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Power-to-XWasserstoff ist wichtig, aber nicht das Erdöl von morgen

Wasserstoff wird in etlichen Jahren ein wichtiger Energieträger werden, aber kein „Erdöl von morgen“: Brennstoffzellen-Autos und Wasserstofftankstellen werden sich kaum durchsetzen.
Wasserstoff wird in etlichen Jahren ein wichtiger Energieträger werden, aber kein „Erdöl von morgen“: Brennstoffzellen-Autos und Wasserstofftankstellen werden sich kaum durchsetzen. (Foto: © Bexim, Wikimedia.Commons, CC BY-SA 4.0)

Ohne Wasserstoff kann die Energiewende nicht gelingen, sagen Experten. Doch das „Erdöl von morgen“ ist der Stoff nicht und für den Einsatz in Autos viel zu ineffizient. Erst in etlichen Jahren könnten Power-to-X-Stoffe eine wichtige Rolle einnehmen.

22.11.2019 – Wasserstoff ist derzeit einer der heiß gehandelten Begriffe in der Energiebranche. Grüner Wasserstoff, blauer Wasserstoff, eine Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung – die Möglichkeiten des chemischen Elements mit dem Symbol H geistern durch das politische Berlin.

Wasserstoff ist das neue Öl, munkeln einige. Mit Strom hergestellte Energieträger, in Fachkreisen Power-to-X genannt, gelten in der Branche schon lange als eine unverzichtbare Zukunftstechnologie. Doch wie wird Wasserstoff erzeugt und was kann der Stoff für Energiewende und Klimaschutz bewirken?

Nur mit Ökostrom wird Wasserstoff grün

Wasserstoff ist ein Energieträger, mit dessen Hilfe man Energie speichern und transportieren kann. Er ist eine Sekundärenergie für dessen Herstellung Primärenergie benötigt wird. Nutzt man für die Herstellung konventionelle Energien, also etwa Strom aus Atom-, Kohle- oder Gaskraftwerken ist Umwelt und Klima nicht geholfen. Nur mit Ökostrom, im besten Falle überschüssigem Strom aus Wind- und Solaranlagen, wird Wasserstoff zu einem Instrument für Energiewende und Klimaschutz.

Die am weitesten entwickelte Herstellung von Wasserstoff ist die Elektrolyse, bei der Wasser (H2O) unter Einsatz von Strom in die Bestandteile Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2) zerlegt wird. Ein weiteres etabliertes Verfahren nennt sich Reformierung, bei dem Wasserstoff meist aus Erdgas erzeugt wird. Dabei entsteht H2 als Nebenprodukt in Prozessen der chemischen Industrie und wird dort größtenteils wieder verbraucht.

Wasserstoff ist vielseitig einsetzbar…

Wasserstoff lässt sich als Energieträger relativ leicht transportieren und speichern, in flüssiger Form oder unter hohem Druck. Zudem lassen sich Folgeprodukte aus Wasserstoff herstellen, meist zusammen mit CO2: Synthetische Kraftstoffe zum Beispiel, mit denen Verbrennungsmotoren angetrieben werden können. Diesel und Kerosin aus dem Labor statt der Erde also.

Doch darin liegt eine Gefahr, nämlich, dass CO2-Emissionen nur verlagert werden: „Wenn strombasierte Energieträger zur Nutzung im Verkehr beispielsweise mit klimaschädlichen Industrieabgasen erstellt werden, entstehen weiterhin Treibhausgasemissionen – in diesem Fall nur am Autoauspuff statt am Industrieschornstein“, warnt der Umweltverband BUND. Wird das CO2 allerdings nicht aus Kraftwerken oder Industrieanlagen, sondern direkt aus der Luft entzogen, stimmt die Emissionsbilanz. Doch das ist teuer und wenig effizient.

… mit hohen Umwandlungsverlusten

Ein weiteres Problem: Sowohl bei der Herstellung von Wasserstoff als auch synthetischer Kraftstoffe geht viel Energie verloren, die Umwandlungsverluste sind hoch, der Wirkungsgrad niedrig. So benötigt etwa ein Brennstoffzellen-Pkw, angetrieben durch Wasserstoff, die doppelte Menge Primärstrom verglichen mit einem Elektro-Pkw. „Es lässt sich bei gleichem Stromeinsatz nur eine etwa halb so lange Strecke zurücklegen“, schreibt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in einem Gutachten. Und das ist noch konservativ gerechnet. Andere Experten gehen von größeren Unterschieden aus.

