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Forschung: CO2 könnte Rohöl ersetzen

Forschungsinstitute und Unternehmen forschen unterstützt vom Bundesforschungsministerium an der industriellen Nutzung von CO2 als Ersatz für Erdöl und Erdgas. (Foto: Eric Wüstenhagen, flickr.com, CC BY-SA 2.0)
Forschungsinstitute und Unternehmen forschen unterstützt vom Bundesforschungsministerium an der industriellen Nutzung von CO2 als Ersatz für Erdöl und Erdgas. (Foto: Eric Wüstenhagen, flickr.com, CC BY-SA 2.0)

Kohlenstoffdioxid ist nicht nur ein Treibhausgas sondern auch ein wertvoller Rohstoff. Wissenschaftler und Unternehmen forschen derzeit an Möglichkeiten für den industriellen Einsatz. Denn CO2 ist in Massen vorhanden und könnte sogar Rohöl ersetzen.

13.11.2015 – Mit 100 Millionen Euro fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) insgesamt 33 Projekte, die sich mit der Erforschung und Umsetzung der Technik beschäftigen. Nicht nur für die Chemieindustrie, auch für deutsche Anlagenbauer ist die Nutzung von CO2 ein vielversprechendes Zukunftsgeschäft. Industrieriesen wie BASF und ThyssenKrupp treiben die eigene Entwicklung rasch voran. Mit dem Projekt „Carbon2Chem“ will das Stahlunternehmen CO2 direkt bei der Erzeugung auffangen. Die klimaschädlichen Hüttengase bei der Stahlproduktion könnten so aufgefangen und direkt verarbeitet werden. Wie das Handelsblatt berichtet, könnte solch ein integriertes Chemiewerk in zehn bis 15 Jahren in Duisburg entstehen.

Mit Hilfe von Wind- oder Sonnenstrom könnte Wasserstoff hergestellt werden und Kohlenmonoxid aus den Hüttengasen in zum Beispiel Methan umgewandelt werden. Ein Netzwerk bestehend aus Forschungsinstituten und Industrieunternehmen wie ThyssenKrupp, BASF und Evonik besteht bereits und erforscht derartige Möglichkeiten. Zudem bastelt BASF gemeinsam mit dem Gaskonzern Linde an einem Erdgasersatz auf Basis von CO2, der auch als Kraftstoff und als Basis für Kunststoffe eingesetzt werden kann.

Matratzen aus Kohlenstoffdioxid

Forscher und Konzerne träumen ohnehin davon, ihre Produkte zukünftig aus Kohlenstoffdioxid zu fertigen. Denn 85 Prozent der Produkte aus der Chemieindustrie basieren auf Erdöl oder Erdgas – eine gewaltige Abhängigkeit. Gleichzeitig wird CO2 bislang nur als Abfallprodukt betrachtet und in riesigen Mengen aus Fabrikschornsteinen, Kraftwerken oder Auspuffrohren in die Luft gepustet. Der Kohlenstoffbedarf der Chemieindustrie könnte auch durch die Aufspaltung von CO2 gedeckt werden, Erdöl wäre dann überflüssig.

Ein großes Problem ist dabei die Trägheit des Gases. Fehlende Katalysatoren und ein hoher Energieaufwand lassen die Verarbeitung bislang größtenteils scheitern. Doch es gibt Fortschritte. Das Chemieunternehmen Covestro, ehemals „Bayer MaterialScience“ und weiterhin Tochter des Bayer-Konzerns, baut derzeit eine Fabrik, die auf CO2 setzt. Covestro gelang es gemeinsam mit Wissenschaftlern einen Katalysator zu entwickeln, der mit vertretbarem Energieaufwand Kohlenstoffdioxid aufspaltet. Inhaltsstoffe des Gases sollen ab 2016 dort für die Herstellung des Weichschaums Polyurethan verwendet werden. Die in der Fabrik hergestellten Polyole bestehen zu 20 Prozent aus Kohlenstoff und sollen in Matratzen zum Einsatz kommen. Noch sind die CO2-basierten Produkte teurer als reine Erdölprodukte. Doch gerade die bessere CO2-Bilanz könnten die Erzeugnisse interessant für Unternehmen machen, die ihre Bilanz senken wollen oder müssen.

