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COP28Ringen um die Zukunft des Planeten im Öl-Staat

Auto mit Banner vor dem Emirates Stadion in London
Die Organisation Ekō protestierte letzte Woche mit Bannern vor dem Emirates-Stadium in London gegen den Namensgeber des Stadions. Die Fluggesellschaft Emirates ist in staatlicher Hand der Vereinigten Arabischen Emirate (Bild: Ekō, flickr, CC BY 2.0 Deed)

Ein Öl-Chef als COP-Präsident, eine schwierige Menschenrechtslage im Gastgeberland und eine fragile Weltpolitik, die kommende Klimakonferenz steht unter keinen guten Vorzeichen. Und doch gibt es Hoffnung.

27.11.2023 – Sie findet in einem schwierigen Umfeld statt, die kommende COP28, die nunmehr 28. Klimakonferenz, zu der sich seit 1995 jährlich die politischen Vertreter:innen von Staaten treffen, flankiert von vielfältigen Interessensgruppen, ob für Klimaschutz oder die fossile Wirtschaft. Schauplatz der diesjährigen COP, der Conference of the Parties, ist Dubai, in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Einem Staatenbund, der seinen Reichtum in den vergangenen Jahrzehnten auf den fossilen Brennstoffen Öl und Gas aufgebaut hat und noch immer immense Summen mit deren Export verdient.

Präsident der COP, die vom 30. November bis 12. Dezember stattfindet, ist in diesem Jahr Sultan Ahmed al-Jaber, Industrieminister der VAE und zugleich Chef der größten staatlichen Ölgesellschaft Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Der verkündete bei seiner Ernennung Anfang des Jahres: „Wir werden einen pragmatischen, realistischen und lösungsorientierten Ansatz einbringen, der transformative Fortschritte für das Klima und ein kohlenstoffarmes Wirtschaftswachstum ermöglicht.“ Ein kohlenstoffarmes Wachstum schließt den Verbrauch fossiler Brennstoffe nicht aus und steht im Einklang mit den viel kritisierten Beschlüssen der letzten beiden Klimakonferenzen in Glasgow und Ägypten. Aus einem Ausstieg (phase-out) aus der Kohleenergie, wurde ein Runterfahren (phase-down) und ein „phase-down“ aller fossiler Energien wurde gleich ganz verhindert.

David Ryfisch, Teamleiter für internationale Klimapolitik bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch, bescheinigt Sultan al-Jaber immerhin Fortschritte. „Der COP-Präsident hat sich über Jahr bewegt. Er hat durchaus Positionen für Erneuerbare Energien bezogen“, so Ryfisch. Zugleich propagiere er weiter falsche Lösungen. Al-Jaber will sich für eine Verdreifachung der globalen Kapazität an Erneuerbaren Energien bis 2030 einsetzen und eine Verdoppelung der Energieeffizienz. Aber er setzt sich auch vehement für sogenannte CCS-Technologien ein, der Abscheidung und Speicherung von CO2 aus der Förderung und Verbrennung fossiler Brennstoffe.

Offensichtlich will al-Jaber das eigene Geschäft mit Öl und Gas weiterführen können, mit einem vermeintlich grünen Anstrich. Viviane Raddatz, Leiterin Klima und Energie beim WWF, sagt: „Es kann eine eingeschränkte Rolle von CCS geben, dort wo Emissionen unvermeidbar sind. Aber nicht im Energiesektor. Dort muss vollständig auf Erneuerbare Energien gesetzt werden“ Zudem müsse allgemein die Elektrifizierung vorangetrieben werden, auch im Verkehr- und Wärmesektor. CCS, etwa in Form von blauen Wasserstoff, wird jedoch ein wichtiges Thema auf der COP sein, da sind sich Expert:innen von Umweltverbänden, wie auch aus der Wissenschaft sicher. Inzwischen wurden zudem Vorwürfe gegen Al-Jaber laut, er habe Treffen in seiner Eigenschaft als COP-Präsident im Vorfeld dazu genutzt Öl-Geschäfte mit anderen Staaten abzuschließen. ADNOC prüft des Weiteren den Kauf des höchst umstrittenen deutschen Öl- und Gas-Konzerns Wintershall Dea.

Zugleich wird der öffentliche Druck groß sein und die Vereinigten Arabischen Emirate möglicherweise gewillt für positive Schlagzeilen zu sorgen. Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Ökoinstitut, sagte bei einem Pressebriefing des Science Media Center: „Ich sehe den Druck der Klimakrise, dass die Staaten sich bewegen müssen. Es kann Chance und Hindernis sein, dass die COP in Dubai stattfindet. Der COP-Präsident muss liefern, ist aber zugleich eng mit der Öl-Wirtschaft verbandelt. Es ist noch sehr viel offen, was in den Verhandlungstext reinkommt und was nicht.“ Sabine Minninger, Referentin für Klimapolitik bei Brot für die Welt, hegt die Hoffnung, dass die VAE vor allem hohe finanzielle Zusagen zur Klimafinanzierung und den Loss and Damage Fonds machen, um in der Weltpresse in einem positiven Licht zu erscheinen.

