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LEAGTagebaufolgekosten weiterhin ungesichert

Kohlebagger im Nebel
Ob die LEAG für die Rekultivierung der Tagebaue in der Lausitz aufkommen kann, ist aus mehreren Gründen nicht sicher geklärt. (Bild: Günther Hertwig, pixabay, Public Domain)

Für die LEAG läuft es aktuell gut. In Jänschwalde darf weiter Kohle gefördert werden und hohe Strompreise sorgen für ein profitables Geschäft. Doch ob der Bergbaubetreiber für die Rekultivierung der Tagebaue aufkommen kann, ist weiterhin unsicher.

13.05.2022 – Nachdem das Verwaltungsgericht Cottbus Mitte März den Umweltverbänden Grüne Liga und Deutsche Umwelthilfe recht gab, kündigte die LEAG eine Beschwerde vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges an. Der von den Umweltverbänden geforderte und vom Gericht bestätigte Stopp des Braunkohletagebaus Jänschwalde aufgrund zu hoher Wasserentnahme, bedrohe die Versorgungssicherheit in Deutschland, weshalb der Weiterbetrieb der Tagebaue zur Versorgung der Kohlekraftwerke in der Lausitz wichtig sei. Am Donnerstag den 05. Mai gab das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Beschwerde statt. Die LEAG darf vorerst im Tagebau Jänschwalde weiter Kohle fördern.

Für die Umweltverbände ein Rückschlag, der sie nun auf das anstehende Hauptverfahren blicken lässt, bei dem endgültig entschieden werden soll, ob der Tagebau Jänschwalde aufgrund zu hoher Wasserentnahme rechtswidrig betrieben wird. Für die LEAG – die die Tagebaue als Lausitz Energie Bergbau AG betreibt und die Kraftwerke als Lausitz Energie Kraftwerke AG – ist der Weiterbetrieb ein Gewinn, denn die aktuell hohen Strompreise, sorgen für ein profitables Geschäft mit der Kohleverstromung.

Nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine stiegen die Strompreise deutlich an. Ungewöhnlich wenig Windkraft zu Jahresbeginn 2021, sorgte bereits zu einer vermehrten Einspeisung von Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken. Strom, der im Zuge des gestiegenen CO2-Preises im Europäischen Emissionshandel deutlich teurer war. Zudem sorgte der kalte Winter für einen erhöhten Gasbedarf zur Wärmeversorgung. Gaslagerbestände sanken, die im Sommer nicht wie sonst aufgefüllt wurden, da Gas auch zu diesem Zeitpunkt ungewöhnlich teuer war. Grund war der hohe Bedarf an Gas, vor allem in weiten Teilen Asiens, wo die Wirtschaft infolge der Coronapandemie besonders große Zuwächse verzeichnete.

Doppelter Gewinn für die LEAG

Im bestehenden Strompreissystem setzen die mit Gas und Kohle betriebenen Grundlastkraftwerke die Preise. Eine Umgestaltung des Strommarkts wird angemahnt. Teures Gas sorgt auch vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine weiterhin für hohe Preise zur Strombeschaffung an der entsprechenden Strombörse in Leipzig. Für die LEAG ein doppelter Gewinn. Zum einen können sie ihren Kohlestrom teurer verkaufen, zum anderen ist die Nachfrage nach Energie aus der Verbrennung von Kohle deutlich höher seit Gas knapp ist. Das Wissen auch LEAG-Beschäftigte und fordern über die Gewerkschaft IG BCE sieben Prozent mehr Lohn und zusätzliche bezahlte Freistellungstage. Ein bisheriges Angebot der LEAG lehnten die Gewerkschafter:innen ab. Anfang Mai gab es den ersten Warnstreik.

Mitte März dieses Jahres sorgten die hohen Strompreise aber auch dafür, dass die LEAG kurzfristig in Zahlungsschwierigkeiten geriet und über die KfW-Bank einen Kredit in Höhe von 5,5 Milliarden Euro aufnehmen musste. Energiekonzerne verkaufen ihren Strom meist langfristig, zu garantierten Preisen, an die Abnehmer:innen. Für kurzfristig steigende Strompreise müssen die Konzerne Sicherheitsleistungen hinterlegen, um die Differenz zwischen aktuellen Strompreis und zuvor in langfristigen Verträgen angenommen Strompreis leisten zu können. Der stark angestiegene Strompreis überstieg jedoch die Sicherheitsleistungen der LEAG bei weitem, sodass die KfW einspringen musste.

