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Bilanz der Bundesregierung100 Tage energiepolitischer Stillstand

Abenddämmerung im Kanzleramt. (Foto: pixabay, CC0 1.0)

Das Klimaziel für 2020 ist nicht mehr zu erreichen und auch verbindliche EU-Zusagen sind in weiter Ferne, der Koalitionsvertrag wird ignoriert. Die 100-Tage-Bilanz der Bundesregierung fällt verheerend aus. Dennoch bremst die CDU wo sie nur kann.

19.06.2018 – Das 100-Tage-Gesetz von Peter Altmaier (CDU) kommt nicht voran und steht symptomatisch für den Zustand der Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung: Die Vorhaben sind wenig ambitioniert und reichen längst nicht aus, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Und dennoch kommen nicht einmal diese Minimalziele voran. Im jüngsten Beispiel blockiert die Unions-Fraktion die im Koalitionsvertrag zugesagten Sonderausschreibungen für Wind- und Solaranlagen, mit denen ein Zehntel der gewaltigen Lücke von 100 Millionen Tonnen CO2 zur Erreichung der Klimaziele 2020 abgedeckt werden soll.

Ohnehin scheint insbesondere die Union die selbst gesteckten Klimaziele, die EU-Vorgaben und das internationale Klimaabkommen herzlich wenig zu scheren. Kanzlerin Angela Merkel und ihr zuständiger Wirtschaftsminister Peter Altmaier lassen das Thema erkennbar kalt, Altmaier gibt in Brüssel sogar den obersten Bremser und verhinderte in der vergangenen Woche strengere Erneuerbaren-Ziele für 2030. Die SPD-Fachpolitiker warnen, die Parteispitze setzt sich dennoch nicht erkennbar ein.

Die Warnzeichen sind längst sichtbar

Dabei müsste ein nüchterner Blick auf die Zahlen alle Alarmglocken schrillen lassen: Die erwähnten 100 Millionen Tonnen CO2 werden bis 2020 nicht mehr eingespart, das hat die Bundesregierung mit ihrem Klimaschutzbericht 2017 bereits eingestanden. 32 statt 40 Prozent weniger Treibhausgase, vielleicht sogar weniger, mehr als Achselzucken ruft das nicht hervor. Eine neue Prognose des Bundesverbands Erneuerbare Energie zeigt zudem: Das verbindliche EU-Ziel von 18 Prozent Erneuerbare Energien am Brutto-Endenergieverbrauch im Jahr 2020 wird Deutschland verfehlen. Mehr als 16,4 Prozent sind offenbar nicht drin. Damit drohen der Bundesrepublik ein Vertragsverletzungsverfahren und Geldstrafen aus Brüssel.

Das ist freilich nicht der Fehler der seit 100 Tagen im Amt befindlichen Bundesregierung, sondern der Kabinette Merkel I bis Merkel III. Ihr Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier ist aber auch beim Thema Energiewende kein Unbekannter: Schon als Umweltminister und später als Chef des Kanzleramts war er nicht verdächtig, sich übermäßig für den Klimaschutz einzusetzen. Sein für Energie zuständiger Parlamentarischer Staatssekretär, Thomas Bareiß (CDU), schon gar nicht. Bereits als Koordinator seiner Fraktion im Bundestag hat er maßgeblich zur Abschwächung der Energiewende beigetragen.

Mischung aus Desinteresse und Ablehnung

Gleichwohl muss die neue Bundesregierung jetzt handeln. Dennoch scheint dieser Tage eine Mischung aus Desinteresse und Ablehnung zu herrschen, da kann Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) noch so viel mahnen und Wissenschaftliche Beiräte der Bundesregierung eindeutige Gutachten vorlegen. Umgesetzt wird nichts. Andere Themen wie der Streit um Details der Flüchtlingspolitik und die – jeder Grundlage entbehrenden –  Hervorhebung von Kriminalität und Unsicherheit in Deutschland sind offenbar wichtiger.

Ob eine harte Flüchtlingspolitik oder die Ablehnung von Energiewende und Klimaschutz, dafür seien dieselben konservativen Kreise in der Union verantwortlich, ist sich Hermann Albers, Präsident des Bundesverband Windenergie sicher. Die Branche der Erneuerbaren Energien wirkt macht- und hoffnungslos, auch wenn sie das nicht zugeben will. Die Hoffnungen ruhen auf der Einhaltung des Koalitionsvertrags, obwohl selbst die dort beschriebenen Maßnahmen für die Rettung der Erde dürftig sind. Den großen Wurf, sprich ein CO2-Preis oder eine Reform des Abgaben- und Umlagensystems im Energiebereich, hat Altmaier bereits nach wenigen Tagen ausgeschlossen.

Bitte keine Flickschusterei mehr

Man muss sich wohl bestenfalls mit den Sonderausschreibungen und dem Klimaschutzgesetz zufrieden geben, das im kommenden Jahr kommen soll. Dann muss die Bundesregierung Farbe bekennen, wie sie das Klimaziel 2030 einhalten will. Man solle wegkommen von der Flickschusterei, mahnt Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft. Er vermutet eine teilweise Überforderung in der Bundesregierung angesichts der Komplexität vieler Themen.

Und die Kohlekommission? Man dürfe sich nicht mit dem Einstieg in den Kohleausstieg zufrieden geben, findet die Erneuerbaren-Branche. Die Unternehmen seien bereit, neue Ökostrom-Anlagen zu bauen, wenn die Bundesregierung endlich den Rahmen vorgebe. Tatsächlich sind die Kosten für Wind- und Solarstrom sind in den vergangenen Jahren stetig gesunken und die Förderung neuer Anlagen macht ohnehin nur noch einen geringen Teil der EEG-Umlage aus. Körnig kommentierte markig aber nicht falsch: „Wenn die Bundesregierung nicht langsam Tempo macht, werden wir in den 2020er Jahren eine Ökostrom-Versorgungslücke haben.“ cw


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