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EnergiewendeLärmschutz mit Solarenergie

Lärmschutzwand mit integrierter Photovoltaik entlang einer ehemaligen Bundesstraße im oberbayerischen Neuötting
  Lärmschutzwand mit integrierter Photovoltaik entlang einer ehemaligen Bundesstraße im oberbayerischen Neuötting. (Foto: R. Kohlhauer GmbH)

Der Koalitionsvertrag sieht vor, den Ausbau der Photovoltaik auch an bisher ungenutzten Lärmschutzbauwerken der Verkehrsinfrastruktur voranzutreiben. Als Vorbild gilt die Schweiz. In Deutschland müssen dafür noch etliche Hürden beseitigt werden.

07.12.2021 – Im Zuge der Energiewende wird die Integration von Photovoltaik in bereits anderweitig genutzten Flächen, seien es Gebäudefassaden, künstliche Seen, Agrarflächen, Parkplätze oder die Verkehrsinfrastruktur immer wichtiger. Eine vielversprechende Möglichkeit sind Lärmschutzwände, in welche Solarstrommodule integriert sind.

Schweiz geht in die Offensive

In jüngster Zeit ging hier die Schweiz in die Offensive. Jährlich 101 Gigawattstunden Strom können PV-Lärmschutzwände mit einer Leistung von rund 111 Megawatt entlang der eidgenössischen Straßen und Bahnstrecken laut einer jüngst im Auftrag des Schweizerischen Bundesrates vorgelegten Studie liefern – nach aktuellem technischem Stand und unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit. Dies entspricht dem Stromverbrauch von rund 22.000 Haushalten.

Mit Photovoltaik ausgerüstete Lärmschutzwände mit einer Leistung von 35 GWh möchte das Bundesamt für Straßen (ASTRA) jährlich bis 2030 realisieren und dafür 65 Millionen Franken investieren. Gleichzeitig kündigte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) an, die dazu nötige Änderung der Nationalstraßenverordnung vorzubereiten.

Landesregierung will Potenzialanalyse erstellen

Wie sieht die Situation in Deutschland aus? IN Baden-Württemberg prüft die Landesregierung die Möglichkeiten. Mit quantitativen Abschätzungen zum Potenzial für die Erzeugung von Solarstrom an Lärmschutzwänden entlang von Verkehrswegen im Land kann das Ministerium für Verkehr nicht aufwarten. Doch verweist Sprecher Tobias Schick darauf, dass das Potenzial als hoch eingeschätzt werde. Deshalb sehe der Koalitionsvertrag vor, u.a. den Ausbau der Photovoltaik an bisher ungenutzten Lärmschutzbauwerken der Verkehrsinfrastruktur voranzutreiben. Als Grundlage hierfür soll eine entsprechende Potenzialanalyse der geeigneten Flächen erstellt werden.

Eine Lärmschutzwand im Land − entlang an der B29 zwischen Esslingen und Aalen − ist laut Schick derzeit mit Photovoltaik bestückt. Dazu kommt ein Lärmschutz-Galeriedecke am Kappler Tunnel der B31 in Freiburg. Zu möglicherweise umgesetzten Projekten an Gemeindestraßen, an Bahnstrecken und Autobahnen liegen dem Ministerium allerdings keine Informationen vor.

Verkehrsministerium sieht viele Hürden

Die Hürden, welche dem Bau und der Nachrüstung von Lärmschutzwänden mit Photovoltaik erschweren, sind laut Verkehrsministerium mannigfaltig. „Insbesondere sind dies das Anbau-, Vergabe-, Haushalts- und Baurecht, die bei Fremd- und Eigennutzung von durch Photovoltaik gewonnene Strahlungsenergie zu beachten sind. Zudem ist bei der Nachrüstung von Photovoltaik an bestehenden Lärmschutzwänden die Statik maßgebend und entscheidend, ob eine nachträgliche Anbringung möglich ist“, so Sprecher Schick. Darüber hinaus seien die Kosten im Verhältnis zum Nutzen ebenfalls ausschlaggebend.

Als nächsten Schritt sieht Schick die Initiierung von Pilotprojekten, auch im Rahmen von wissenschaftlichen Begleitungen. Die Entwicklungen in den Nachländern wie der Schweiz würden regelmäßig verfolgt. Ein Austausch zu den aktuellen Erfahrungen im Bereich Photovoltaik in Kombination mit Lärmschutz werde angestrebt.

Potenzial von 2,8 Gigawatt in Deutschland

Forschungsseitig aktiv in Sachen PV-Lärmschutz im Land ist vor allem der Fraunhofer-ISE in Freiburg Zahlen für Baden-Württemberg liegen dem Forschungsinstitut zwar auch nicht vor. Doch verweist Sprecherin Judith Bächle auf bundesweite Erhebungen. Demnach beläuft sich das derzeit technisch nutzbare Potenzial für PV-Lärmschutzwände in Deutschland auf 2,8 Gigawatt installierte Leistung.

Fraunhofer-ISE Experte Jonas Huyeng verweist jedoch darauf, dass die Entwicklung erst ganz am Anfang steht. Als treibende Kraft für die die Kombination von PV und Lärmschutz sieht er neben der Knappheit unbebauter Flächen die Möglichkeit zur attraktiven Eigenstromnutzung, sei es für anliegende Gebäude oder für Ladestationen für E-Autos. Dies gelte es auch bei Ausschreibungen zu berücksichtigen.

Eignungsprüfung für PV-Lärmschutz in Ausschreibungen vorsehen

Konkret fordert Huyeng, dass künftig bei allen einschlägigen Ausschreibungen auch eine Eignungsprüfung für PV-Lärmschutz vorgesehen wird und entsprechende Nebenangebote abgegeben werden können. Für sinnvoll hält er zudem eine Anschubfinanzierung, wie dies nun in der Schweiz geplant ist. „Es braucht Pilotvorhaben sowie im regulatorischen Rahmen Anpassungen, damit die verkehrswegeintegrierte Photovoltaik erfolgreich wachsen und zum Standard im Südwesten werden kann“, sagt Franz Pöter, Geschäftsführer Solar Cluster Baden-Württemberg.

Die Entwicklung und Erprobung von wandintegrierten Photovoltaik-Elementen für den Lärmschutz an Straßen und Schiene soll in dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt PVwins vorangetrieben werden. Hierbei geht es sowohl um regulatorische als auch technische und ökonomische Aspekte. Die Federführung liegt beim Fraunhofer ISE (Freiburg), Kooperationspartner sind u.a. die R. Kohlhauer GmbH (Gaggenau/BW), die Bundesanstalt für Straßenwesen sowie das Eisenbahn-Bundesamt. Das Projekt läuft noch bis März 2023. hcn

 


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Kommentare

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Achmed Khammas 08.12.2021, 15:09:16

Nach einigen Recherchen ist es mir gelungen, die bisherige Geschichte dieser Solar-Einsatzform detailliert zu beschreiben: https://www.buch-der-synergie.de/c_neu_html/c_04_07_23_solarschallschutz.htm

Muehlinghaus, Herbert 25.03.2022, 16:06:37

Eine typisch deutsche Vorgehensweise. Erst Mal keinerlei Wagnis eingehen, in Ruhe abwarten ob andere eine brauchbare Lösung auch für Deutschland präsentieren. Oder wenn auch das nicht geht, Forschungsaufträge und teuere Machbarkeitsstudien vergeben.

Warum nicht Autobahnabschnitte an private Investorenit der Verpflichtung zum Ausbau übergeben.


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