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EnergiechartaRWE zieht Klage gegen Kohleausstieg der Niederlande zurück

Ein Windrad auf einem Feld, vor einem rauchenden Kohlekraftwerk
Zwar setzt RWE inzwischen vermehrt auf Erneuerbare Energien, wie die Windkraft, für das 2015 erbaute Kohlekraftwerk Eemshaven in den Niederlanden hätte RWE trotzdem gerne Entschädigungen für die frühzeitige Stilllegung gehabt (Bild: Zandcee - Own work, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Eine weitere Klage eines deutschen Konzerns im Rahmen des umstrittenen Energiecharta-Vertrages ist Geschichte. RWE will eine Klage gegen den Kohleausstieg der Niederlande nicht weiterverfolgen. Ganz freiwillig erscheint der Rückzug nicht.

03.11.2023 – Erst diese Woche wurde es durch ein Schreiben des geschäftsführenden Energieministers der Niederlande, Rob Jetten, bekannt. Bereits am 16. Oktober zog der deutsche Energiekonzern RWE seine Klage vor einem internationalen, privaten Schiedsgericht gegen die Niederlande zurück. Geklagt hatte RWE 2021 gegen den vorgezogenen Kohleausstieg der Niederlande bis 2030. Es ging um Schadensersatz von 1,4 bis weit über 2 Milliarden Euro, die der Energiekonzern für die politisch festgelegte, frühere Stilllegung seiner beiden Kohlekraftwerke in den Niederlanden – Eemshaven und Amer – forderte.

Die Klage beruht auf dem Energiecharta-Vertrag. Er ist ein Relikt aus der Zeit als ehemalige Ostblockstaaten für Investoren aus dem Westen interessant wurden. So wurde der Vertrag ursprünglich geschlossen, um Investitionen westlicher Konzerne in den ehemaligen Ostblockstaaten anzuregen und abzusichern. Investoren haben die Möglichkeit, Staaten vor eigens geschaffenen Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie enteignet werden. Als Enteignung gilt bereits, wenn ein Staat neue Regeln aufsetzt, die die Investitionsbedingungen verschlechtern.

Der Europäische Gerichtshof urteilte indes wenige Monate nach der Klage RWEs, dass der Energiecharta-Vertrag nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Konzerne aus EU-Mitgliedsstaaten dürften demnach keine Mitgliedsländer vor einem privaten Schiedsgericht auf Schadensersatz verklagen. Streitigkeiten zwischen Mitgliedsstaaten und deren Bewohner:innen – und damit auch von Unternehmen – seien alleine Sache nationaler Gerichte und des EuGH. Auch der Bundesgerichtshof (BHG) bestätigte in einem Verfahren im vergangenen Sommer die Unzulässigkeit privater Schiedsverfahren. Neben RWE hatte auch der deutsche Energiekonzern Uniper die Niederlande auf Schadensersatz verklagt. Nachdem der deutsche Staat das Unternehmen vor dem Konkurs in Sommer 2022 rettete, zog Uniper die Klage jedoch zurück.

„Reine Schadensbegrenzung“

Nun ging auch RWE eigenständig diesen Schritt. Das Schiedsverfahren selbst ruhte bereits seit einem Jahr, um die Entscheidung des BGH abzuwarten. Auf Anfrage der energiezukunft erklärte ein RWE-Sprecher nun, dass man angesichts der BGH-Beschlüsse keine andere Möglichkeit sehe als das laufende Schiedsgericht-Verfahren zu beenden. Der Energiekonzern erkennt die Entscheidung des BGH an.

Zu dem Vorgang sagte die Grünen Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger gegenüber der energiezukunft: „Die Entscheidung von RWE ist folgerichtig und gut. Sie ist aber kein Grund, plötzlich ein Klima-Gewissen bei dem fossilen Unternehmen zu sehen, sondern reine Schadensbegrenzung.“ Nach den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes, die Klagen auf Basis des ECT vor Schiedsgerichten als unzulässig erklären, bleibe RWE nicht viel übrig als ihre Klage zurückzuziehen. RWE sehe immerhin ein, dass das fossile Zeitalter zu Ende geht und versuche nun seine Verluste zu minimieren.

Weiter Klagen möglich

Henneberger, Abgeordnete aus dem rheinischen Revier, der Heimat RWEs, setzt sich seit Jahren für einen Ausstieg Deutschlands aus dem Energiecharta-Vertrag ein. Im Dezember werden Deutschland und weitere EU-Länder den Austritt vollziehen. Für vergangene Investitionen seitens Unternehmen verklagt werden, kann Deutschland jedoch weiterhin. Weitere Klagen gegen Deutschland auf Grundlage des Energiecharta-Vertrages wurden erst letzten Monat öffentlich. So der britische Raffineriebetreiber Klesch, der vor einem privaten Schiedsgericht die befristete Besteuerung von Zufallsgewinnen in der Energiekrise anklagt.

Das zweite Unternehmen ist der schweizerische Energiekonzern Azienda Elettrica Ticinese (AET), der nach Informationen der Organisation Power Shift, die Bundesrepublik wegen des deutschen Kohleausstiegs verklagt. AET ist mit 15 Prozent am Trianel-Steinkohlekraftwerk im nordrhein-westfälischen Lünen beteiligt, das 2032 stillgelegt werden soll. Trianel hatte im Rahmen des Bieterwettbewerbs keine Stillungsentschädigung erhalten. Man müsse mit anderen Staaten Wege finden Schiedsgerichtsklagen in sensiblen Bereichen wie der Energiewende grundsätzlich auszuschließen, so Power Shift.

Deren Experte für Handels- und Investitionspolitik, Fabian Flues, sagte weiter: „Wenn demokratische Entscheidungsprozesse und öffentliche Gerichte umgangen werden, müssen Staaten sich wehren. Die Ampel hat im Koalitionsvertrag versprochen, Schiedsgerichtsklagen deutlich einzuschränken. Nach dem wichtigen Ausstieg Deutschlands aus dem Energiecharta-Vertrag, muss sie jetzt nachlegen.“ Der deutsche Energiekonzern RWE hat indes offensichtlich noch nicht komplett aufgegeben, Schadensersatz für den Kohleausstieg in den Niederlanden zu erhalten. Vor einem staatlichen Gericht in Den Haag läuft weiter ein Berufungsverfahren, nachdem das Gericht vor einem Jahr entschieden hatte, dass RWE kein Anspruch auf Entschädigung zusteht. In dem Berufungsverfahren bezieht sich RWE weiter auf den Investitionsschutz nach dem Energiecharta-Vertrag. Manuel Grisard


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