Nachtrag 30.11: Zu Beginn der COP sagten die Vereinigten Arabischen Emirate gemeinsam mit Deutschland und weiteren Ländern rund 300 Millionen US-Dollar für den Loss and Damage Fonds zu. Minninger erklärte gegenüber dem Spiegel: "Es setzt die anderen großen Verursacher unter Druck, in den Fonds einzuzahlen. Jetzt haben die anderen Länder keine Ausrede mehr, sich vor einer finanziellen Ankündigung zu drücken." Besonders im Blick dabei: China, die USA und Saudi-Arabien. Die VAE sind der erste nicht Industriestaat im klassischen Sinne mit Zusagen zur Unterstzützung des Globalen Südens.

Zu wenig für den Globalen Süden

Das Ziel von jährlich 100 Milliarden US-Dollar, beschlossen auf der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen, wurde möglicherweise schon letztes Jahr erreicht und auch dieses Jahr eingehalten (genaue Berechnungen liegen noch nicht vor). Das Geld ist für die Länder des Globalen Südens gedacht für Klimaschutz, wie den Ausbau Erneuerbarer Energien, und Klimaanpassungsmaßnahmen. Geberländer sind die Industriestaaten des Globalen Nordens. Doch die  Mittel reichen längst nicht mehr aus. Zudem gründen zwei Drittel der öffentlichen Gelder auf Krediten, die die Schuldenlast der Empfängerländer erhöht. Die Vereinten Nationen beziffern die jährlich benötigten Mittel des Global Südens auf bis zu einer Billionen US-Dollar. Darin enthalten sind auch Mittel für Schäden und Verluste aufgrund der Klimakrise. Über eine Steigerung der Klimafinanzierung ab 2025 wird auf der COP28 voraussichtlich gerungen. Mehrere betroffene Staaten wollen das Thema auf die Tagesordnung heben, ebenso wie die Frage nach der Höhe der Mittel für den Loss and Damage Fonds.

Die grundsätzliche Einrichtung dieses Fonds wurde auf der letzten COP beschlossen. Nun muss der Topf gefüllt werden. Deutschland kündigte bereits auf der letzten COP an 170 Millionen Euro bereitzustellen. Doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Vereinten Nationen beziffern die jährlich benötigten Mittel für Klimaschäden in ärmeren Ländern auf 290 bis 580 Milliarden US-Dollar. „Es gilt neue Finanzquellen, wie etwa eine globale CO-Steuer, zu ermitteln und auf den Weg zu bringen“, so Jan Kowalzig von Oxfam. Eine wichtige Rolle könnte die Weltbank spielen, die Kredite künftig verstärkt an den Klimaschutz binden will. Auch soll das Kapital für die Klimafinanzierung, unter anderem mithilfe aus Deutschland, in den kommenden Jahren deutlich steigen.

Die Europäische Union will indes das Thema nachhaltiger globaler Finanzflüsse auf dieser COP anstoßen. Es geht darum Investitionen, Anleihen und Kredite für den Klimaschutz gegenüber fossilen Projekten deutlich zu stärken. Mit brauchbaren Ergebnissen rechnet Kowalzig auf dieser COP nicht. Klare Zusagen aller Geberländer für die Klimafinanzierung inklusive der für Schäden und Verluste ab 2025 werden wohl erst auf der COP29 nächstes Jahr getroffen. Zunächst gilt es darum, wer überhaupt Geberländer sind. Die Golfstaaten, wie Saudi Arabien oder auch die Vereinigten Arabischen Emirate, haben sich trotz Reichtum und hoher pro Kopf Emissionen bislang nicht bereit erklärt Mittel beizutragen. Das könnte sich zumindest bei den VAE ändern. Völlig offen ist, wie China sich bei dieser Frage verhalten wird. Industriestaaten drängen darauf, dass China, entsprechend hoher Emissionen und Wirtschaftskraft, einen gewichtigen Anteil leistet. Doch auch ein Industriestaat wie die USA ist angesichts der Klimakrise in der Pflicht höhere Zusagen zu leisten.

Ohne den in absoluten Zahlen größten Emittenten klimaschädlicher Gase geht nichts auf den Klimakonferenzen. Im Zuge des Taiwan-Konflikts herrschte lange eisige Stille zwischen den USA und China. Doch nicht erst seit einem kürzlichen Treffen zwischen den Staatschefs Joe Biden und Xi Jinping ist eine erneute Annäherung ersichtlich. Die Chef-Unterhändler der beiden Länder in Klimafragen, John Kerry und Xie Zhenhua, veröffentlichten Mitte November ein gemeinsames Memorandum, das „Sunnylands Statement“. Man wolle sich gemeinsam darum bemühen die globalen Emissionen, angesichts der alarmierenden Erkenntnissen der Klimakrise, nun rascher zu senken und dafür die nationalen Klimapläne schärfen. Auch soll neben CO2-Emissionen verstärkt der Ausstoß weiterer Treibhausgase wie Methan in den Blick genommen werden. Von Zusagen zur Klimafinanzierung findet sich in dem Statement jedoch nichts.