Bei einem Treffen der Erneuerbaren Energien-Branche in Berlin und Brandenburg erklärte LEAG-Vorstand Andreas Huck dies jedoch zu einem normalen Vorgang. In der Politik gebe es inzwischen einen 100 Milliarden Euro Topf, um genau für solche Fälle Absicherungen zu leisten. „Kurzfristige Liquidität hat nichts mit Profitabilität zu tun. Und wir sind heute als LEAG sehr profitabel aufgestellt“, so Huck. Auch die Energieexpertin Isabell Schrems vom Thinktank Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) sieht die LEAG, trotz des Milliardenkredits, aktuell im profitablen Bereich.

„Meine Einschätzung ist, dass es für die Kohle aktuell tatsächlich besser aussieht als noch 2019“, sagt Schrems gegenüber energiezukunft. Im November 2019 veröffentlichte die FÖS eine Analyse auf Grundlage von Daten des Thinktanks Sandbag, wonach Kraftwerksblöcke zuvor nicht mehr wirtschaftlich betrieben wurden und hohe Verluste einfuhren. Dafür sorgte unter anderem der steigende CO2-Preis im Europäischen Emissionshandel, sowie hohe Einspeiseraten von Wind- und Solarenergie. Verluste, die in den Rückstellungen der LEAG für die Braunkohlefolgekosten nicht vorgesehen waren.

Für die Allgemeinheit wieder nutzbar machen

Die LEAG ist gesetzlich verpflichtet, Tagebaue nach deren Schließung, mit verschiedenen Rekultivierungsmaßnahmen, wieder für die Allgemeinheit nutzbar zu machen. Schätzungen des Brandenburger Ministeriums für Wirtschaft und Energie zufolge betragen die Rekultivierungskosten rund drei Milliarden Euro. Damit die LEAG dies in Zukunft leisten kann, hat sie mit den Ländern Brandenburg und Sachsen Vorsorge auf zwei Ebenen geschaffen. Zum einen gibt es Rückstellungen aus dem Kohlegeschäft, zum anderen Vorsorgegesellschaften, in die Sondervermögen gezahlt werden, die sich etwa aus neuen Geschäftsaktivitäten der LEAG ergeben. Neben Unternehmen in der Region, investiert die LEAG inzwischen vermehrt ins Erneuerbare Energien Geschäft. Das Sondervermögen soll die Wiedernutzbarmachungspflichten für die Tagebaue finanziell absichern. Zudem würden Wirtschaftsprüfer:innen die Rückstellungen regelmäßig Prüfen und bei einer Insolvenz hätten die Länder Brandenburg und Sachsen Zugriff auf das Sondervermögen, wie die LEAG auf Anfrage der energiezukunft mitteilt.

Beim Sondervermögen rechnet die LEAG auch mit den 1,75 Milliarden Euro aus dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes. Diese Summe hatte die Große Koalition für entgangene Gewinne, aufgrund des gesetzlich vorgeschriebenen Kohleausstiegs 2038 und für die Finanzierung von Tagebaufolgekosten bewilligt. Wissenschaftler:innen bescheinigten den Zahlungen eine hohe Unverhältnismäßigkeit. Und die EU-Kommission äußert ebenfalls erhebliche Zweifel. Wenn staatliche Mittel an bestimmte Unternehmen fließen, muss die Europäische Union dies prüfen und genehmigen, um marktverzerrende Vorteile auszuschließen.

Nach dem sogenannten EU-Beihilferecht genehmigte die EU-Kommission Ende letzten Jahres Entschädigungen für Steinkohle und kleinere Braunkohlekraftwerke. Für die werden Auktionsrunden durchgeführt, bei denen sich Kraftwerksbetreiber für Entschädigungen bewerben können. Die festgelegten Entschädigungszahlungen für die großen Kohlekraftwerke der LEAG – wie auch RWEs – jedoch halten dem EU-Beihilferecht möglicherweise nicht stand. In der Begründung äußerte die EU-Kommission Ende 2020 erhebliche Zweifel an der Berechnungsgrundlage der Zahlungen und leitete ein förmliches Prüfverfahren ein. Demnach würden die Annahmen der Großen Koalition zur prognostizierten Laufzeit und Wirtschaftlichkeit der Kohlekraftwerke nicht mit der Realität auf dem Energiemarkt und in der Klimapolitik übereinstimmen. Eine Entscheidung seitens der EU-Kommission ist noch nicht gefallen.

Ungeklärte Fragen

Inwieweit eine mögliche Verweigerung der 1,75 Milliarden Euro Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit der Rekultivierungsmaßnahmen haben könnte, dazu wollte sich die LEAG auf Anfrage nicht äußern. Ebenso wenig wie zu der Frage, welche Auswirkungen ein vorgezogener Kohleausstieg 2030 auf die Zahlungsfähigkeit habe. Auch zur weiteren Entwicklung des CO2-Preises im Europäischen Emissionshandel und möglichen Auswirkungen auf die Rentabilität der Kohleverstromung erklärte ein Pressesprecher der LEAG, dass man sich an Spekulationen zu möglichen politischen Entscheidungen oder Preisentwicklungen nicht beteiligen möchte.

