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Strompreisbremse – ErlösabschöpfungBundesregierung drosselt Bioenergie, Branche protestiert

Maroder Holzweg im Wald
Mit dem Gesetz zur Strompreisbremse und Erlösabschöpfung ist die Bundesregierung auf dem Holzweg und blockiert massiv die Energiewende, warnt die Erneuerbaren-Branche. (Foto: Peter Herrmann on Unsplash)

Am vergangenen Freitag hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Strompreisbremse beschlossen. Es sieht weiterhin die Abschöpfung von Strommarkterlösen von Erneuerbare-Energien-Anlagen vor. Das behindert die Energiewende, sagt die Branche.

29.11.2022 – Mehrfach und vehement hatte die Erneuerbaren-Branche die Nachteile des vorgesehen Gesetzes zur Strompreisbremse und Erlösabschöpfung dargelegt und gute Vorschläge zu einer Änderung im Sinne des Fortschritts einer notwendigen Energiewende gemacht. Leider ohne Erfolg. Die Abschöpfung soll nun bereits ab dem 1. Dezember dieses Jahres greifen.

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) warnte bereits vor einem Solarenergie-Markteinbruch in Deutschland für den Fall, dass die Bundesregierung rückwirkend oder in unverhältnismäßiger Höhe Erlöse bei Solaranlagenbetreibern abschöpfen sollte. Das über die jüngsten EU-Beschlüsse zur Strompreisbremse noch deutlich hinausgehende Vorhaben bewege sich weder in den Vorgaben der EU-Verordnung, noch in den Grenzen des Verfassungsrechts, ergab eine Prüfung durch die Berliner Wirtschaftskanzlei Raue im Auftrag des BSW-Auftrag.

Die Abschöpfung von Erlösen sei bislang nur als Sanktionsmaßnahme im deutschen Recht vorgesehen. Da gemäß den BMWK-Plänen tatsächlich erwirtschaftete Gewinne jedoch überhaupt nicht in die Berechnung einfließen, liege sogar ein ungerechtfertigter Eingriff in das Eigentumsrecht nahe. „Der geplante Abschöpfungsmechanismus führt zu tiefgreifenden Verzerrungen auf dem deutschen Strommarkt. Folge dieser Entwicklungen sind steigende Strompreise für Letztverbraucher, eine Behinderung des weiteren Ausbaus von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie im Einzelfall die Zahlungsunfähigkeit der Anlagenbetreiber“, schreiben die Juristen.

Besonders hart trifft es auch den Bioenergie-Sektor. Der Sicherheitszuschlag für Biogasanlagen wurde von 6 auf 7,5 ct/kWh erhöht, während sich für Biomasseanlagen sonst keine Änderungen ergeben haben. „Das Regierungsbeschluss zeigt, dass die Bundesregierung die besondere Situation der Bioenergie nicht erkennen will“, kommentiert die Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie Sandra Rostek die Beschlüsse. So werde in dem Entwurf zwar betont, die gestiegenen Kosten in Bezug auf Wartung, Reparatur, Betriebsmittelkosten und Substrate zu berücksichtigen, allerdings nur bei Biogasanlagen und weit unterhalb der tatsächlichen Kostensteigerungen. Bei allen anderen Biomasseanlagen, die z.B. Altholz oder Stroh einsetzen, werden die Kostensteigerungen hingegen völlig ignoriert, erläutert Rostek.

So hätten sich beispielsweise die Preise für Altholz seit Juli 2021 von ca. 10 Euro pro Tonne auf ca. 90 Euro im Juli 2022 nahezu verzehnfacht. Ebenfalls reiche eine Erhöhung des Sicherheitspuffers bei Biogasanlagen von 3 auf 7,5 Cent pro Kilowattstunde für eine Vielzahl der Anlagen nicht aus, um einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb zu ermöglichen, Investitionsanreize zu bewahren und vor allem die Versorgungssicherheit zu garantieren. „Die Kostensteigerungen bei der Holzenergie werden hingegen völlig ignoriert.“

Daneben mache es aus energiewirtschaftlich Sicht absolut keinen Sinn, Erlöse aus der flexiblen Stromproduktion nahezu vollständig abzuschöpfen. Geht hierdurch nicht unweigerlich der Anreiz verloren, die Stromerzeugung auf die Zeiten mit den höchsten Börsenpreisen, also die Stunden mit dem höchsten Erdgasverbrauch zu verlagern und so den Strompreis über das Marktgeschehen zu senken?

„Die vorgeschlagene Bagatellgrenze für Erneuerbare Energien Anlagen unter einem Megawatt ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, diskriminiert aber insbesondere jene Biogasanlagen, die ihre Leistung zur flexiblen Stromproduktion erhöht und sich frühzeitig für eine teurere, aber netzdienlichere Stromproduktion entschieden haben“, so Rostek. Die Grenze müsse daher ein Megawatt Höchstbemessungsleistung betragen, fordert die Bioenergie-Branche.

Folgerichtig wäre daher nach wie vor die vollständige Ausnahme der Bioenergie aus dem Abschöpfungssystem. „Wir appellieren daher an die Abgeordnete des Bundestags den vorliegenden Entwurf im weiteren Verfahren nachzubessern und die Bioenergiebranche zu befähigen, ihren größtmöglichen Beitrag zur Versorgungssicherheit im kommenden Winter beizutragen, und nicht abzuwürgen“, mahnt Rostek.

