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KommentarKann ich trotz des Klimawandels noch Kinder in die Welt setzen?

Ist es angesichts der Klimakrise noch vertretbar, Kinder zu bekommen?
Ist es angesichts der Klimakrise noch vertretbar, Kinder zu bekommen? (Foto: Mabel Amber, still incognito..., Pixabay)

Seit Kurzem bin ich Vater und frage mich: Ist es noch vertretbar, Kinder zu haben? Die weltweiten Schülerproteste für Klimaschutz zeigen mir aber: Kinder sind nicht das Problem – sondern Teil der Lösung.

16.04.2019 – Jetzt ist sie da. Unsere frisch geborene Tochter liegt vor uns, schaut uns an mit großen Augen, strampelt und gluckst. Seit wenigen Wochen lebt sie auf dieser Welt, und doch fühlt es sich an, als wäre sie schon immer da gewesen.

Für unsere Tochter reiht sich in diesen ersten Wochen ihres Lebens eine Herausforderung an die nächste: sich mit der Schwerkraft vertraut machen, Kälte und Hunger kennenlernen. Die Organe in Betrieb nehmen, das Trinken lernen und immer Neues sehen, hören, riechen und fühlen.

Als sie da so schlummert, schießt mir ein Gedanke durch den Kopf: War das alles ein Fehler?

Auch für uns ist diese Zeit herausfordernd: Wir müssen lernen, den Winzling richtig anzupacken. Verstehen, was er braucht, wenn er schreit. Mit viel zu wenig Schlaf haushalten, den Besuch managen, noch mehr Besuch abwimmeln. Doch in erster Linie sind wir natürlich überglücklich und stolz.

Wieder so ein kurzer Moment: War es egoistisch, haben wir das Kind nur für uns gemacht?

Neu sind für uns auch die ständigen Sorgen: Geht es der Kleinen auch wirklich gut? Machen wir alles richtig? Und bleibt auch unsere Beziehung nicht auf der Strecke?

Es gibt allerdings eine noch grundlegendere Frage, die sich nicht nur uns, sondern immer mehr Eltern und all denen stellt, die es werden wollen. Auch in meinem Kopf schwirrt diese Frage schon lange herum – obwohl ich ihr bisher erfolgreich ausgewichen bin. Doch das geht jetzt nicht mehr. Die Frage lautet:

Kann ich es überhaupt verantworten, trotz Klimawandel und Öko-Kollaps Kinder in die Welt zu setzen?

Können wir diese Verantwortung tragen?

Bei einer Online-Umfrage des amerikanischen Online-Magazins Insider stimmten Anfang des Monats 30% der Befragten der Aussage zu, dass der Klimawandel und seine negativen Konsequenzen bei der Abwägung der Kinderfrage eine Rolle spielen sollten. Je jünger die Befragten, desto größer die Zustimmung.

Angestoßen hatte die Debatte Alexandria Ocasio-Cortez, die als junge demokratische Kongressabgeordnete seit Monaten mit für amerikanische Verhältnisse radikalen Reformideen wie einem Green New Deal Aufsehen erregt. Sie hatte auf Instagram behauptet, dass der Klimawandel für viele junge Leute eine Rolle beim Kinderwunsch spielt – diese und andere Umfragen geben ihr recht.

Auch in Deutschland wird über dieses emotionale Thema gerade fleißig debattiert: Die Lehrerin Verena Brunschweiger hat ein Buch mit dem Titel „Kinderfrei statt Kinderlos“ veröffentlicht und tingelt mit der These, es sei aus ökologischen Gründen verantwortungslos, Kinder in die Welt zu setzen, durch Talkshows und Medien. Auch bei Perspective Daily haben wir schon über diese Frage geschrieben, ich kann die Argumentation gut nachvollziehen:

  • Mein Kind wird Rohstoffe verbrauchen und Emissionen ausstoßen, die zum Klimawandel beitragen. Das macht das Problem gerade für die ärmeren Menschen im globalen Süden schlimmer, die besonders stark unter dem Klimawandel leiden. Eine Studie aus dem Jahr 2017, auf die wir uns in unserem Artikel bezogen hatten, vergleicht verschiedene persönliche Entscheidungen, die ein Mensch in seinem Leben treffen kann, in Bezug auf die damit verbundenen CO2Einsparungen. Kein Auto, kein Fleisch, kein Flugzeug – alles gut und wirksam. Doch mit großem Abstand auf Platz 1: auf ein Kind verzichten.
     
