschraube und großes Mobilisierungspotenzial bieten.

Derweil nehmen viele Bürger – trotz regulatorischer Hemmnisse – die Energiespeicherung selbst in die Hand. Laut dem Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES) wurden bislang 300.000 Heimspeichersysteme für Strom, Wärme und Mobilität in deutschen Haushalten eingebaut (Stand März 2021). Fast 70 Prozent der Photovoltaikanlagen werden inzwischen mit Batteriespeichern kombiniert. Nach Zahlen des BVES können die Heimspeichersysteme 2,3 Gigawattstunden grünen Strom bereithalten. Das reicht immerhin für die jährlichen Waschgänge von über 20.000 Haushalten, oder um über 170-mal mit dem E-Auto um die Erde zu fahren. Manuel Först


Kommentare

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Dr. -Ing. Franz Hein 27.05.2021, 10:01:50

Mit flächig, also in vielen Energiezellen, verteilt vorhandenen Energiespeichermöglichkeiten kann nicht nur ein Inselnetzbetrieb für eine begrenzte Zeit eine Notstromversorgung ermöglichen. Vor allen Dingen kann so auch die gemeinschaftliche Verantwortung für die Stabilität der Stromversorgung unterstützt werden, denn Batteriespeicher in Kombination mit entsprechend programmierten und so befähigten Wechselrichtern können anhand der ständig gemessenen Frequenz des Wechselstromes erkennen, wie es um das Leistungsgleichgewicht im Gesamtsystem bestellt ist. Bei Leistungsmangel kann zurückgespeist werden. Bei Leistungsüberfluss können alle mithelfen, den Energiezustrom zu nutzen und vor allem auch Energie zu bevorraten. Das lokale Mitwirken an dieser wichtigen Systemdienstleistung in Ergänzung zur weiterhin notwendigen Momentanreserve in den Schwungmassen von Generatoren ist mitentscheidend für das Gelingen der Energiewende. Dazu müssen allerdings die Rahmenbedingungen gründlich geändert werden. Das erfordert ein beachtliches Umdenken und den Mut für einen Neuanfang.


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