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50.000 Euro Streitwert wegen Betretens einer Kohlegrube

Bei „Ende Gelände“ haben seit 2015 vier Mal Menschen in Kohletagebauen protestiert. (Foto: <a href="https://www.flickr.com/photos/breakfree2016/26730196390" target="_blank">Break Free / flickr.com</a>, <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/" target="_blank">CC BY 2.0</a>)
Bei „Ende Gelände“ haben seit 2015 vier Mal Menschen in Kohletagebauen protestiert. (Foto: Break Free / flickr.com, CC BY 2.0)

Bei „Ende Gelände“ haben seit 2015 vier Mal Menschen in Kohletagebauen protestiert. Einige wurden nun mit Briefen von den Betreibern konfrontiert, hinter denen horrende Kosten lauern. Die Konzerne dürfen den juristischen Streitwert selbst festlegen.

15.11.2017 – Bei der „Ende-Gelände“-Aktion am 5. November gelangten laut Organisationsgruppe 3.000 Protestierende in den Kohletagebau Hambach. Sie hat kürzlich als Reaktion auf Aussagen der Polizei zu den konflikthaften Szenen auch eine Gegendarstellung veröffentlicht. Die Polizei kesselte jedenfalls nach eigener Aussage über 1.000 Menschen ein und filmte sie ab, ließ sie dann aber gehen. Bei „Ende Gelände“ haben die meisten Menschen keine Ausweise dabei, was der Polizei bekannt ist. Langwierige Identifizierungsmaßnahmen ergreift sie wohl wegen der geringen Schwere der verübten Delikte nicht.

Bei „Ende Gelände“ 2016 in der Lausitz dürfte sogar der Großteil der in Gefangenensammelstellen gebrachten Beschuldigten ohne Identitätsfeststellung freigekommen sein, weil die Polizei ihnen im vorgegeben Zeitraum (in Brandenburg zwölf Stunden) keine konkreten Delikte vorwerfen konnte. Namentlich bekannte Menschen erhalten nun aber nach und nach Post von RWE und der Vattenfall-Nachfolgerin LEAG wegen „Ende Gelände“ 2015 und 2016. Darin schreibt die LEAG in einem aktuellen Fall: „Am 14.5.2016 wurde Ihre Identität durch die Polizei im Zusammenhang mit dem widerrechtlichen Eindringen in das Kraftwerk Schwarze Pumpe festgestellt. Sie haben sich somit nachweislich rechtswidrig auf unserem Betriebsgelände aufgehalten.“

Diese Darstellung ist falsch, denn der Polizei gelang die Einkesselung eines Teils der mehr als 500 über das Kraftwerksgelände stürmenden Menschen erst, nachdem die das Gelände schon wieder verlassen hatten. Der Nachweis des Eindringens einer bestimmten Person kann so kaum noch gelingen, denn manche Menschen waren außerhalb des Kraftwerks geblieben. Doch die Tatsache, dass jemand von der Polizei festgesetzt wurde, genügt Zivilgerichten, sagt Philipp von der „Ende-Gelände“-Rechtshilfegruppe: „Anders als in einem Strafverfahren, in dem dir eine Übertretung recht genau nachgewiesen werden muss, haben die Zivilgerichte bislang den schlichten Umstand, dass ein Mensch während 'Ende Gelände' von der Polizei registriert worden ist, als Nachweis des unerlaubten Aufenthalts auf Betriebsgelände ausreichen lassen und der Unterlassungsklage stattgegeben.“

RWE und LEAG verlangen von den Angeschriebenen, eine beiliegende „Unterlassungsverpflichtungserklärung“ auszufüllen. Darin sind Betriebsstätten aufgelistet, die die Betroffenen nie wieder betreten dürfen. Rund 150 Menschen hätten solche Briefe bereits erhalten, und der Großteil habe wie gewünscht unterschrieben, sagt Philipp von „Ende Gelände“. Der Jurist kritisiert diese Unterlassungserklärungen aber. Das Landgericht Köln habe in dieser Sache nämlich einen Streitwert von 50.000 Euro akzeptiert. Mit dem Streitwert steigen die Prozesskosten. Wer die Erklärung nicht unterschreibt, dann aber gerichtlich zu der geforderten Unterlassung verurteilt wird, muss automatisch die Prozesskosten tragen, und das können 8.000 Euro sein.

Selbst der Versuch, einen Teil der geforderten Unterlassungserklärung anzufechten, könne zu so einer teuren Niederlage vor Gericht führen, erklärt Philipp. „Das ist im Grunde die gleiche Masche wie bei Abmahnanwälten“, findet er. „So wird effektiver Rechtsschutz verhindert.“ Der Aktivist fordert eine Gesetzesänderung, die es Gerichten ermöglicht, wie in anderen Zusammenhängen den Streitwert selbst festzulegen.

Die Kampagne „Unten lassen“ sammelt Spenden, um gegen diese Abmahnpraxis gerichtlich vorzugehen. Ein Musterverfahren soll bis zum Bundesverfassungsgericht gebracht werden. In Bezug auf eine ähnliche Aktion wie „Ende Gelände“ war der Rechtsweg aber fast komplett erfolglos. LEAG hat auf eine schriftliche Anfrage zu den verschickten Unterlassungserklärungen innerhalb von 24 Stunden nicht geantwortet. Ralf Hutter


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