  • Verantwortungslos sei es auch dem Kind selbst gegenüber, das voraussichtlich in einer heißeren Welt voller Naturkatastrophen und Konflikte wird leben müssen. So argumentieren etwa die Antinatalisten, die die Menschheit gern „auslaufen“ lassen würden, indem sie einfach aufhört, sich fortzupflanzen. Diese Bewegung hat in jüngster Zeit durch die ökologische Krise unseres Planeten neuen Aufschwung bekommen. Bekannt wurde Anfang des Jahres etwa das Beispiel eines indischen Mannes, der seine Eltern dafür verklagen wollte, ihn zur Welt gebracht zu haben.

Es stimmt: Ohne neue Kinder wäre das Klimaproblem weitestgehend gelöst, allen restlichen Menschen und allem nicht-menschlichen Leben auf der Erde bliebe eine Menge erspart. Doch: Entziehen wir uns damit nicht gerade der Verantwortung, anständig mit dem Planeten umzugehen?

Wir sind überfordert…

Mit der Aufgabe, den Klimawandel aufzuhalten und nachhaltig mit der Umwelt zu haushalten, kommen wir Menschen bisher – und gerade in letzter Zeit – nicht besonders gut zurecht. Obwohl alles Wissen über die katastrophalen Folgen unserer Machenschaften auf dem Tisch liegt, lamentieren wir, zeigen mit dem Finger aufeinander oder leugnen einfach alles.

Warum?

Vielleicht überfordert uns die Veränderung, weil wir zu friedlich, zu wenig alarmiert und zu bequem aufgewachsen sind. Der Klimawandel ist erst voll in unser Bewusstsein getreten, als wir uns längst an Auto, Fleisch und Flugzeug gewöhnt hatten.

Vielleicht sind wir auch auf einem guten Weg und leiden nur vor lauter Anstrengung am »Tunnelblick der Untergangsszenarien«, wie es der Sozialpsychologe Harald Welzer formuliert.

Vielleicht ist die Aufgabe, eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung komplett friedlich und »freiwillig« neu aufzubauen, aber auch einfach zu groß für eine einzige Generation. Wir wären ja nicht die Ersten, die daran scheitern. Wo wir gerade wirklich stehen, werden wir erst im Nachhinein wissen.

…aber wir müssen diese Verantwortung nicht allein tragen!

Was wir seit dem vergangenen Sommer aber sicher wissen: Wir müssen diese Verantwortung nicht mehr allein tragen. Die schwedische Schülerin Greta Thunberg, die seit August 2018 jeden Freitag für konsequenten Klimaschutz und ihr Recht auf Zukunft demonstriert, und die Millionen Schüler, die sich ihr unter dem Label Fridays for Future auf der ganzen Welt angeschlossen haben, helfen uns dabei. Sie übernehmen selbst Verantwortung für sich und den Planeten, indem sie auf die Straße gehen, demonstrieren und nicht lockerlassen.

Ist das jetzt die Wachablöse, reichen wir den Staffelstab der Verantwortung an die nächste Generation weiter und sind damit aus der Pflicht entlassen?

Auf keinen Fall! Morgen soll es – so wünschen es sich die Veranstalter – „den größten Klimastreik geben, den die Welt je gesehen hat.“ Mit dabei sind aber nicht nur die Kinder und Schüler der Fridays for Future-Bewegung, sondern auch die erst im Februar gegründete Teilbewegung Parents for Future, mit der Eltern die Kinder bei den Protesten und ihrem Kampf für die eigene Zukunft unterstützen wollen.

Die jüngste Generation übernimmt also nicht nur selbst Verantwortung, sie verpasst uns auch einen ordentlichen Tritt in den Hintern und erinnert uns so daran, worum es hier geht. Die Jugend ist beim Klimaschutz nicht mehr nur unser Zuckerbrot, sie ist jetzt auch unsere Peitsche. Und wir, das sind natürlich nicht nur die Eltern, sondern auch Großeltern, Freunde und alle Menschen, denen das Schicksal des Planeten nicht egal ist. Sie alle sind aufgerufen, an den Protesten teilzunehmen und ihren Teil beizutragen.

Damit zurück zur Ausgangsfrage: Kann ich trotz Klimawandel guten Gewissens Kinder in die Welt setzen?

Ich weiß nicht, ob es die eine, klare Antwort darauf gibt. Aber wenn ich meine Tochter auf dem Arm halte, weiß ich, dass es sich so anfühlt wie das absolute Gegenteil eines Fehlers. Es fühlt sich nach Leben an.

