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Oder-KatastropheFlusslandschaft Oder weiter ungenügend geschützt

Fluss mit Niedrigwasser und Buhnen bei Frankfurt Oder
Bei Niedrigwasser und hohen Temperaturen droht am Fluss Oder eine Wiederholung des Szenarios vom letzten Sommer. (Foto: Sicherlich auf Wikimedia / CC BY-SA 3.0)

Die Umweltkatastrophe an der Oder könnte sich fortsetzen. Die für Fische und Weichtiere gefährliche Goldalge ist im gesamten Flussverlauf vorhanden. Es gibt nur wenig Spielraum für eindämmende Maßnahmen.

05.04.2023 – Das massenhafte Fischsterben in der Oder war eine der größten Umweltkatastrophen vor unserer Haustür. Inzwischen herrscht Einigkeit über die Ursachen: Eine Kombination aus Einleitungen, niedrigem Wasserstand und hohen Temperaturen hat das Wachstum der Goldalge befördert, die im Blühstadium für Fische und Weichtiere giftige Substanzen absondert. Wahrscheinlich waren auch Flussbauarbeiten auf polnischer Seite eine Zutat im Gefahrencocktail.

Es ist leicht zu verstehen: Dieses Szenario kann sich in diesem Sommer wiederholen. Ein engmaschiges Warnsystem allein reicht nicht, ist die Brandenburger Landtagsabgeordnete Sahra Damus (Bündnis 90/Die Grünen) überzeugt: „Wenn das Warnsystem greift, ist es eigentlich schon zu spät. Wir brauchen Maßnahmen, die den hohen Salzgehalt verhindern. Einleitungen müssen massiv reduziert oder gestoppt werden. Das jedoch können Unternehmen nicht von heute auf morgen leisten. Was jetzt am dringendsten gebraucht wird, wären Rückhaltebecken auf polnischer Seite, wo Abwässer zwischengelagert werden können, um sie nur bei hohen Wasserständen und niedrigen Temperaturen abgelassen werden.“

Greenpeace ermittelt zwei Hauptverursacher

Schon kurz nach der Katastrophe hatte sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace aktiv an der Aufklärung beteiligt. Inzwischen führte Greenpeace weitere Messungen und Proben in Nebenflüssen und Seitenarmen der Oder durch und kam der Herkunft der extrem hohen Salzfrachten auf die Spur. In einem Bericht benennt die Organisation die Schuldigen: zwei Kohlebergwerke, die verschiedenen Unternehmen gehören. Beide leiten über Nebenflüsse Abwässer in die Oder. „Die Unternehmen bestreiten die Einleitungen nicht und berufen sich auf dafür vorliegende Genehmigungen“, berichtete Nina Noelle von Greenpeace Deutschland auf der Konferenz zur Zukunft der Oder Ende März in Frankfurt/Oder. Die Einleitungen von Chloriden und Sulfiten aus der Bergbauindustrie müssten dringend gestoppt werden, erteilte Genehmigungen zurückgezogen und neu gefasst werden, so Noelles dringender Appell.

Es herrscht Einigkeit darüber, dass die hohen Salzfrachten auf polnischer Seite eingebracht wurden. Bereits kurz nach dem Fischsterben konnten Messungen des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) diese Vermutung belegen. Wirksame Maßnahmen dagegen sind bisher nicht bekannt geworden.

Die Grünenpolitikerin Damus zeigt sich unzufrieden, da vor allem auf polnischer Seite zu wenig passiere: „Uns sind die Hände gebunden, wenn die polnische Seite nicht vollständig aufklärt und auch kaum etwas unternimmt, um die Einleitungen zu mindern. Wir wissen ja, dass es das Salz ist.“

Dreistufiges Warnsystem auf polnischer Seite

Ganz untätig ist die polnische Seite nicht. Die Ministerin für Klima und Umwelt Anna Moskwa traf sich am 23. März 203 in Kattowitz mit den Marschallen der fünf Oderprovinzen, um die aktuelle Situation an der Oder zu besprechen. Ein dreistufiges Warnsystem soll eingeführt werden und damit mögliche Goldalgenblüten so früh wie möglich erkannt werden. Zudem sähen die Experten auch einen Zusammenhang mit Stickstoff und Phosphor, Biogene die im häuslichen Abwasser zu finden sind. Deshalb werden die Inspektionen auch die Einleitungen der Wasser- und Abwasserunternehmen prüfen.

