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Debatte über Öl-EmbargoSchwierig, aber machbar

Ölpumpe in einer flachen Landschaft
Eine Ölförderanlage des russischen Ölkonzerns Baschneft. (Bild: ☭Acodered, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Die USA hat ein Öl-Embargo gegenüber Russland verhängt. Bundeswirtschaftsminister Habeck hingegen warnt vor wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verwerfungen. Dabei wäre ein Verzicht auf russisches Öl mit Anstrengungen verbunden, aber machbar.

11.03.2022 – Wie in Deutschland, erreichten auch in den USA die Benzinpreise in den vergangenen Tagen Höchststände. Trotzdem verhängte US-Präsident Joe Biden am Dienstag ein Embargo auf russisches Öl, was die Preise an der Zapfsäule voraussichtlich weiter steigen lassen wird. Zwar fördern die Vereinigten Staaten einen Großteil ihres eigenen Bedarfs selbst und sind inzwischen der größte Ölförderer der Welt, aber durch das Öl-Embargo gegenüber Russland, sind sie kurzfristig auf Importe aus anderen Ländern angewiesen.

Dafür nähern sich sogar die bisherigen Erzfeinde Venezuela und USA wieder an. Venezuela ließ zwei gefangene US-Bürger frei und die USA könnten ihre Sanktionen gegenüber dem lateinamerikanischen Land lockern und von dort Öl importieren. Mittelfristig werden die Vereinigten Staaten wohl ihre eigene Erdölförderung steigern. Viele Lizenzen zur Ölförderung in den USA sind bislang unangetastet und könnten nun abgerufen werden, mit negativen Folgen für Klima und Umwelt.

Bis zu 35 Prozent

Ein Öl-Embargo gegenüber Russland ist für die USA indes deutlich leichter zu kompensieren als für europäische Staaten. 2021 betrugen die Öl-Importe der USA aus Russland gerade einmal 3,7 Prozent. Mit einem Anteil von acht Prozent russischer Öl-Importe ist ein Embargo für Großbritannien schon deutlich schwieriger. Trotzdem kündigte der britische Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng an, die russischen Öl-Importe sukzessive zu verringern und bis Ende des Jahres ganz auslaufen zu lassen.

Deutschland dagegen schließt ein Öl-Embargo bislang aus. Bundeswirtschaftsminister warnte diese Woche wiederholt vor schweren wirtschaftlichen Schäden, die Deutschland über Jahre politisch lähmen würden, wenn Deutschland auf Öl, sowie Gas und Kohle aus Russland verzichten würde. Hohe Energiepreise würden zudem den gesellschaftlichen Frieden gefährden. Tatsächlich stammen 30 bis 35 Prozent der deutschen Rohölimporte aus Russland. Und eigene Ölfelder decken gerade einmal zwei Prozent des Bedarfs. Einige osteuropäische Länder sind noch deutlich abhängiger von russischem Öl.

Dabei würde ein europäisches Embargo auf russische Öl-Produkte Putin und seine Kriegsmaschinerie hart treffen. Während Russland im letzten Jahr aus dem Erdgasexport 62 Milliarden US-Dollar an Einnahmen generierte, waren es mit dem Export von Öl 180 Milliarden. 60 Prozent der Erdölexporte gingen 2021 nach Europa. Im Zuge steigender Öl-Preise auf dem Weltmarkt nimmt Russland aktuell täglich bis zu 900 Millionen Dollar am Tag ein, die Putins Krieg in der Ukraine mitfinanzieren.

Doch auch ohne ein politisch beschlossenes Embargo, sinken die Öl-Exporte von Russland nach Europa bereits. Ölkonzerne wie Shell und BP haben sich nach anfänglichem Zögern aus Russland zurückgezogen. Lieferanten zögern zudem, ihre Schiffe mit russischem Öl zu betanken. Ein im Raum stehendes Embargo könnte die Öl-Fracht aus Russland wertlos machen. Des Weiteren stehen andere Staaten bereit mehr Öl zu liefern. Anders als beim Gas kann der Import von Öl nach Europa schnell auf alternative Routen umgestellt werden. Neben Venezuela steht etwa der Iran bereit mehr zu liefern. Auch hier wird über einen Abbau von Sanktionen diskutiert.

Flankierende Maßnahmen

Ein Embargo auf russisches Öl wäre nicht abwegig, müsste aber, neben der Umstellung auf andere Importwege, mit weiteren Maßnahmen flankiert werden. Für Deutschland hat die Umweltorganisation Greenpeace dazu Vorschläge gemacht. Ein Tempolimit auf Autobahnen von 100 km/h könnte demnach die Mineralölimporte um 2,1 Prozent senken, durch den geringeren Spritverbrauch. Zwei autofreie Sonntage im Monat würden den Anteil an den Importen um weitere 1,4 Prozent senken. Ein Verbot von Inlandsflügen würde die Ölimporte um 0,5 Prozent senken. Dazu kommen im Verkehrs- und Wärmebereich Maßnahmen, die von der Politik vorangetrieben werden müssten, wie etwa den Güterverkehr stärker auf die Schiene zu verlagern und den Einbau von Wärmepumpen zu beschleunigen.

Bei weiteren Maßnahmen müssten Politik und Gesellschaft an einem Strang ziehen. Gelänge es zum Beispiel wieder mehr Menschen vom Auto auf den ÖPNV zu bewegen, und zwar auf das Vor-Corona-Niveau, könnten ca. ein Prozent der Ölimporte eingespart werden. Und würden die Menschen in Deutschland auf Strecken von unter 20 Kilometern genauso häufig Radfahren wie die Niederländer, wären hierzulande 1,6 Prozent weniger Mineralölimporte nötig. Zudem würde ein Absenken der Raumtemperatur um ein bis zwei Grad, mehr Home Office und Verzicht auf einige Freizeitfahrten weitere Ersparnisse bringen.

Diese für Greenpeace kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen und Verhaltensänderungen würden nach Bewertung der Umweltorganisation, je nach Ausgestaltung, 10 bis 12 Prozent Ersparnis an Ölimporten bringen. Mittelfristig gelte es indes die EU-Flottengrenzwerte zu verschärfen und in Deutschland einen Verbrennerausstieg schon für 2025 anzupeilen. Bei der Gebäudewärme sollten Öl- und Gasheizungen bis 2034 stufenweise verboten und ab 2024 nicht mehr neu eingebaut werden, so Greenpeace in ihrer Analyse.

Vermutet wird indes, dass die EU-Mitgliedsstaaten und die Kommission einem Öl-Embargo grundsätzlich nicht abgeneigt sind, da sich die Verluste tatsächlich auffangen ließen. Doch es bestehe die Gefahr, dass Russland bei einem Öl-Embargo auch die Gasleitungen stilllegen könnte. Das wäre für einige europäische Staaten weitaus fataler als ein Öl-Lieferstopp. Aktuell beraten die EU-Kommission und Mitgliedsstaaten über das weitere Vorgehen und gesamteuropäische Lösungen zur Verringerung oder für ein mögliches Embargo der Öl- und Gasimporte aus Russland. mf


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