Dieses Gefühl und die hoffentlich vielen Millionen Menschen, die morgen auf die Straße gehen werden, zeigen mir aber vor allem: Es gibt eine noch wichtigere Frage. Was können wir jetzt gegen den Klimawandel tun?

Die Kinder und Schüler von heute jedenfalls – und hoffentlich eines Tages auch meine Tochter – beweisen mit ihrem klaren, zielgerichteten Protest gerade eindrucksvoll, dass sie nicht Teil des Problems sind – sondern Teil der Lösung!

Felix Austen ist Autor bei Perspective Daily. Dort ist der Artikel zuerst erschienen.


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Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Andi 18.04.2019, 09:46:12

+538 Gut Antworten

Sehr nett geschrieben und auch mit einem grundsätzlich nachvollziehbarem Fazit. Aber eben nur dann absolut nachvollziehbar, wenn man sein Kind bereits im Arm hält und einem doch eigentlich gar nicht anders kann, als es zu lieben und die Umstände doch ganz in Ordnung zu finden. Letztlich bleibt es ein Fakt, dass jedes Kind das (Klima-)Problem größer statt kleiner machen wird, auch wenn es noch so moralisch erzogen wird und sich verhalten mag wenn es erwachsen ist. Etwas bösartig ausgedrückt sind aber nicht nur unbedingt das 1, oder die 2 Kinder die ein deutsches Pärchen in die Welt setzt das Problem. Es sind die 4-8 Kinder aus afrikanischen, arabischen oder asiatischen Familien, die ihrerseits auch wieder jeweils viele Kinder bekommen, die alle für diese bald nicht mehr händelbaren Bevölkerungszahlen sorgen. Das klingt sogar fast rassistisch, ist aber Fakt.

Uli 22.04.2019, 07:13:37

+569 Gut

Ich kann meinem „Vorredner“ nur in allen Punkten zustimmen. Als jemand, der bewusst keine Kinder in die Welt gesetzt hat, wird man in unserer Gesellschaft sogar diskriminiert. Wie oben beschriebene Lehrerin in ihrem Buch beschreibt, wird einem sogar jeglicher Bezug zu Kindern abgesprochen. In meiner täglichen Arbeit habe ich auch mit Kindern und ihren Eltern zu tun. Es stimmt mich sehr bedenklich, dass ich als kinderloser Mittfünfziger in meinem Leben schon wesentlich mehr für die Umwelt und gegen den Klimawandel getan habe als die meisten Eltern meiner Schutzbefohlenen und dafür auch noch mitleidig belächelt werde. Die meisten Menschen meiner Umgebung frönen weiter fröhlich und beschwingt ihrem Egoismus, machen fleißig Fernreisen, essen jeden Tag Fleisch und fahren PS starke SUVs und als sei dies alles nicht genug, werden alle, die sich der grenzenlosen Verschwendung nicht anschließen auch noch diffamiert. Das war die letzten 50 Jahre meines Lebens so und ich habe wenig Hoffnung, dass sich das durch ein paar kleine Demos ändern wird.

Sören 02.10.2020, 13:33:30

+37 Gut

Es geht aber auch Kinder zu haben und was für die Umwelt zu tun.

Wie hier schon angesprochen wurde: Weniger Fleisch essen, nicht unbedingt das dickste Auto zu haben und auf einen Diesel zu verzichten (Elektroauto fällt erst einmal eh weg, da das mit Kindern nur schwer zu finanzieren ist).

 

Jemand der keine Kinder hat sollte nicht dafür belächelt werden oder diskriminiert, denn ich finde es wichtig, das wenn man Kinder hat dies Bewusst zu entscheiden. Besser so als Eltern die ständig aufs Handy glotzen und nur in Sozialen Medien unterwegs sind statt im richtigen Leben.

 

Aber wie wäre es denn mal, wenn ein Pärchen ohne Kinder einfach mal nur ein Auto besitz, statt zwei. Oder wenn wir mal die sinnlosen Motorräder abschaffen. Oder die blöden E-Roller, die jeden Tag von Dieseltransportern eingesammelt werden um sie zur Ladestation zu bringen.

 

Aber ich stimme den Vorrednern zu, das auch hier der Fokus nicht auf Familien mit 1-3 Kindern liegen sollte, sondern auf jeden, die 6+ Kinder in die Welt setzen, egal welcher Herkunft oder Kultur sie sind.

Neo 03.10.2021, 15:37:11

+40 Gut

Beachtet man die Pro Kopf Emmissionen verursachen 6 Kinder in Nigeria, dem wirtschaftsstärksten Land Afrikas,

noch lange nicht so viel Emissionen wie 1 Kind in Deutschland.