Am besten wäre zwar grundsätzlich die Vermeidung oder drastische Reduzierung des CO2-Ausstoßes, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Das Auffangen und Weiterverwenden bzw. Recyceln des Treibhausgases könnte auch politisch forciert werden und die Industrie bei der Forschung bestärkt werden, etwa durch eine CO2-Steuer oder festgelegte Recyclingquoten für Kohlenstoffdioxid. cw


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Kommentare

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Philipp Mimkes 13.11.2015, 11:31:27

+336 Gut Antworten

Leider fällt die Redaktion hier auf das Greenwashing der Industrie rein (wie zuvor auch schon das Handelsblatt). Daher hier ein paar Anmerkungen zur geplanten Polyurethan-Anlage von BAYER in Dormagen. Hierin soll ein Fünftel des eingesetzten Polyols auf CO2 basieren:

 

1. für die Aktivierung von CO2 wird viel Energie benötigt. Die Klimabilanz des Verfahrens ist nur dann positiv, wenn diese Energie regenerativ erzeugt wird und sofern diese regenerative Energie überschüssig ist (was wohl noch Jahrzehnte dauern wird). Bei BAYER erfolgt aktuell weniger als ein Prozent der Energieproduktion auf regenerativem Weg.

 

2. das Verfahren setzt voraus, dass große Mengen CO2 als „Rohstoff“ vorhanden sind. Bei einer mittelfristig notwendigen Umstellung auf nicht-fossile Energieträger ist dies jedoch nicht mehr gegeben.

 

3. bei der Polyurethan-Herstellung werden große Mengen Kohlendioxid emittiert (rund 3-5 Tonnen CO2 pro Tonne Endprodukt). Eine 20%ige Reduzierung des eingesetzten Erdöls würde noch immer zu einer Emission von 2,5 bis 4 Tonnen CO2 führen.

 

4. Insgesamt spielt eine mögliche Nutzung von CO2 eine zu vernachlässigende Rolle angesichts der um Zehnerpotenzen größeren Mengen bei den energetischen Verbrennungsprozessen. Dies zeigt ein Blick auf die Zahlen: bei BAYER sollen 5.000 Tonnen Polyol auf CO2-Basis hergestellt werden. Dadurch sollen 1.000 to CO2 eingespart werden. Das ist nicht einmal ein Tausendstel des jährlichen CO2-Ausstoßes von BAYER in Höhe von 8,3 Mio Tonnen.

 

Die schönfärberisch benannte dream production ist zwar etwas besser als der Status Quo, aber dennoch in keiner Weise nachhaltig. Stattdessen muss der Kunststoff-Verbrauch drastisch reduziert werden. Der verbleibende Rest müsste biologisch abbaubar sein und aus nachwachsenden Rohstoffen produziert werden (wodurch der Anbau von Nahrungsmitteln jedoch nicht gefährdet werden darf).

Clemens Weiß 13.11.2015, 12:37:47

+365 Gut Antworten

Lieber Philipp Mimkes,

 

vielen Dank für die ausführlichen Informationen! Natürlich ist ein Nicht-Emittieren von CO2 und eine Reduzierung des Kunststoffverbrauchs die beste aller Lösungen. Aber ob es auch die realistischste ist, ist leider mehr als fraglich. Insofern braucht es Lösungen zur Adaption und eine könnte das Auffangen und industrielle Wiederverwenden von CO2 sein. Dass die Aktivierung von Kohlenstoffdioxid noch viel Forschung bedarf und derzeit nicht nachhaltig ist, ist wohl offensichtlich. Dennoch kann es in Zukunft ein Verfahren sein, dass die Treibhausgasemissionen reduziert - oder es erweist sich als sinnlos, aus den von Ihnen beschriebenen Gründen. Zum jetztigen Zeitpunkt lässt sich das leider nicht abschließend klären. Dass der Bayer-Konzern seine tollen Klimaschutzbemühungen oder wie man das nennen soll natürlich marketingtechnisch groß ausschlachtet, ist kein Geheimnis. Dennoch ist es interessant und durchaus berichtenswert, dass solch eine Fabrik gebaut wird und Bayer dahinter ein Geschäftsmodell vermutet.

 

Viele Grüße,

Clemens Weiß / Redaktion


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