Die Bioenergieverbände im Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) haben dazu eine Stellungnahme veröffentlicht. Die wichtigsten Punkte:

1. Grundsätzliche Ausnahme von Biogas und fester Biomasse: Bioenergieanlagen waren in den vergangenen Jahren und insbesondere seit Beginn des Ukrainekriegs massiven Steigerungen der festen und variablen Produktionskosten ausgesetzt. Damit Anlagenbetreiber die vergangenen Kostensteigerungen und ggf. zukünftige weitere Kostensteigerungen durch höhere Stromerlöse refinanzieren können, muss die Stromerzeugung aus Biogas und fester Biomasse grundsätzlich vom Abschöpfungsmechanismus ausgenommen werden. Diese Möglichkeit ist auch von der dem Gesetz zugrundeliegenden EU-Verordnung 2022/1854 gedeckt. Sollte der Abschöpfungsmechanismus in der im Referentenentwurf (RefE) beschriebenen Form umgesetzt werden, ist mit einer massiven Leistungsreduktion durch Bioenergieanlagen zu rechnen. Dies kann in Anbetracht der aktuellen Energiekrise nicht das Ziel der Bundesregierung sein.

2. Deutlich höhere Sicherheitszuschläge: Insofern Biomasse nicht vollständig ausgenommen wird, müssen die Sicherheitszuschläge auch die vergangenen bzw. absehbaren Steigerungen der variablen und fixen Kosten berücksichtigen. Die RefE vorgesehene Erhöhung des Sicherheitszuschlags von 3 auf 6 ct/kWh reicht dafür in keiner Weise aus. Angemessene Sicherheitszuschläge wären für Biogas (ohne Biomethan) 12 ct/kWh, für Altholz 13 ct/kWh für Frischholz 9 ct/kWh.

3. Keine Abschöpfung von Erlösen aus der flexiblen Stromproduktion: Laut RefE soll die Differenz zwischen „gestatteten Erlösen“ (anzulegender Wert zzgl. Sicherheitszuschlag) und den realen Spotmarkterlösen abgeschöpft werden. Damit werden auch die Einnahmen aus der flexiblen Stromproduktion abgeschöpft und Bioenergieanlagen verlieren den Anreiz, ihre Stromproduktion auf Zeiten mit besonders hohem Strombedarf zu verlagern. Dies erhöht den Erdgasbedarf in Spitzenlastzeiten und ist insbesondere in der jetzigen Krisensituation energiewirtschaftlich falsch. Statt der Differenz zwischen den realen Spotmarkterlösen und dem „gestatteten“ Erlös, darf nur die Differenz zwischen dem energieträgerspezifischen Monatsmarktwert und dem gestatteten Erlös abgeschöpft werden (so wie dies im RefE bereits für Wind- und Solarenergie vorgesehen ist).

4. Änderung der Bagatellgrenze für Biogas: Die vorgesehene Bagatellgrenze von 1 Megawatt (MW) ist zu begrüßen. Insofern Biomasse nicht grundsätzlich ausgenommen wird, muss die Grenze bei Biogasanlagen nicht 1 MW installierte Leistung, sondern 1 MW Höchstbemessungsleistung betragen, um Anlagen nicht schlechter zu stellen, die ihre installierte Leistung zum Zweck der flexiblen Stromerzeugung erhöht haben. Eine Pönalisierung von Investitionen in die Anlagenflexibilisierung ist energiewirtschaftlich unsinnig. Außerdem muss zur Berechnung der installierten Leistung Biogasanlagen, die getrennte Anlagen im Sinne des EEG sind, nicht zusammengefasst werden. Dies würde die 1 MW Bagatellgrenze konterkarieren und einen Eingriff in den für diese Anlagen geltenden Bestandsschutz bedeuten.

5. Keine Rückwirkung: Die rückwirkende Abschöpfung von Erlösen ab dem 1.9.2022 zerstört massiv das Vertrauen der Wirtschaft in die Politik und treibt gerade Bioenergieanlagen wegen hoher Brennstoffkosten in die Verlustzone. Insofern Biomasse nicht grundsätzlich ausgenommen wird, darf die Abschöpfung erst für Erlöse gelten, die ab dem 1.12. erwirtschaftet wurden, so wie dies auch in der EU-Verordnung vorgesehen ist.

6. Anhebung der Höchstwerte nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Aufgrund der stark gestiegenen festen und variablen Kosten sollten die Höchstwerte in den EEG-Ausschreibung für Neu- und Bestandsanlagen deutlich angehoben werden.


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Kommentare

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Marth 02.12.2022, 15:57:32

Ich bin schon vor Wochen nach einem Artikel des BR 24 (wurde leider wieder gelöscht) über diesen Aktionismus der Regierung mit Fachleuten, die sich mit Bio-Gasanlagen auskennen, ins Gespräch gekommen. Auch sie können den Sinn dieser "Abschöpfung" nicht verstehen und sehen eine Stilllegung von zahlreichen Biogasanlagen in Deutschland. Entweder ist es die Unfähigkeit verantwortlicher Mitarbeiter in den Ministerien, die ihre Minister auflaufen lassen wollen oder den Ministern und Regierungsverantwortlichen der Grünen fehlt jeder Sachverstand und Grundwissen. Ist es nur Ideologie, was manche von sich geben oder wirkliches Wollen für eine Energie-und Umweltpolitikwende. Ein Tip: Es sollten den Kommunen Mittel zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie sich selber organisieren und sich von den Energiekonzernen unabhängig machen. Siehe Tübingen. Vielleicht ist auch der Einfluß der Industrie auf die Politik in dieser Angelenheit groß. Da fällt mir jedesmal die Geschichte mit der Tabakindustrie ein, die vor Jahren die Kampagne gegen das Rauchen unter der Jugend finanzierte! Warum nur?


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