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GebäudesektorDer Wärmeverbrauch in Wohnungen steigt bedrohlich an

Ein Mehrfamilienhaus an einer Straßenecke in Berlin aus den 1980er Jahren.
Durch einen vergleichsweise milden Winter im vergangenen Jahr, sank der Wärmeverbrauch in Wohngebäuden in absoluten Zahlen zwar, aber bereinigt um den Einfluss des Wetters ist ein negativer Trend zu beobachten. (Foto: Gunnar Klack/flickr.com, CC BY-SA 2.0)

Die Verbrauchsabrechnungen von 1,5 Millionen Haushalten können nicht lügen: Im dritten Jahr hintereinander steigt der Wärmeverbrauch von Wohngebäuden – für den Klimaschutz fatal. Es fehlt an Effizienz, regenerativer Energie und Digitalisierung.

16.12.2019 – Anonymisierte Verbrauchswerte von 1,5 Millionen Wohnungen in 120.000 Mehrfamilienhäusern zeichnen ein erschreckendes Bild: Bereinigt um den Einfluss des Wetters steig der Erdgas- und Heizölverbrauch in Mehrfamilienhäusern um 1,1 und 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr an. Zu diesem Ergebnis kommt Techem, ein führender Anbieter für Energieabrechnungen und Energiemanagement. Lediglich bei der Fernwärmeversorgung zeigt die Analyse einen Rückgang im Verbrauch von 0,3 Prozent gegenüber 2018.

In Betrachtung der letzten drei Jahre jedoch schneidet die Fernwärmeversorgung ebenfalls schlecht ab und reiht sich in den Trend gestiegener Verbrauchswerte im Wärmebereich ein –  mit einem Gesamtanstieg von 4,9 Prozent. Der Erdgasverbrauch stieg sogar um 5,8 Prozent, das besonders klimaschädliche Heizöl um 8,5 Prozent. Techem Geschäftsführer Nicolai Kuß macht deutlich: „Höhere witterungsbereinigte Verbräuche als 2018 gab es für Erdgas zuletzt 2011, für Heizöl sogar zuletzt 2009. Wir müssen dringend etwas dafür tun, dass Gebäude energetisch effizienter werden und weniger Wärme benötigen.“

Sinkende Verbrauchstendenz kehrte sich ins Gegenteil um

Dabei war bis 2013 noch eine sinkende Verbrauchstendenz zu beobachten. Nach einer Stagnation stieg der Wärmeverbrauch in den letzten Jahren jedoch deutlich an – im Gegensatz zu den Klimazielen der deutschen Bundesregierung. Die sieht einen Fahrplan für einen „nahezu klimaneutralen Gebäudebestand“ bis 2050 vor. Bis 2030 soll bereits eine Minderung von 66 bis 67 Prozent gegenüber 1990 erreicht werden. Dieses Ziel ist in großer Gefahr. Das Ziel der Bundesregierung den Wärmebedarf zwischen 2008 und 2020 um 20 Prozent zu reduzieren, ist laut der Analyse von Techem bei Wohngebäuden praktisch nicht mehr erreichbar.

„Das nationale Ziel eines klimaneutralen Wohngebäudebestandes bis 2050 lässt sich nur mit einer breit angelegten Digitalisierungsoffensive, dem vermehrten Einsatz regenerativer Energien und einer durchgängigen Effizienzsteigerung entlang der gesamten Wärmewertschöpfungskette verwirklichen“, sagt Kuß. Die Auswertungen von Techem lassen auch den Schluss zu, dass die Entwicklung der Endenergiepreise eine wichtige Rolle spielt. Sinkende Preise führen demnach – mit Verzögerung – zu einem steigenden Verbrauch.

Die Lösungen stehen bereit

Gerade deswegen sei eine verstärkte Digitalisierung notwendig, um Verbrauchern möglichst aktuelle Informationen über ihren Verbrauch und die entsprechenden Kosten zu bieten. Die flächendeckende Installation von Smart Metern könnte eine Lösung sein – Geräte die an das Stromnetz im Haushalt angeschlossen sind und in Echtzeit den Verbrauch einzelner Geräte anzeigen. So könnten auch Effizienzsteigerungen erreicht werden, zum Beispiel durch Identifizierung und Abschaltung oder Austausch stromintensiver Geräte.

Flächendeckende Energieeffizienz lässt sich indes nur durch Sanierung des Gebäudebestands erreichen. Dafür müsste die energetische Sanierungsrate auf über zwei Prozent steigen, wie Wissenschaftler des Forschungszentrum Jülich berechnet haben. Aktuell liegt die Sanierungsrate bei einem Prozent. Und für einen klimaneutralen Gebäudebestand unverzichtbar ist der Umstieg auf Erneuerbare Energien. Dezentrale Lösungen könnten hier vermehrt zum Einsatz kommen.

So ist der Ökostromversorger NATURSTROM bereits in diesem Bereich tätig und plant in Berlin ein weiteres Projekt mit mehr als 2.500 Wohnungen. In dem Neubauprojekt Neulichterfelde soll schon im kommenden Jahrzehnt die Wärmeversorgung klimaneutral sein. Biogasbetriebene und von Solarthermie unterstützte Blockheizkraftwerke (BHKW) sollen zum Einsatz kommen. Darüber hinaus wird es ein brennstofffreies Wärmepumpenquartier geben. Mittels Erdwärme können Gebäude dann sowohl geheizt als auch gekühlt werden. mf


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