 

Nigeria - CO2 Emissionen 2020 - 0,50 (Tonnen pro Kopf)

Deutschland - CO2 Emissionen 2020 - 9,2 (Tonnen pro Kopf)

Lilofee Labes 24.04.2019, 13:48:49

+366 Gut Antworten

Uli, besser hätte ich es nicht sagen können - Danke! :-)

Klar, hinterher mit dem armen neuen Erdbewohner im Arm kann man schwer zugeben, dass dieser Nachwuchs noch mehr mit Waldbränden und schlimmeren (jetzt mal nur die Auswirkungen, die wir DIREKT in der Umgebung spüren!!! genannt) Effekten unseres egoistischen Handelns konfrontiert wird und zum Teil auch dazu beitragen wird, mehr oder weniger, es sei denn, er lebt mit indigenen Völkern o. ä.,

wir - die ja so zivilisierten Menschen - haben es geschafft, in ein paar Dekaden so viele Lebewesen auszurotten wie zuletzt vor Milliarden (oder Millionen, na jedenfalls sehr lange Zeit) bei der - übrigens - natürlich verursachten Klima(wandel)katastrophe ... shame on me, I'm a human :(

Denkender Bürger 25.04.2019, 22:05:57

+327 Gut Antworten

Die überschrift ist eine höchst eigenartige und befremdliche Frage:

Woher soll der Leser wissen, ob der Verfasser das kann?

Denkender Bürger 26.04.2019, 15:46:21

+341 Gut Antworten

Und mal so ganz nebenbei:

Um die Person Greta Thunberg wird gerade der größe öffentliche Personenkult seit Stalin aufgebaut.

Sieht keiner, wie gefährlich das für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft und deren Normen und Werte ist?

Oder will das keiner sehen?

eberhard 04.09.2019, 09:08:05

+193 Gut Antworten

solche artikel empfinde ich als schrott. klar ist das ungehemmte

bev-wachstum eines unserer hauptprobleme. das löst sich aber nicht durch

fortpflanzungsverzicht in den westlichen ländern (+ungehemmte

zuwanderung in mind 10-facher menge der "eingesparten" kinder).

selbst einfachste überschlagsrechnungen scheinen die leute heute schon

zu überfordern. mathe is ja bäh, gesunder menschenverstand ebenso.

 

PS: ob der Verfasser noch Kinder zeugen kann, kann ich ohne weitere Informationen schlecht beurteilen ;-)

Richard 06.09.2019, 20:24:17

+184 Gut Antworten

Wenn Sie ihr Kind mit Co2 aufwiegen, können sie es auch verkaufen. Denn CO2 hat ja inzwischen einen Preis.

Kommentator 07.07.2020, 18:09:54

Toller Artikel! Wenn auch relativ unkritisch zusammengefasst, finde ich auch, man sollte zum Klima Retten nicht auf Kinder verzichten.

Ich finde es so schlimm, wie in den Kommentaren hier das Problem auf so verkehrte Weisen projeziert wird (Viele Kinder in Entw.ländern, Greta Thunberg Shaming, falsche Freiheiten verteidigen) anstatt dass jeder mal versucht, an sich selber zu arbeiten.

Aka 23.01.2021, 17:04:25

Naja. Am Anfang gut und dann blabla viele Ausreden.

Lieber Autor, Ihre Tochter wird leiden. So ist es leider. Wir haben die Welt schon kaputt gemacht und sie darf es nun ausbaden, weil Sie und Ihre Frau unbedingt die Erfahrung machen wollten.

Reden Sie sich ruhig ein, es sei alles gut. Es ist leider nicht.

Stehle 08.08.2021, 07:27:40

Leider redet sich der Author da was schön. Muss er ja auch, schließlich ist die Entscheidung schon gefallen.

Andreas 30.03.2024, 13:03:43

Im Durchschnitt haben Familien in Deutschland 2 Kinder. Weniger Kinder um weniger CO2 zu produzieren ? Hat man das auch den Flüchtlingsfamilien gesagt die hier mit 5 oder mehr Kindern nach Deutschland reisen ? Geschweige von vielen Ländern auch in der dritten Welt, wo viele Kinder trotz Armut normal sind. Die Mehrheit von Großfamilien in Deutschland haben ausländische Wurzeln. Deutsche Familien haben dagegen immer genau geplant um gleichzeitig eine Berufliche Perspektive zu haben.


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