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Konflikt um Tagebau TurówDie EU streicht Polen Millionengelder

Braunkohletagebau mit Kohlekraftwerk im Hintergrund
Der Tagebau Turów liegt auf polnischem Gebiet, in direkter Nachbarschaft zu Deutschland und Tschechien. (Bild: Petr Vodička, Wikipedia, CC BY-SA 4.0)

50 Millionen Euro an Strafzahlungen haben sich inzwischen angesammelt, weil Polen den Braunkohletagebau Turów widerrechtlich weiterbetreibt. Nun fängt die EU-Kommission an, Polen das Geld aus EU-Mitteln abzuziehen.

19.01.2022 – Noch immer weigert sich Polen den Braunkohleabbau im Tagebau Turów zu stoppen, weswegen die EU-Kommission nun anfängt die kumulierten Strafzahlungen in Millionenhöhe von EU-Mitteln abzuziehen, die Polen im Rahmen des EU-Haushaltes eigentlich zuständen. Polen hat dieses Vorgehen bereits akzeptiert.

Schon im Mai letzten Jahres hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen sofortigen Stopp des Tagebaus verfügt, bis das EuGH ein Urteil bezüglich der Klage Tschechiens wegen Umweltbeeinträchtigungen gegen den Braunkohletagebau auf polnischem Gebiet gefällt hat. Die polnische Regierung kam dem nicht nach, woraufhin der EuGH im September 2021 Strafzahlungen von 500.000 Euro an jedem Tag verhängte, an dem der Tagebau weiterbetrieben wird. Doch auch das ließ die polnische Regierung kalt, ebenso wie eine erste Aufforderung im November 2021, die bis dahin aufgestauten 25 Millionen Euro zu zahlen.

Inzwischen haben sich die Strafzahlungen auf 50 Millionen Euro angestaut und auch eine zweite Aufforderung der EU-Kommission ignorierte Polen, sodass die Kommission nun den Weg der entsprechenden Kürzung aus dem EU-Fonds beschreitet. Inklusive weiterer Strafzahlungen wegen fehlender Rechtsstaatlichkeit in Polen, haben sich sogar  Forderungen der EU gegenüber Polen von 134,5 Millionen angesammelt. Anna Cavazzini, von Bündnis 90/Die Grünen und sächsische Europaabgeordnete, weist daraufhin, dass dieses Vorgehen bislang einmalig in der Geschichte der EU sei. „Noch nie zuvor hat ein Mitgliedsstaat der EU dauerhaft die Zahlung von Strafgeldern verweigert“, so Cavazzini.

Piotr Müller, Regierungssprecher Polens, sagte gegenüber euractiv, dass die Energiesicherheit Polens an erster Stelle stehe und diese durch einen Stopp des Tagebaus Turów gefährdet sei. Polen könne sich geringere Zahlungen aus dem EU-Haushalt leisten, wenn Polen dadurch die Folgen der Schließung des Bergwerks vermeide, so Müller.

Eine Gefahr für die Menschen

Zugleich gefährdet der Bergbau aber weiter Häuser und Trinkwasserversorgung im Dreiländereck von Polen, Tschechien und Deutschland, wo sich der Tagebau befindet. Die Klage Tschechiens fußt auf erheblichen Umweltbeeinträchtigungen, die sich durch den Tagebau ergeben. Untersuchungen hatten ergeben, dass die für den Tagebau nötige Absenkung des Grundwasserspiegels zu Verlust von Trinkwasser in der angrenzenden tschechischen Region Liberec führt. Eine nach EU-Recht erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung in Zusammenarbeit mit betroffenen Nachbarstaaten ist laut tschechischer Anklage nicht vorhanden. Für den EuGH waren die Argumente stichhaltig genug, den sofortigen Stopp zum Schutz der Umwelt zu veranlassen, bis ein finales Urteil gefällt wird.

Die Absenkung des Grundwasserspiegels sorgt derweil auch auf deutschem Boden für Gefahren. In der sächsischen Grenzstadt Zittau werden größer werdende Risse in Häuserwänden gemeldet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Folge von Bodenabsenkungen aufgrund des sinkenden Grundwasserspiegels sind. Eine Studie im Auftrag der Frank Bold Society und Greenpeace belegt, dass Zittau innerhalb eines sogenannten Senktrichters des Tagebaus liegt. Ein neues Gutachten im Auftrag von Greenpeace an einem Haus in Zittau untermauert, dass die dortigen Schäden durch den Tagebau verursacht und andere Gründe ausgeschlossen werden können.

Auf die Steuerzahler:innen abgewälzt

Aus der polnischen Zivilgesellschaft gibt es ebenfalls Kritik. Katarzyna Guzek von Greenpeace Polen fürchtet, dass die fehlenden Zahlungen der EU auf die Steuerzahler:innen abgewälzt werden. Es werde künftig an Modernisierung und Entwicklung ganzer Städte fehlen. Guzek verweist dazu auf einen Beitrag der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, wonach EU-Gelder vielerorts für Kindergärten, Theatern Krankenhäusern und Verkehrsinfrastruktur gesorgt hätten.

Zusätzlich verweist Guzek auf geplante weitere Subventionen für den Bergbau, für die ebenfalls die Steuerzahler:innen aufkommen müssen. Dabei stelle die Energiegewinnung aus Kohle schon jetzt eine große finanzielle Belastung dar, die durch die fehlenden EU-Gelder nur noch teurer werde. Vielmehr müsse man jetzt den Strukturwandel in der Region angehen und für die Zukunft fit machen. Dafür würden auch neue EU-Gelder bereitgestellt.

Am Wochenende hatten Klimaaktivist:innen aus Deutschland, Tschechien und Polen gemeinsam am Tagebau Turów gegen den Braunkohleabbau demonstriert. Diese Woche sollen Verhandlungen zwischen Polen und Tschechien über eine außergerichtliche Einigung des Konflikts fortgeführt werden. Es geht unter anderem um Maßnahmen, die die Trinkwasserversorgung in Liberec nicht weiter gefährdet. Doch Menschen in der Region füchten, dass die tschechische Seite damit weitere nötige rechtliche Schritte verwirken könnte. mf


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Kommentare

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GabrielaLadusch@web.de 20.01.2022, 06:25:12

Ich sitze so mit meiner Meinung einsam zwischen den Stühlen. Leider ist Kohle noch über Jahre notwendig zur Stromerzeugung und es darf nicht Stromerzeugung für Polen verboten werden. Grundsätzlich müssen Länder, die kaum Steuern von Firmen nehmen und kaum Sozialsystem kennen, bekommen dann mal Druck aus Deutschland, da nicht nur Deutschland Windkrafträder und Solarmodulle haben darf und wenige Länder mit ihnen. Da kommt dann der Hammer

, EU-Gelder weniger.

Momentan ist alles schwierig, Olaf Scholz äußerste sich kürzlich im Fernsehen, nächstes Jahr keine EEG mehr haben zu wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so viele Anlagen schon stehen, die so effektiv sind, dass die Einspeisevergütung wegfallen kann. Fahre ich durch Brandenburg und Sachsen mit Bus oder Bahn, sehe ich zahlreiche Windkrafträder oder kleine Photovoltaikparks. Das darf nicht alles weggesägt werden, sieht auch nicht äußerst modern aus.

Das andere Extrem ist Haberneck, der kürzlich meinte, so auf jedes Gewerbedach muss eine Photovoltaikanlage.

Keine spricht mehr über Grundlast, keiner über große Speicher, die kaum vorhanden, schwankende Energien wie Wind und Sonne zu speichern.


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