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Umfrage EU-BürgerEnergiewende ja, aber mit Vorbehalten

Bau einer Windkraftanlage
Energiewende finden die meisten Europäer gut – doch häufig gibt es auch Widerstand gegen den Ausbau Erneuerbarer Energien, vor allem im eigenen Umfeld. Beteiligungsmodelle bei Wind- und Solarenergie schaffen Akzeptanz. (Foto: © naturstrom AG)

Europas Bürger sind laut einer Umfrage zu einem großen Teil bereit, die Energiewende zu unterstützen. Geht es aber in die Praxis, regt sich häufig noch Widerstand. Um diesen Trend zu verbessern, hat eine Studie die Wünsche der Europäer ausgewertet.

15.03.2024 – Obwohl ein Großteil der Bevölkerung in Europa die Energiewende grundsätzlich unterstützt, gibt es laut einer Umfrage des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit (RIFS) vor Ort zunehmend Widerstand gegen konkrete Projekte. Aber wie könnte der Ausbau Erneuerbarer Energien besser gelingen und die Akzeptanz erhöht werden?

In einer neuen Studie haben die Forscher mittels einer repräsentativen Befragung die Wünsche von Bürgern in Dänemark, Deutschland, Polen und Portugal ermittelt. Alle Länder zeigen unterschiedliche Fortschritte bei der Umsetzung der Energiewende, ein Querschnitt sollte so ermittelt werden.

In allen vier Ländern erwiesen sich ein niedriger Strompreis, eine geringere Abhängigkeit von Strom-Importen und die Nutzung von Solarenergie als besonders beliebt. Allerdings zeigten sich die Befragten kompromissbereit und würden Nachteile eines Systems akzeptieren – wenn dieses gleichzeitig andere Qualitäten aufweist.

„Wir wollten die Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger möglichst realitätsnah erfassen und haben dafür als Forschungsmethode ein sogenanntes Conjoint-Experiment gewählt, bei dem es um eine Abwägungsentscheidung geht. Wir haben also nicht nach Meinungen zu einzelnen Aspekten wie Technologien, Standorten und Kosten gefragt, sondern den Befragten unterschiedliche Versorgungsoptionen vorgestellt und wollten dann jeweils wissen, wie diese sich entscheiden würden“, erläutert Erstautorin Franziska Mey vom Forschungszentrum für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam.

Der Strompreis zählt – aber nicht nur

Die in der Umfrage präsentierten Optionen unterschieden sich laut Studie im Hinblick auf sechs Aspekte, von denen bereits bekannt ist, dass sie die Akzeptanz von Energiewende-Projekten maßgeblich mit beeinflussen. Dazu zählen die vorwiegend genutzte Technologie, der Flächenbedarf, die Höhe der Stromeinfuhren in die Region, die Strompreise für Haushalte, der Ausbau der Übertragungsnetzkapazität und die Eigentumsverhältnisse der Anlagen – also ob diese sich in öffentlichem oder privatem Besitz befinden, ob es eine Beteiligung der Bürger oder der Gemeinde gibt.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass für den Großteil der Befragten vor allem der Strompreis zählt. „Bei ihrer Gewichtung der Kriterien setzten die Befragten ihren Wunsch nach einem niedrigen Strompreis an oberste Stelle. Dies wurde auch in weiterführenden Fragen bestätigt, in denen deutlich wurde, dass unser zukünftiges Stromsystem kosteneffizient, aber auch sozial gerecht sein soll“, berichtet Franziska Mey.

Faire Beteiligung und Unabhängigkeit

Das zweitstärkste Kriterium ist laut Studie ein geringer Importanteil. Wenn Bürger entscheiden könnten, wäre das künftige Stromsystem dezentral. Es würde auf einer Versorgung mit einem hohen Anteil an Solarenergie auf Dächern basieren, wäre in kommunalem Besitz und nur wenig von Importen abhängig. Bei der Wahl der Technologie – im Prioritätsranking an dritter Stelle – zogen die Befragten die Photovoltaik der Windenergie vor. Die höchste Zustimmung erhielten Solaranlagen auf Dächern.

In Deutschland und Dänemark, die bei der Energiewende ähnlich weit fortgeschritten sind, zeigten sich ähnliche Präferenzen. Indes in Polen und Portugal der Importanteil als weniger wichtig bewertet wurde. Polen unterschied sich insbesondere bei den Preispräferenzen: Der Preis spielt hier laut Studienergebnissen eine geringere Rolle, was an den im Vergleich ohnehin niedrigen Strompreisen in Polen liegen könnte.

Energiemodelle sollten Bürger-Präferenzen integrieren

Gleichzeitig zeigten die Ergebnisse auch, so die Studienautoren, dass die Bürger offensichtlich gewillt seien, Kompromisse einzugehen. Dabei könnten beispielsweise weniger bevorzugte Aspekte wie Windenergie-Ausbau oder hohe Importe gegen niedrige Preise abgewogen werden. Es wäre somit möglich, meinen die Studienautoren, ganz unterschiedliche Systeme mit ähnlichem Nutzen zu entwickeln.

Die Erkenntnisse könnten also genutzt werden, um die Entscheidungsfindung über das Stromsystem der Zukunft mit besseren Energiemodellen zu unterstützen. „Heute werden häufig auf Technik und Ökonomie fokussierte Energiemodelle eingesetzt, die soziale Aspekte wie die Präferenzen der Bürger nur unzureichend oder gar nicht berücksichtigen“, meint Ko-Autor Tim Tröndle von der ETH Zürich. Bestenfalls werde die Meinung der Menschen abgefragt, nachdem Szenarien erstellt wurden. „Durch unsere Forschung können Präferenzen der Bürger direkt in Energiemodelle und somit in den Entwurf von Szenarien integriert werden und zu einer gerechteren Energiewende beitragen“, glaubt Tröndle. Die Meinung der Bürger könne sich allerdings im Laufe der Zeit ändern und müsse daher regelmäßig abgefragt werden.

An Umfragen und Studien zum Thema Energiewende-Akzeptanz mangelt es nicht – die Ergebnisse in die Umsetzung zu bringen, bleibt eine politisch wie gesamtgesellschaftlich große Aufgabe.


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