Parallel erforschen Wissenschaftler intensiv das Wachstum und die Blüte der Goldalge. Denn bis heute gibt es Wissenslücken: Es ist nicht vollständig klar, welche Umweltbedingungen und welche Substanzen die Bildung des Toxins der Goldalge anregen. Ziel ist es, die Blüte der Alge stoppen zu können.

Die Woiwodschaften entlang der Oder wollen ebenfalls handeln, versicherte die Marschallin der Woiwodschaft Lubuskie (Lebus) Elżbieta Anna Polak. Die Anstrengungen richten sich auf Renaturierung der Oder und die Einwerbung entsprechender Gelder. Zudem sollen 20 Messstationen entstehen.

Brandenburg überprüft Genehmigungen zur Einleitung

Der brandenburgische Umwelt- und Klimaschutzminister Axel Vogel sieht in der gebildeten deutsch-polnischen Forschungskooperation ein wichtiges Werkzeug, um das Ökosystem Oder besser zu verstehen und zu schützen. Aber auch ganz praktische Schritte unternimmt das Land Brandenburg: So soll ein weiteres Daphnien-Toximeter am Eintrittspunkt der Oder auf deutschem Gebiet errichtet werden. In Daphnien-Messstationen wird anhand von Wasserflöhen die Qualität des Wassers beurteilt. Bisher gibt es eine solche Messstation in Hohenwutzen, was für die Problemlage nicht der optimale Standort ist.

Der Minister verweist auf die öffentlich einsehbaren Messwerte an der Messtation Hohenwutzen. Dort wird auch die Leitfähigkeit – ein Indikator für den Salzgehalt des Wassers – kontinuierlich überwacht. „Wir können wenig ausrichten. Wenn die Temperaturen hoch sind, die Salzfracht kommt und die Konzentrationen aufgrund von Niedrigwasser ebenfalls steigen, können wir eigentlich nur die Auswirkungen bekämpfen“, konstatierte der Minister auf der Konferenz zur Zukunft der Oder. Dennoch sollen auch die Genehmigungen für Einleitungen auf deutscher Seite alle überprüft und wenn notwendig angepasst werden. Doch wirklich viel ausrichten könne man damit nicht – der Anteil deutscher Einleitungen ist minimal.

Schlechte Nachrichten für den Nationalpark Unteres Odertal

Für den Nationalpark Unteres Odertal weisen die nach wie vor bestehenden Risiken in eine düstere Zukunft. Der Leiter des Nationalparks Unteres Odertal ist entsprechend sehr besorgt. Gegenüber dem NDR sagte Dirk Treichel: „Die Goldalge ist da, wir haben nach wie vor die hohen Salzgehalte und die Temperatur wird im Sommer ansteigen. Dann droht eine Wiederholung des Szenarios vom letzten Sommer. Wahrscheinlich mit viel weniger toten Fischen, weil kaum noch Fische da sind.“

Es werde Jahrzehnte dauern, bis das Leben im Fluss Vor-Katstrophen-Niveau erreiche. Von den im Fluss lebenden Fischen seien aktuell nur drei Prozent groß genug, um sich fortzupflanzen. Vor der Katastrophe waren es deutlich über 40 Prozent. Treichel spricht von einem totalen Zusammenbruch des Bestandes und verweist auf einen ähnlich katastrophalen Zustand bei den Großmuscheln. Petra Franke


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