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Neue LNG-TerminalsFossiler Lock-In beiderseits des Atlantiks

Eine Frau und vier Männer auf einem Podest, blicken auf eine Industrieanlage
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump besuchte 2019 die Inbetriebnahme des LNG Terminals in Cameron, Louisiana. Finanziert wurde das Terminal unter anderem von BayernLB, Helaba und Deutscher Bank. (Official White House Photo by Shealah Craighead, flickr, Public Domain)

Deutsche Banken und Firmen investieren immense Summen in LNG-Terminals in den USA – für Flüssigerdgas, das jahrzehntelang nach Europa verschifft würde und auch hier Terminals aufgebaut werden, die mit den Klimazielen nicht vereinbar sind.

21.04.2023 – Es geht um gewaltige Summen. In den letzten zehn Jahren haben deutsche Banken und Unternehmen über 4 Milliarden Euro an Krediten für den Bau von US-amerikanischen LNG-Exportterminals bereitgestellt. Zudem wurde die Finanzierung durch Anleihen in Höhe von rund 613,4 Millionen Euro gesichert. Dies geht aus einer neuen Analyse hervor, die der energiezukunft vorab vorlag.

Hauptautor der Analyse ist der Experte für Energiepolitik im Fachbereich Fracking und Flüssigerdgas, Andy Gheorhgiu. Gemeinsam mit den Umweltorganisationen urgewald und Deutsche Umwelthilfe recherchierte er, in wie weit Deutsche Banken und Unternehmen den Bau von LNG-Terminals in den USA mitfinanzieren und welche Lieferverträge nach Deutschland bestehen, die von entsprechenden Exportinfrastrukturen in den Vereinigten Staaten aus losfahren.

Größter deutscher Akteur in Sachen Kredite und Anleihen war in den letzten zehn Jahren die Deutsche Bank – mit Krediten in Höhe von 1,7 Milliarden Euro und Anleihen von 480 Millionen Euro. Während es sich bei der Deutschen Bank um ein privates Finanzinstitut handelt, sind die nachfolgenden drei Banken mehrheitlich in staatlicher Hand. Mit 1,3 Milliarden Euro vergab in den letzten zehn Jahren vor allem die die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) besonders hohe Kredite. Aber auch die Helaba, die Landesbank Hessen-Thüringen, mit 227 Millionen Euro, und der internationale Arm der deutschen Staatsbank KfW IPEX-Bank, mit 233 Mio. Euro, fallen mit hohen Krediten ins Gewicht.

Deutsche Kreditgeber sind des Weiteren die Bayerische Landesbank und die private DZ Bank, sowie die Unternehmen Siemens (mit Krediten in Höhe von 396 Millionen Euro) und Allianz Global Investors. Und die Kredite sind nicht etwa Altlasten. Allein zwischen Januar 2022 und April 2023 summierte sich die Unterstützung durch deutsche Banken auf 2,1 Mrd. Euro. Das führe das Versprechen dieser Banken, sich aktiv für Klimaschutz einzusetzen, ad absurdum, sagt Regine Richter Campaignerin bei urgewald. Die Zahlen entstammen dem US-LNG Export Tracker, der US-amerikanischen NGO Sierra Club. Einer Datenbank, die detailliert Daten und Fakten zu den LNG-Exportstrukturen der Vereinigten Staaten auflistet.

Verantwortung der Politik

Es steht der Vorwurf im Raum, dass deutsche Bundesländer und die Bundesregierung über die Banken mitverantwortlich für den Bau von LNG-Exportstrukturen in den USA sind. „Hier werden letztendlich geopolitische Entscheidungen getroffen, die völlig Konträr zu allem stehen, wozu man sich auf Regierungsseite verpflichtet hat“, sagt Gheorghiu gegenüber der energiezukunft.

Während einige der von Deutschland kreditfinanzierten LNG-Terminals in den USA in Betrieb sind, befinden sich drei Terminals erst in Planung und Bau und sollen 2026 beziehungsweise 2027 in Betrieb gehen. Mit Lieferverträgen, auch mit deutschen Vertragspartnern, über 15 bis 20 Jahre, teilweise mit Option auf weitere 10 Jahre Flüssigerdgas-Lieferungen. „Wenn man 2045 klimaneutral seien will, ist leicht erkennbar, dass dies nicht mit Finanzierung und Lieferverträgen US-amerikanischer LNG-Exportinfrastruktur zusammenpasst“, so Gheorghiu. Baden-Württemberg strebt sogar Klimaneutralität 2040 an, Deutschland insgesamt 2045.

