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Alternative für WaldbauernPhotovoltaik auf Käferflächen

Wald mit vollständig zerstörten Flächen
Die Folgen des Borkenkäfersbefalls auf die Fichtenkulturen im Sauerland waren verheerend. Auf den freien Flächen könnten PV-Anlagen Erträge für Waldbauern generieren. (Foto: Thomas Isenburg)

In Zeiten harter Konkurrenz um Flächen zur Energieerzeugung könnten geschädigte Waldflächen wertvollen Platz für Photovoltaik bieten. Vor allem für Waldbesitzer wäre das wirtschaftlich eine rettende Brücke bis zur Wiederbewaldung.

16.11.2023 – Günther Pulte ist einer der Köpfe für Windkraftanlagen im Sauerland. Der Windkraftpionier ist einer der Initiatoren des Windparks RothaarWind in Hilchenbach. Aufbauend auf der für die Region typischen Haubergsstruktur betreibt er dort eine Energiegenossenschaft aus fünf Windmühlen mit Gewinn für die Genossen.  Ein weiterer Windpark ist bereits geplant. Pulte kennt die Sorgen und Nöte der Waldbesitzer, die durch den Klimawandel größer geworden sind: Die Hitzesommer der Vergangenheit waren ein Fest für die Borkenkäfer, sie haben die Fichtenbestände fast vollständig vernichtet. Jetzt prägen Kahlflächen die Hanglagen. Den Waldbesitzern fehlen damit auf Jahre hinaus die Einnahmen.

PV-Anlage nach Nutzungsdauer wieder abbauen

Eine Möglichkeit, die Pulte voranbringen möchte, sind Photovoltaikmodule auf den neuen Brachflächen. Sie sollen den gebeutelten Waldbesitzern vorübergehend alternative Einkommensquellen erschließen. Die Photovoltaikmodule sollen auf Stahl- oder Metallkonstruktionen in einer Höhe von etwa 1,80 Meter befestigt werden. unter den Modulen kann sich eine Strauchvegetation entwickeln. Pulte sagt dazu: „Die Ökologen müssten zufrieden sein.“ Zunächst denkt der Windkraftexperte dabei an ein Pilotprojekt mit einer Laufzeit von 35 Jahren. Dafür könnte ein Fünftel der zur Verfügung stehenden Käferflächen genutzt werden. Die Photovoltaikmodule könnten am Ende ihrer Lebensdauer wieder abgebaut werden.

Damit, so Pulte, ließe sich der Ausbau der Solarenergie in Deutschland zügig vorantreiben. Der Sauerländer schätzt, dass sich die Solarleistung kurzfristig verfünffachen könnte. Eine Konkurrenz zu Dachflächen sieht er hierbei nicht, im Fokus steht für ihn die wirtschaftliche Unterstützung der Waldbesitzer. Auf sie kommen langfristig hohe Kosten für die Aufforstung mit jungen Bäumen zu. Welche Baumart für die Anpassung an den Klimawandel geeignet ist, lässt sich nach heutigem Wissensstand nicht sagen. Pulte äußert sich dazu folgendermaßen: „Wenn ich die Förster frage, welche Baumart sie empfehlen würden, zucken sie mit den Schultern und sagen, ich weiß es nicht. Man könnte das oder jenes ausprobieren, aber wir wissen es nicht. Außerdem können die Baumschulen die benötigten Mengen gar nicht liefern“. Nach dem Abbau der Photovoltaikmodule sollte es dann, so hofft man, eine klare Vorstellung für einen zukunftsfähigen Wald geben.

Fehlende Einnahmen der Forstbetriebe kompensieren

Pulte vermutet, dass die Forstbetriebe in den nächsten 40 bis 50 Jahren ausschließlich Kosten haben werden, daher müssen dringend Alternativen gefunden werden, um die Betriebe zu entlasten. Selbst wenn alle Borkenkäferflächen aufgeforstet würden, hätte man nur noch Wald einer Altersklasse, dies könnte zu einem Überangebot an Holz führen. Den wirtschaftlichen Ertrag von Photovoltaikanlagen auf dieser Fläche schätzt Pulte auf 800.000 kWh pro Hektar und Jahr. Noch stoßen Pultes Pläne auf Widerstand, denn die Förster verteidigen ihren Wald. Außerdem schreibt das Bundeswaldgesetz vor, dass erst wieder aufgeforstet werden muss.

Auch das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium zeigt sich in seiner Stellungnahme nicht begeistert: Im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen komme dem Wald eine hohe Bedeutung zu. Deshalb hat sich die Landesregierung im Entwurf zur aktuellen Änderung des Landesentwicklungsplans gegen Freiflächen-Photovoltaik im Wald und auch auf „Borkenkäferflächen“ bzw. Kalamitätsflächen ausgesprochen.

Wirtschaftsministerium zweifelt an ökologischem Nutzen

Wesentlicher Grund für die Entscheidung war die potenziell großflächige Inanspruchnahme durch Freiflächen-Photovoltaik. Selbst eine auf 20 Jahre befristete Nutzung würde eine Wiederbewaldung bzw. natürliche Sukzession auf den Kalamitätsflächen in diesem Zeitraum verhindern. Dies hätte entsprechende ökologische Konsequenzen, d.h. die funktionale Lücke im ökologischen System würde um den Zeitraum von 20 Jahren verlängert.

Der Wald erfüllt jedoch verschiedene wichtige Funktionen - nicht zuletzt im Hinblick auf den Klimaschutz (CO2-Speicherung) und die Klimaanpassung (Feuchtespeicher, Kühlungsfunktion). Auch würde das Landschaftsbild über weitere Jahrzehnte von Kalamitätsflächen geprägt, was auch Auswirkungen auf den Tourismus haben könnte. Die Nutzung von Kalamitätsflächen durch Windenergie ist dagegen anders zu bewerten: Windenergieanlagen entstehen punktuell und nicht großflächig, zudem tragen sie zur Wertschöpfung der Waldbesitzer bei.

Von der Agentur für Erneuerbare Energien befragt, meint Projektmanager Ryotaro Kajimura: „Dass die Windenergie in der Fläche weniger Zielkonflikte gegenüber der Wiederbewaldung erzeugt als die Photovoltaik, ist nachvollziehbar. Erfahrungsgemäß haben sich bei solchen Flächenkonkurrenzen punktuelle Sonderformen der Photovoltaik da entwickelt, wo sie zusätzliche Synergien erzeugen. Aus dem Agrarbereich sind beispielsweise Photovoltaik-Streifen bekannt, die quer zur Hangneigung aufgestellt vor Erosion und Hochwasser schützen. Solche Ansätze sind aber meines Wissens für den forstwirtschaftlichen Kontext noch unbekannt. Für Baumschulen allerdings werden Photovoltaik-Module erprobt, die die jungen Triebe vor zu starker Sonneneinstrahlung schützen sollen.“

Egal, wie man sich letztlich in den Kommunen entscheidet, ist eine wie auch immer geartete Nutzung sinnvoller, als die Flächen durch Entscheidungsparalyse einfach verkommen zu lassen. (Thomas Isenburg, Wissenschaftsjournalist aus Herne)


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