Verheerende globale Bestandsaufnahme

Die Überarbeitung nationaler Klimapläne, der sogenannten NDCs (englisch für Nationally Determined Contributions) ist wichtiger Bestandteil der diesjährigen COP. Es geht dabei um eine im Pariser Klimaabkommen vertraglich festgelegte Bestandsaufnahme – Global Stocktake genannt. In diesem Jahr müssen die Nationalstaaten Klimaschutzpläne ab 2025 vorlegen, mit dem Ziel festgelegter Treibhausgasreduktionen bis 2035.

Die bisherigen NDCs sehen festgelegte Einsparungen bis 2030 vor, verbindlich sind sie nicht. Und die Erreichung dieser Ziele sind in weiter Ferne, wie die Autor:innen die Autoren eines Berichts der UN zur globalen Bestandsaufnahme konstatieren. Demnach liegt die Einsparlücke aller Länder zusammen bei 20 bis 24 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent. das ist mehr als die Hälfte der aktuell jährlichen Emissionen weltweit. Zentrale Botschaft der Autor:innen: Die globalen Emissionen müssen spätestens 2025 dauerhaft sinken – und zwar massiv. Immerhin, eine Analyse von Carbon Brief ergab kürzlich, dass in China der Höchststand an jährlichen Emissionen nächstes Jahr erreicht seien könnte und dann sinkt.

Aber selbst wenn alle angekündigten Maßnahmen der Staaten umgesetzt würden, steuert die Welt weiterhin auf eine 2,5 Grad wärme Welt zu, wie mit dem „Emissions Gap Report 2023“ des UN-Umweltprogramms UNEP letzte Woche bekannt wurde. Mit einem Weiter-So in der Klimapolitik wären es sogar fast 3 Grad. Die Welt würde komplett aus den Fugen geraten. Um das 1,5 Grad Ziel oder zumindest eine Begrenzung auf unter 2 Grad globale Erwärmung zu erreichen, brauche es einen vollständigen globalen Ausstieg aus der Kohleenergie bis 2030 sowie aus Öl 2040 und 100 Prozent Erneuerbare Energien 2050, fordert Raddatz vom WWF.

Doch derzeit würden nur 9 Prozent der Länder einen Kohleausstieg planen und nur 4 Prozent einen Ausstieg aus fossilen Energien insgesamt. Raddatz unterstützt die Forderungen des COP-Präsidenten al-Jaber nach einer Verdreifachung der Erneuerbaren Kapazität und Verdoppelung der Energieeffizienz. Doch dafür brauche es erheblich mehr Geld. „Wir sprechen von 830 bis 1.300 Milliarden US-Dollar bis 2030“, so Raddatz, die zudem ein Ende fossiler Subventionen anmahnt, die sich global aktuell auf jährlich 1,4 Billionen US-Dollar belaufen. Reimund Schwarze, Professor am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, konstatiert: „Ich sehe die Gefahr, dass das Ganze eine Veranstaltung wird, die im Kern nichts voranbringt. Weil man sich auf bisherigen und künftigen NDCs ausruht, es braucht aber gemeinsame globale Ziele.“

Ohne Klimakonferenzen wäre es noch schlimmer

Dass die Klimakonferenzen aber grundsätzlich einen positiven Nutzen haben, da sind sich Schwarze und weitere Vertreter:innen aus der Wissenschaft sowie Umweltverbänden einig. „Ohne die Klimakonferenzen würden wir auf eine 4 bis 5 Grad wärme Welt zusteuern, sagt Martin Kaiser, Chef von Greenpeace, der zudem daran erinnert, dass in Paris 2015 trotz vieler Krisen, ein historisches Abkommen beschlossen wurde. Erst kurz zuvor starben in Paris 130 Menschen durch einen Terroranschlag und die Flüchtlingskrise infolge von Kriegen in Syrien, Afghanistan und Irak erreichte ihren Höhepunkt. Insbesondere der Nahost-Konflikt und der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, aber auch die prekäre Lage in Afghanistan und viele weitere Konfliktherde halten die Welt aktuell in Atem.

Die Missachtung von Menschenrechten ist zentraler Bestandteil vieler Konflikte. Um die ist es auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht gut bestellt. „Es gibt im Land keinen unabhängigen Klimaaktivismus“, sagt Susann Scherbath, Leiterin für Internationale Klimapolitik beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). NGOs sei es untersagt, sich in die Politik oder in Angelegenheiten einzumischen, die die Sicherheit des Staates und seines Herrschaftsbereiches beeinträchtigen. Bei geringster Kritik gebe es empfindliche Strafen seitens der Emirate. Scherbath glaubt nicht, dass es auf oder am Rande der COP größere Proteste geben wird. Man darf gespannt sein, wie Umweltverbände, Klimaaktivist:innen aber auch Politiker:innen aus demokratischen Ländern mit freier Meinungsäußerung in diesem Umfeld agieren werden. Manuel Grisard


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