Zusätzliche Verluste gegenüber einer direkten Elektrifizierung treten außerdem auf:

  • bei der Elektrolyse zur Wasserstoffgewinnung,
  • beim Transport des Wasserstoffs und der Verdich­tung auf Tankstellendruck,
  • bei der Rückverstromung in der Brennstoffzelle.

Wasserstoff ist nur dort sinnvoll, wo Ökostrom nicht weiterhilft

„Die Nutzung von synthetischen Kraftstoffen sollte auf jene Einsatzfelder beschränkt werden, die für eine direkte Elektrifizierung (und ggf. den Einsatz von Brennstoffzellen) ungeeignet sind“, schreibt der SRU.

Das bestätigt, das Öko-Institut, das sich jüngst mit einem umfassenden Hintergrundbericht um strombasierte Energieträger in die Debatte einmischte. Power-to-X-Stoffe wie Wasserstoff sollten nur in den Sektoren eingesetzt werden, die ihren Energiebedarf nicht oder nur schwer mit der direkten Nutzung von Ökostrom decken können, folgert das Institut. Die meisten Experten sind sich einig: In Lkw, Schiffen, Flugzeugen und einigen Industrieprozessen macht der Einsatz Sinn, für den Rest ist Ökostrom die billigere und effizientere Variante. Auch als Energiespeicher für den schwankenden Wind- und Solarstrom sind Power-to-X-Stoffe in einer späteren Phase der Energiewende sinnvoll.

Umweltverbände fürchten zu frühen Einsatz

Erst ab 2030 ergebe der Einsatz von Power-to-X-Stoffen wie Wasserstoff Sinn, sagt das Öko-Institut. „Um die Klimaschutzziele kostengünstig zu erreichen, sollten zuerst alle Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs wie die Dämmung von Gebäuden oder die direkte Nutzung von Strom in Elektrofahrzeugen ergriffen werden“, betont Christoph Heinemann, Energieexperte am Öko-Institut.

An anderer Stelle schätzen die Experten, dass die Umwandlung von Strom in Power-to-X-Stoffe aus Klimaschutzsicht erst Vorteile hat, wenn der Strom zu mindestens 75 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammt. Ansonsten könnten die Emissionen höher liegen als heute bei Kohle, Öl oder Erdgas.

Ist Wasserstoff das Erdöl von morgen?

Power-to-X ist ein wichtiger Baustein zur deutschen Treibhausgasneutralität, sagt das Bundesumweltministerium und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier fordert: „Deutschland soll bei Wasserstofftechnologien Nummer 1 in der Welt werden.“ Im Bundesforschungsministerium heißt es gar: „Grüner Wasserstoff ist das Erdöl von morgen.“

Das sehen Umweltverbände und Energieexperten weniger euphorisch. Natürlich sei der Einsatz sinnvoll, aber begrenzter als Erdöl und erst, wenn andere Potenziale ausgeschöpft seien. Es müsse zudem klare Nachhaltigkeitsregeln für den Einsatz geben, fordert der BUND. Das Öko-Institut warnt: „Die Technologie erlöst uns nicht davon, Energie im Strom-, Verkehrs-, Gebäude- und Industriesektor einzusparen.“

Auch die Denkfabrik Agora Energiewende kommt zu dem Ergebnis: „Synthetische Brennstoffe werden eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung von Chemie, Industrie und Teilen des Verkehrs spielen.“ Da Power-to-X-Stoffe aber immer teurer sein werde als direkt genutzter Strom, bleibe offen, wie groß ihre Bedeutung in anderen Sektoren sein wird. Der große Nachteil sei die geringe Energieeffizienz.

Mehr als Pilotprojekte gibt es kaum

Bis zur globalen Marktreife von Power-to-X-Stoffen ist es noch ein weiter Weg, derzeit gibt es kaum mehr als einige Pilotanlagen. Für einen Markthochlauf müssten laut Bundesregierung noch „signifikante Effizienzsteigerungen“ erreicht werden und die Technologie verstärkt auf die politische Agenda gehoben werden. Gerade an letzterem arbeitet die Bundesregierung seit Monaten.

Ob Wirtschafts-, Forschungs- oder Umweltministerium, alle verfolgen das Ziel mit unterschiedlichen Programmen wie einer Nationalen Wasserstoffstrategie, einem Aktionsprogramm Power-to-X oder dem Dialogprozess „Gas 2030“. Immerhin hat das Öko-Institut eine Zahl in den Raum gestellt, wohin die Reise gehen soll: „In einem fast treibhausgasneutralen Energiesystem im Jahr 2050 werden in Deutschland voraussichtlich mehrere Hundert Terawattstunden an Power-to-X-Stoffen benötigt“, schreiben die Experten. Clemens Weiß


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