Wie Gheorghiu, urgewald und Umwelthilfe ermittelt haben, belaufen sich die Lieferverträge der drei geplanten und im Bau befindlichen LNG-Terminals, mit deutschen Vertragspartnern auf 14,48 Milliarden Kubikmeter jährlich. Die Abnehmer sind unter anderem die baden-württembergische EnBW und RWE. Laut Analyse, entsprechen allein diese geplanten LNG-Exporte 76% der Treibhausgasemissionen Deutschlands im Jahr 2022.

Als eine der Aufsichtsbehörden der LBBW erklärte das Finanzministerium Baden-Württembergs auf Anfrage: „Diese Kreditvergabe fällt ins operative Geschäft des Managements der LBBW. Das kommentieren wir nicht.“ Ein Sprecher des Bundesfinanzministerium, zuständig für die KfW-Bank, erklärte indes, auf dem Weg zu Deutschlands Treibhausgasneutralität 2045 sei Erdgas unverzichtbar. Aspekte der Energieversorgungssicherheit in Deutschland und Klimaschutz müssten abgewogen und sinnvoll miteinander in Einklang gebracht werden.

Die Bundesregierung hatte sich mit der Unterzeichnung des Glasgow Statement Ende 2021 eigentlich verpflichtet, die direkte öffentliche Finanzierung internationaler Projekte für fossile Brennstoffe – zum Beispiel über Ungebundene Finanzkreditgarantien, Exportkreditgarantien oder staatliche Kredite – bis Ende 2022 einzustellen. Doch nicht nur mit Krediten für im Bau befindlicher LNG-Terminals in den USA, sondern auch über mittlerweile verstaatlichte Unternehmen, wie Uniper, ist die Bundesregierung an langfristigen Flüssigerdgas-Lieferverträgen beteiligt.

Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz bei der Deutschen Umwelthilfe, mahnt: „Sollte all das geplante Gas bei uns ankommen, können wir das 1,5-Grad-Limit vergessen. Die finanzielle Unterstützung der Projekte muss umgehend gestoppt und Abnahmeverträge müssen storniert werden. Ansonsten sind die Klimaversprechen der Banken und Unternehmen reine Farce.“

Und Gheorghiu kritisiert: „Damit werden bewusst wissenschaftliche Fakten und marktwirtschaftliche Analysen ignoriert, die klar belegen, dass wir schnellstmöglich aus fossilem Gas aussteigen müssen.“ Laut einer Analyse von Climate Action Tracker im November 2022 könnte die weltweit im Bau befindliche und geplante LNG-Infrastruktur bis 2030 mehr Emissionen generieren als es das Net Zero-Szenario der Internationalen Energie Agentur erlaubt. Bis 2050 könnten die kumulierten LNG-Emissionen rund 10 Prozent des verbleibenden Kohlenstoffbudgets der Pariser Klimaziele ausmachen.

Überkapazitäten drohen

LNG-Infrastruktur, die mehreren unabhängigen Analysen zufolge in Deutschland und Europa nicht gebraucht wird. Laut deutschem LNG-Beschleunigungsgesetz sind mindestens 11 LNG-Terminals zum Import des Flüssigerdgases geplant. Mit einer Ausweitung des Geltungsbereiches des Gesetzes, könnten es sogar noch mehr werden. Dabei würden, laut Berechnungen des New Climate Institute von Ende 2022, die elf LNG-Terminals den Import von 73 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr ermöglichen.

Mit Importen aus anderen EU-Ländern und Einsparungen wären jedoch drei Terminals völlig ausreichend, so die Analyse der Wissenschaftler:innen. Zudem würde ein weiteres privat geplantes LNG-Projekt von RWE vor der Insel Rügen den Bedarf mit einer jährlichen Importkapazität von 38 Milliarden Kubikmeter vollends sprengen. Der Widerstand auf der Insel dagegen ist groß.

Und in ganz Europa könnte über die Hälfte der im Betrieb, Bau und Planung befindlichen LNG-Infrastruktur 2030 ungenutzt bleiben, so eine kürzlich erschienene Analyse des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA). Demnach könnten die Importkapazitäten bis 2030 auf 400 Milliarden Kubikmeter anwachsen. Sollten die europäischen Länder ihre Klimaziele einhalten und den Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreiben, würden jedoch nur 150 bis 190 Milliarden Kubikmeter benötigt. Besonders in Spanien, der Türkei, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland wäre die Gefahr von sogenannten Stranded Assets – also ungenutzten Investitionen – groß.

Zugleich droht jedoch in Europa, wie in den USA, durch eine Auslastung der LNG-Terminals ein fossiler Lock-In. Für einen wirtschaftlichen Betrieb, den sich Kreditgeber, wie die LBBW und KfW-IPEX-Bank erhoffen, müsste Flüssigerdgas noch viele Jahrzehntelang über den Atlantik verschifft werden. Manuel Grisard


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