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Europäische UnionDas entscheidende Jahrzehnt für den Klimaschutz

Ein Baum brennt neben einem Haus.
 Im Sommer wüteten verheerende Waldbrände in Griechenland, ausgelöst durch Dürre und Hitze. (Bild: Felton Davies, flickr, CC BY 2.0)  

Vor dem Hintergrund verheerender Extremwetter und dem neuesten IPCC-Bericht, werden deutlich höhere Klimaschutzambitionen in Europa gefordert. Entscheidend dazu beitragen könnte die nächste Bundesregierung.

17.09.2021 – Überschwemmungen in Deutschland und Belgien, Waldbrände in Griechenland und Italien und ein IPCC-Bericht, der deutlich warnt, aber zugleich vermittelt, dass mit wirksamen Klimaschutz, die schlimmsten Folgen einer Globalen Erwärmung noch vermieden werden können – vor diesem Hintergrund mahnen EU-Parlamentarier und Umweltverbände die Europäische Union zu deutlich höheren Ambitionen.

Zwar sei das Fit for 55-Package ein Schritt in die richtige Richtung, erklären mehrere Abgeordnete der Grünenfraktion im Europäischen Parlament in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, doch wichtige Maßnahmen würden erst nach 2030 umgesetzt werden. Dabei sei dieses Jahrzehnt entscheidend, um der Klima- und Biodiversitätskrise entgegenzuwirken, sagt Sven Giegold, einer der Verfasser des Briefs. Mehrere Maßnahmen seien demnach entscheidend.

  1. Massiver Ausbau Erneuerbarer Energien in Europa, mit einem Anteil von Mindestens 50 Prozent bis 2030. Bislang vorgesehen ist ein Anteil von 40 Prozent. 2040 müssen es nach Ansicht der Grünen dann 100 Prozent sein. Gefordert wird etwa eine europaweite Solarpflicht auf Gebäuden bei Renovierungen. Die EU plant etwa 35 Millionen Gebäude bis 2030 zu renovieren. Auch die Energieeffizienz müsse gesteigert werden. Statt, wie bislang geplant, zwischen 36-39 Prozent an Energie einzusparen, müsse die EU einen Wert von 45 Prozent anstreben. Auch müssten detailliertere Maßnahmen vorgelegt werden, wie die Energieeinsparungen zu erreichen seien.
  2. Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2025 beenden. Michael Bloss, Industriepolitischer Sprecher der Grünen, sagt: „Es ist absurd, dass die Kommission dieses Thema seit Jahrzehnten immer wieder auf die lange Bank schiebt und damit die Klimakrise anfeuert.“ Eigentlich hätten sich die EU und mehrere Mitgliedsstaaten schon vor zehn Jahren verpflichtet diese Subventionen abzuschaffen, passiert sei bislang jedoch zu wenig. Eine Investigate Europe Recherche kam im letzten Jahr zu dem Ergebnis, dass in Europa jedes Jahr fossile Brennstoffe mit 137 Milliarden Euro subventioniert werden.
  3. Auf 100 Prozent emissionsfreie Autos bis 2030 umstellen. „Das klare Datum gibt Investoren und Autoherstellern die Gewissheit, auf Elektromobilität umzusteigen und den Verbraucher*innen erschwingliche Optionen zu bieten“, sagt Giegold. Bislang ist im Gespräch nur noch emissionsfreie Neuwagen ab 2035 zuzulassen.
  4. Den Europäischen Emissionshandel (ETS) weiter reformieren. Die Preise für CO2 sind im Europäischen Emissionshandel bereits stark gestiegen und zwingen vor allem Kohle aus dem Netz. Dennoch würden jedes Jahr mehr CO2-Zertifikate auf dem Markt ausgestellt, als von den fossilen Unternehmen nachgefragt werden. Auch die Austeilung kostenloser Zertifikate dürfe nicht erst nach 2030 gestoppt werden. „Es ist absurd, dass im europäischen Markt für Emissionen momentan mehr als 250 Millionen CO2-Zertifikate zu viel sind, die den Preis künstlich nach unten drücken. Das muss ein Ende haben, sonst verkommt der Markt zu einem Selbstbedienungsladen für Emissionsschleudern“, sagt Bloss. Weitere Reformen des ETS sollen entscheidend dazu beitragen, dass Europa bis 2030 aus der Kohleverstromung aussteigt.
  5. Frühere Besteuerung des Luft- und Seeverkehrs. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, will die EU eine Mindeststeuer für Kerosin und Schiffskraftstoffe ab 2032 einführen. Viel zu spät finden die Grünen und schlagen deren Einführung bereits ab 2023 vor.
  6. Lebensmittelproduktion umstellen. Die Emissionen aus der Landwirtschaft müssten dringend bekämpft werden. Die Massentierhaltung müsse beendet und ein pestizidfreies Europa gefördert werden. Zum aktuellen Stand sagt Ska Keller, Vorsitzende der Grünenfraktion: „In der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik bleibt die EU hinter ihren Ansprüchen zurück. Das Versprechen des Grünen Deal auf die Agrarwende wird nicht erfüllt, wenn die EU-Mitgliedstaaten nicht zu Klimaschutz, Tierwohl und dem Schutz der Biodiversität verpflichtet werden.“
  7. Keine Ressourcenverschwendung mehr. Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft müssen in der EU prioritär behandelt werden, fordern die Grünen. Bereits Ende Juli hatte die Menschheit für dieses Jahr alle natürlichen Ressourcen verbraucht, die der Planet innerhalb eines Jahres erzeugen und regenerieren kann. Die Staaten der Europäischen Union haben an dieser Misere entscheidenden Anteil.

Klimagerechtigkeit in den Fokus

Bei einer Rede zur Lage der EU am Mittwoch, versprach Von der Leyen zwar mehr Tempo beim Fit for 55-Package und die Einlösung des Green Deal, doch Grüne und Umweltverbände vermissten dabei einen stärken Fokus auf soziale Gerechtigkeit beim Klimaschutz. Es fehle ein überzeugendes Paket für den sozialen Ausgleich, teilt die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch mit. Auch fehle es an einem Absicherungsmechanismus zum Erreichen des 2030-Klimaziels für den Fall, dass die CO2-Senken wie Wälder und Moore durch vermehrte Dürren und Brände nicht wie geplant wirken können.

In einem offenen Brief forderten Germanwatch und weitere Umweltverbände Spitzenkandidat:innen der Bundestagswahl zudem auf, nach den Wahlen „die Kommissionsvorschläge zügig und deutlich nachzuschärfen“, sollte ihre Partei an der Regierung beteiligt sein. Die Forderungen decken sich dabei mit denen der Grünenfraktion im Europäischen Parlament. Die Rolle Deutschlands als bevölkerungsreichster Mitgliedsstaat und größte Volkswirtschaft sei in den europäischen Verhandlungen zentral, so die Umweltverbände.

Germanwatch fordert in diesem Zuge die deutschen Parteien auf, die EU-Klimapolitik stärker in den Blick zu nehmen. "Alle Parteien schauen jetzt vor der Wahl besonders auf Deutschland. Doch die Musik im Klimaschutz spielt vor allem auf EU-Ebene. Deutschland muss das Paket für die Klimaziele und ihre soziale Absicherung unterstützen“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. mf


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