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Europäische UnionUmweltausschuss bestätigt Klimakommissare erst nach zähem Ringen

Ein Mann in Anzug steigt aus einem schwarzen Auto
Der ehemalige Shell- und McKinsey-Mitarbeiter Hoekstra (Bild: Ministry of Foreign Affairs / Phil Nijhuis, flickr, CC BY-SA 2.0 Deed)

Es kommt selten vor, dass EU-Kommissare vorerst nicht bestätigt werden. Geschehen ist dies den designierten Klimakommissaren Wopke Hoekstra und Maroš Šefčovič. Erst nachdem sie detaillierte Klimaschutzpläne darlegten gabs die Zustimmung.

04.10.2023 – Bislang ist Wopke Hoekstra Außenminister der Niederlande für die christdemokratische Partei CDA und in der Regierung unter Mark Rutte, von der liberal-konservativen VVD, zugleich Vize-Ministerpräsident. Nachdem der bisherige Klimakommissar, der Niederländer Frans Timmermanns, ankündigte Spitzenkandidat der Grünen und Sozialdemokraten bei den vorgezogenen Wahlen des Landes zu werden, hatte die niederländische Regierung das Recht, einen neuen Klimakommissar vorzuschlagen.

Hoekstras Schwierige Vergangenheit

Doch der Vorschlag des konservativen Hoekstra auf den Sozialdemokraten Timmermanns war von Anfang mit heftiger Kritik verbunden. Über 100.000 Menschen sprechen sich in einer Petition gegen die Nominierung aus. Umweltverbände wie Politiker:innen hegen Zweifel an der Eignung des bisherigen Außenministers. Der heute 47-jährige Hoekstra arbeitete nach seinem Jurastudium Anfang der 2000er zwei Jahre für den Mineralölkonzern Shell. In der Folge 11 Jahre für die Unternehmensberatung McKinsey. Nebenbei begann er seine politische Laufbahn. Zeitgleich zu seiner Tätigkeit bei McKinsey war er ab 2011 Abgeordneter im niederländischen Parlament. 2017 folgte sein erster Ministerposten für Finanzen.

Kritik an seiner Laufbahn und politischen Entscheidungen entzünden sich unter anderem an der finanziellen Unterstützung der Fluggesellschaft Air France-KLM während der Corona-Krise, dass er EU-Vorgaben zu Stickstoffeinträgen der Landwirtschaft blockierte und als nicht wichtig erachtete und dass sein Name in den Pandora Papers auftauchte. Hoekstra hatte Geld in einer Briefkastenfirma auf den Jungferninseln gelagert. „Hoekstra hat keine Erfahrung in Verhandlungen zu internationalen Klimaverhandlungen“, kritisieren zudem 50 internationale Umweltverbände in einem offenen Brief. Und der Grüne EU-Abgeordnete Michael Bloss sagte im Vorfeld der Anhöhrung des Niederländers im EU-Umweltausschuss: „Es gibt große Zweifel an Hoekstra. Er hat bisher keinen Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Und wir können uns keine Enttäuschung an dieser Position leisten.“

Vage Details

Hoekstra selbst erklärte im Vorfeld gegenüber der niederländischen Zeitung, man solle ihn nicht an seiner Vergangenheit bei Shell und politischen Entscheidungen messen, er könne als Klimakommissar auch für ganz andere Dinge einstehen. Zwar sagte Hoekstra bei einer ersten Anhörung vor dem Umweltausschuss am Montag, dass er zu den Klimazielen der EU stehe und für ein neues Ziel einer Netto-Treibhausgasreduktion von 90 Prozent bis 2040 kämpfen wolle. Doch einigen Teilnehmern aus dem Mitte Links Lager blieben Details dazu zu vage. „Wopke Hoekstra hat bei seinem Auftritt versucht es allen Recht zu machen, bei konkreten Vorschläge wurde es dann dünn“, so Bloss, der Mitglied des Umweltausschusses ist.

