Menü öffnen

Die Meinung
28. Oktober 2022

Was wir von den Norwegern lernen können

Tesla-Geschwindigkeit statt deutscher Schlafmützigkeit versprach Robert Habeck beim Ausbau der Erneuerbaren. Trotzdem sind hierzulande noch immer die bürokratischen Hürden hoch, die Anreize dagegen niedrig. Ganz anders in Norwegen.

Christian Rahn, Geschäftsführer der Solarplattform Otovo in Deutschland.

Christian Rahn, Geschäftsführer der Solarplattform Otovo in Deutschland.
Christian Rahn, Geschäftsführer der Solarplattform Otovo in Deutschland
Bild: Otovo Deutschland

In Sachen Energiewende sind uns die Skandinavier mindestens fünf, in einigen Bereichen eher zehn Jahre voraus. Warum? Zum einen, weil natürlich erneuerbare Ressourcen im Überfluss vorhanden sind und seit jeher genutzt werden. 98 Prozent des Stroms stammen dort bereits aus erneuerbaren Energien. Zum anderen, weil das Mindset stimmt. Die Energiewende wird dort nicht als lästige Pflicht, sondern als spannende Investitionsmöglichkeit mit vielfältigen finanziellen Anreizen gesehen. Das macht es den Menschen leichter, sich den neuen Technologien zu öffnen.

Attraktive Anreize schaffen

Nehmen wir die Solarenergie: Von den 98 Prozent Strom aus Erneuerbaren stammt in Norwegen der Löwenanteil (87 Prozent) zwar aus Wasserkraft, aber auch Wind und Sonne spielen eine Rolle. Die Solarbranche boomt regelrecht – obwohl das Land bis zu einem halben Jahr in Dunkelheit versinkt. Grund dafür sind unter anderen die vielfältigen Fördermöglichkeiten, die der norwegische Staat geschaffen hat und immer wieder neu anpasst. Seit Februar gibt es für private Anlagen bis zu 20 kWp umgerechnet bis zu 5.500 Euro. Das ist fast doppelt so viel wie vor der Anpassung. Die Nachfrage nach PV-Anlagen, die vorher schon sehr hoch war, ist seitdem mit einem Plus von fast 300 Prozent geradezu explodiert. Zusätzlich entfällt für viele kleine Solaranlagen das komplizierte und langwierige Genehmigungsverfahren. Und auch die Einspeisevergütung ist, anders als in Deutschland, an den realen Strompreis gekoppelt. Es lohnt sich in Norwegen also tatsächlich, selbst produzierten und nicht benötigten Strom ins Netz einzuspeisen.

Hierzulande wurde dagegen die staatliche Förderung für PV-Anlagen quasi abgeschafft. Zwar gibt es günstige staatliche KfW-Kredite für Anlagen und Batteriespeicher und den Bundesländern und Kommunen steht es frei, eigene Förderprogramme aufzulegen – insgesamt ist das aber sehr mau, trotz Osterpaket.

Bis 2030 soll die Leistung von 59 Gigawatt auf 215 Gigawatt steigen – so der Plan. Doch wenn sich nicht massiv etwas ändert, ist das niemals zu schaffen. Für wirklich mehr Tempo braucht es einen Paradigmenwechsel in der deutschen Solarpolitik. Dass für kleinere Photovoltaik-Anlagen bis zu einer Leistung von 30 kWp ab 2023 Umsatz- und Einkommensteuer entfallen sollen, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. So sieht es das Jahressteuergesetz vor, dass die Bundesregierung Mitte September auf den Weg gebracht hat. Zusätzlich müsste aber auch die Einspeisevergütung stark steigen, bürokratische Hürden für Endkunden müssten abgebaut werden.

Technologiepotenzial ausschöpfen

Norweger stehen zudem der Nutzung neuer (digitaler) Technologien weit offener gegenüber als die Menschen hierzulande. Beispiel Smart Meter: Diese intelligenten Stromzähler sind eine Grundvoraussetzung für die effiziente Nutzung von Großverbrauchern wie E-Autos, Wärmepumpen und Wallboxen und damit ein entscheidender Faktor für die dezentrale Energiewende. Erst im Zusammenspiel mit ihnen lohnt es sich beispielsweise Strom einzuspeisen.

In Norwegen ist inzwischen jedes Haus damit ausgestattet, hierzulande sind es gerade mal drei Prozent. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern, selbst wenn alle Haushalte in den kommenden Jahren mit neuen digitalen Stromzählern ausgestattet werden sollen. Denn Smart Meter sind in Deutschland seit 2020 nur für einige Haushalte verpflichtend. Bei einem Stromverbrauch über 6.000 kWh/a, dem Betrieb einer Strom erzeugenden Anlage mit einer Nennleistung von mehr als 7 kW oder einer steuerbaren Verbrauchseinrichtung wie einer Wärmepumpe. Diese Haushalte müssen den Einbau eines Smart Meters „erdulden“, formuliert dieVerbraucherzentrale NRW auf ihrer Website – so viel zum Mindset!

Im Norden ist man elektrisch unterwegs

Und wie sieht es auf Norwegens Straßen aus? Wer dort ein Auto mit Verbrennungsmotor kauft, zahlt nicht nur 25 Prozent Mehrwertsteuer, sondern zusätzlich Abgaben für CO2, Stickstoff, Gewicht sowie eine Einfuhrgebühr. Für Käufer von E-Autos entfallen diese Steuern komplett, das Einsparpotential ist enorm: Bei einem E-Golf sind es rund 12.000 Euro, damit kostet er weniger als der entsprechende Benziner. Ein Riesenargument für den Kauf eines E-Autos, zumal die auf öffentlichen Plätzen kostenlos parken dürfen, von der Mautgebühr befreit sind und oft sogar umsonst auf den vielen Fähren des Landes mitfahren können.

Natürlich lassen sich die Lösungen, die Norwegen für seine Energiewende gefunden hat, nicht unbedingt 1:1 auf Deutschland übertragen. Trotzdem lohnt sich der Blick gen Norden. Norwegen macht uns vor, wie die Energiewende gelingen kann. Mit einer positiven Einstellung, die Veränderungen nicht als Gefahr, sondern als Chance sieht. Mit gezielten Förderungen und Anreizen und einem mutigen Blick nach vorn. In der Energiewende liegen Möglichkeiten. Nutzen wir sie!




Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft