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Klimaschutz im GebäudesektorBeton verhagelt die Klimabilanz

Grünes Blatt einer Pflanze dringt durch Zementschicht
Zementierte Welt – die Natur holt sich ihren Raum zurück. (Foto: Foto Garage AG von Pexels)

Gebäude sollen laut Gesetz immer energieeffizienter werden. Doch die Klimabilanz der eingesetzten Baumaterialien wird oft viel zu wenig beleuchtet. Dabei wäre für einen besseren Klimaschutz ein Wandel in der Beton- und Zementindustrie notwendig.

17.04.2019 – Wohnungsnot in den Ballungsräumen, der Ruf nach Neubau wird immer lauter – doch im Hinblick auf den Klimaschutz sollte nachhaltig geprüft werden, wieviel Neubau denn jetzt wirklich notwendig und sinnvoll ist. Weltweit entstehen zudem Büro- und Hotelhochhäuser aus Glas und Beton mit einem enormen Flächenverbrauch, Versiegelung und Ressourcenverbrauch. Acht Prozent der Treibhausgasemissionen weltweit gehen allein auf die Zementherstellung zurück. Der WWF Deutschland hat analysiert, wo die Treibhaugasemissionen entstehen und wie sie reduziert werden können. „Der Gebäudesektor ist ein Sorgenkind des Klimaschutzes“, bewertet Michael Schäfer, Leiter Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland, die Lage. „Nicht nur der Betrieb mit Heizen und Kühlen zerrt an Deutschlands Klimabilanz, auch die verwendeten Materialien hinterlassen derzeit noch einen sehr tiefen Klimafußabdruck.“

Laut Klimaschutzplan der Bundesregierung soll der Gebäudebestand bis 2050 nahezu klimaneutral sein, wozu auch der Lebenszyklus der Baumaterialien einbezogen wird. Konkrete Maßnahmen, wie dieses Ziel erreicht werden soll, liegen allerdings nicht vor. Eine noch im Koalitionsvertrag vorgesehene Gebäudekommission wurde abgesagt, kritisiert Schäfer.

Der globale Betonbedarf steigt noch an

Mit Änderungen in der Zementherstellung können Industrie und Bauwesen nicht nur klimafreundlicher werden, so das Fazit einer aktuellen Analyse des WWF zum Klimaschutz in der Betonindustrie, es entstünden auch Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Der globale Zement- und Betonbedarf wird Schätzungen zufolge aufgrund von Urbanisierung und Infrastrukturprojekten bis 2050 im Vergleich zu 2014 um 12-23 Prozent steigen. Deutschland könnte sich als Vorreiter für eine nachhaltigere Produktion etablieren.

Die Emissionen in der Betonherstellung entstehen zum großen Teil beim Brennvorgang: durch das Bereitstellen der Wärme und vor allem durch die Entsäuerung des Kalksteins. Treibhausgase ließen sich zum Beispiel über Substitutionen von Materialien einsparen. Statt Beton könnte etwa nachhaltig gewonnenes und produziertes Holz zum Einsatz kommen, wenn es die Gegebenheiten erlauben. Überall wo Beton unerlässlich ist, könnte der Klinkeranteil durch verschiedene Substitutionsmaterialen reduziert werden, so die Studie. Dadurch ließen sich die CO2-Emissionen um 30-65 Prozent reduzieren. Eine höhere Effizienz beim Brennvorgang könnte noch weitere Emissionen einsparen.

Fest zementierte Strukturen

Doch zu einer besseren Klimabilanz in der Zementherstellung ist es noch ein steiniger Weg, denn ein großes Manko sei die fehlende Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der öffentlichen Beschaffung, analysierten die Forscher. Durch eine konsequente Umsetzung entsprechender Kriterien bei Hoch- und Tiefbauprojekten könnte ein Leitmarkt für CO2-armes Zement und Beton entstehen – damit würde die Nachfrage nach solchen Produkten erhöht.

Dazu gibt es baurechtliche Hemmnisse, zudem fehlten die finanziellen Anreize: „Unter dem europäischen Emissionshandel werden der Zementindustrie kostenlos Zertifikate zugeteilt. Statt zu sinken, sind die Emissionen seit der Einführung des Emissionshandels in der Zementindustrie so sogar noch gestiegen“, kritisiert Schäfer. „Wir brauchen dringend eine weitere Reform des Emissionshandels. Die propagierte Gefahr einer Abwanderung dieser Industrie besteht real nicht, dem stehen die aus Kostengründen möglichst kurz gehaltenen Transportwege bei Zement und Beton im Weg.“

Das Gold des Bauens - Peak Sand ist erreicht

Doch nicht nur die Herstellung von Zement und Beton ist klimaschädlich, sondern auch der damit zusammenhängende Ressourcenverbrauch. Für die Betonherstellung braucht man neben Zement auch Sand – viel Sand. Der weltweite Bauboom leert die Meere und Seen dieser Welt, im großen Stil wird Sand abgebaggert und an den meistbietenden Investor verhökert, oder gleich illegal von einer mächtigen Sandmafia abgebaggert. Das UN-Umweltprogramm (UNEP) schätzt den derzeitigen Sand-Verbrauch auf 50 Milliarden Tonnen pro Jahr. Peak Sand ist damit bereits überschritten. Denn zum Bauen geeignet ist nur der grobkörnige Sand aus dem Meer und von den Stränden, aus Seen und Flüssen. Wüstensand dagegen eignet sich nicht für die Herstellung von Beton. Die Körner sind zu rund und zu glatt für die Betonherstellung. So werden für Megaprojekte bspw. im arabischen Raum enorme Mengen Sand aus Australien oder Indonesien importiert. Mit Schwimmbaggern wird der Sand vom Meeresgrund oder aus Seen und Flüssen geholt – die Folgen für die empfindlichen Ökosysteme sind katastrophal. na


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