Und der niederländische Sozialdemokrat Mohammed Chahim, sagte laut euractiv: „Sie scheinen sich in Ihre Zeit als Berater zurückzuversetzen. Sie wissen genau, was die Leute hier im Raum hören wollen, und Sie spielen das aus.“ Unterstützung dagegen erhält Hoekstra von den Konservativen, wie Peter Liese (CDU), Umweltsprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament, sowie der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, ebenfalls CDU. Am Montagabend aber scheiterte die Zustimmung zu Hoekstra im Umweltausschuss, die mit zwei Drittel Mehrheit hätte erfolgen müssen. Eine Seltenheit im EU-Parlament. Im Regelfall werden neue Kommissare in den zuständigen Ausschüssen und im Plenum durchgewunken.

Auch Šefčovič vorerst ohne Zustimmung

Die Entscheidung wurde auf den gestrigen Dienstagnachmittag vertagt, an dem zuvor auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, vom Umweltausschuss befragt wurde. Der soll die Rolle des Exekutiv-Vizepräsidenten für den Europäischen Green Deal übernehmen, was ebenfalls der Zustimmung durch den Umweltausschuss bedarf. Der bisherige Klimakommissar Timmermanns war zuvor Exekutiv-Vizepräsident der EU und zuständig für den Green Deal (Ein Exekutiv-Vizepräsident steht in der Rangfolge der Vertreter:innen über einem Vizepräsident). Der Niederländer Hoekstra soll unter der Leitung des Slowaken Šefčovič arbeiten.

Auch Šefčovič habe überraschenderweise nur spärliche Details zu seinem künftigen Umgang mit dem Green Deal bekanntgegeben, so Bloss gestern. Und die schwedische Abgeordnete der liberalen Renew im Umweltausschuss, Emma Wiesner, erklärte, Šefčovič und Hoekstra müssten, neben dem Bekenntnis zum 90 Prozent Ziel 2040, auch einen klaren Fahrplan für die künftige Rechtslage in der Klimapolitik geben. Zudem müsse Hoekstra transparenter mit seinem bisherigen Lebenslauf umgehen und etwa seine Tätigkeiten bei McKinsey im Detail erläutern, nur dann könne es eine Zustimmung seitens der Liberalen geben.

Nach weiteren Beratungen am Dienstagnachmittag wurde die Zustimmung für die beiden Kandidaten erneut vertagt. Es werde neue Fragen geben, die die beiden beantworten müssen, so Bloss bei einem Pressebriefing am Dienstagnachmittag. Bei Fragen zur künftigen Ausgestaltung der Klimapolitik dürfte es, nicht wie bislang, weitere ausweichende Antworten geben. Am Mittwochvormittag folgte schließlich die Nachricht, dass die Koordinatoren des Umweltausschusses Hoekstra und Šefčovič als Klimakommissare bestätigen.

Laut den Antworten werden die beiden desginierten Kommissare unter anderem dafür sorgen, dass das Klimaziel für 2030 von 55 auf 57 Prozent erhöht wird. Im europäischen Haushalt soll es ab 2028 keine Gelder mehr für Kohle, Öl und Gas geben. Die Mitgliedstaaten sollen bis Ende 2024 verpflichtet werden ein Enddatum für fossilen Subventionen festzulegen. das europäische Renaturierungsgesetz soll bis zum Ende des Mandats finalisiert werden. Hoekstra verspricht zudem seine Tätigkeiten bei McKinsey offenzulegen. Am Donnerstag kann nun eine Abstimmung über beide Kandidaten im Plenum des EU-Parlaments erfolgen. Hoekstra und Šefčovič werden erst einmal Zeit haben, bis zur Europawahl im kommenden Jahr zu agieren. Die erste große Bewährungsprobe wird die kommende Klimakonferenz Ende November in Dubai sein. Die beiden versprachen sich für eine klimagerechte Ausgestaltung des Loss and Damage Funds einzusetzen, der Gelder für besonders von der Klimakrise betroffene Staaten des Globalen Südens bereithalten soll. mg

Nachtrag: Am Donnerstag schließlich bestätigte auch das EU-Parlament mehrheitlich die neuen Klimakommissare. Wopke Hoekstra erhielt 173 Stimmen. 33 Abgeordnete enthielten sich, 173 stimmten gegen ihn. 322 Abgeordnete stimmten dafür, dass Maros Šefčovič die Aufsicht über den Green Deal bis zum Ende der Legislaturperiode erhält. 37 Parlamentarier enthielten sich, 158  stimmten gegen ihn. Am darauffolgenden Montag bestätigte auch der Rat, das Gremium der Mitgliedsstaaten, die Personalien.


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