Isabell Schrems vom FÖS fordert von der LEAG deutlich mehr Transparenz. Gerade weil die LEAG sich auf Geschäftsgeheimnisse berufe und Dokumente nicht offenlege, sei die Zahlungsfähigkeit für die Rekultivierung der Tagebaue mit großen Unsicherheiten behaftet. Die FÖS untersucht aktuell was ein vorgezogener Kohleausstieg 2030 für die LEAG bedeuten würde. Mit Ergebnissen ist im Juni zu rechnen. Neben einem früheren Ende der Kohleverstromung, könnten auch Energiewende und der Europäische Emissionshandel wieder dazu führen, dass die Kohleverstromung unrentabel wird. Berechnungen des Öko-Instituts und Agora Energiewende von Anfang dieses Jahres zufolge, wird der Druck auf Braunkohlenkraftwerke spätestens ab 2024 erneut deutlich zunehmen. Der Anstieg der CO₂-Preise habe bewirkt, dass viele Braunkohlenkraftwerke ihre Betriebskosten perspektivisch nicht mehr decken können.

„Die Gesamtschau zeigt, dass Braunkohlekraftwerke bei CO₂-Preisen über 60 Euro pro Tonne ihre Fixkosten nicht decken können, wenn sich die Erdgas- und Steinkohlepreise wieder auf das übliche Niveau einstellen“, erläuterte Hauke Hermann, Energieexperte am Öko-Institut. „Daher ist davon auszugehen, dass die Stilllegungsanreize für Braunkohlekraftwerke ab Mitte der 2020er Jahre massiv zunehmen werden.“ Die im Koalitionsvertrag genannten Regelungen, über die der CO₂-Preis bei mindestens 60 Euro liegen soll, würden diesen Prozess flankieren.

Der Braunkohlenexperte der Grünen Liga, René Schuster, bezweifelt, dass die getroffenen Vorsorgen der LEAG für die Rekultivierung der Tagebaue sicher sind. Er kritisiert, dass für alle vier laufenden Tagebaue noch keine Abschlussbetriebspläne und entsprechende Zulassungen vorliegen, aus denen sich erschließen würde, für welche Rekultivierungsmaßnahmen der Energiekonzern verantwortlich seien wird. Beim bislang einzigen LEAG-Tagebau, für den ein Abschlussbetriebsplan vorliegt, dem ehemaligen Tagebau Cottbus-Nord, zeigen sich bereits Unsicherheiten, ob die LEAG für alle Folgekosten aufkommen wird. Unter Rekultivierungsmaßnahmen würden die Bergleute vor allem das verstehen, was zur Herstellung der Flutungsbereitschaft notwendig ist, insbesondere das Abschrägen und Verdichten von Uferbereichen, sagt Schuster gegenüber der energiezukunft.

Der ehemalige Tagebau wird derzeit geflutet und soll einmal zur sogenannten Cottbuser Ostsee werden. Ein riesiger Flächensee, mit der Gefahr hoher Verdunstungsverluste, für die die Allgemeinheit aufkommen müsste, so Schuster. Aufgrund der zunehmenden Wasserknappheit im Osten Deutschlands steht die Flutung von Tagebauen auf dem Prüfstand. Der Landtag Brandenburgs beschloss im letzten Jahr „darauf hinzuwirken, dass die neu entstehenden Tagebauseen hinsichtlich ihrer Größe, Lage und Form möglichst geringe Verdunstungsverluste aufweisen“.

Inwieweit die Rekultivierung des Tagebaus Cottbus-Nord davon betroffen seien wird, ist noch offen. Wegen Wassermangels stockte die Flutung in der Vergangenheit. Aktuell verlaufe die Flutung jedoch planmäßig, wie die LEAG mitteilt. Es bestehe kein Wassermangel, der eine Unterbrechung der Flutung erfordern würde. Abgesehen davon hätte eine Verzögerung der Flutung keinen Einfluss auf die Kosten von Rekultivierungsmaßnahmen, die davon unabhängig umgesetzt würden. Der bisherige Jahresverlauf 2022 indes, war in Brandenburg wieder deutlich zu trocken und heißer als im langjährigen Mittel. Die Gefahr einer weiteren Verzögerung der Flutung nahe Cottbus steigt wieder, ebenso wie die Verdunstungsverluste. Das Risiko besteht, dass die Kosten die Allgemeinheit trägt. Ohne eine Cottbuser Ostsee könnte die LEAG zudem nicht ihr Erneuerbare Energien-Projekt für eine schwimmende Photovoltaik-Anlage auf dem See umsetzen. Die fehlenden Einnahmen könnten im Sondervermögen des Energiekonzerns für die Rekultivierung der Tagebaue fehlen. Manuel Först


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