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Die Meinung
15. Februar 2016

Biogas 2.0 – Biogasanlagen zwischen Energiewende, Landwirtschaft und Klimaschutz

Die Klimakonferenz von Paris wird als Meilenstein zur Reduzierung der Erderwärmung gefeiert. Auf dem Papier wurde eine Obergrenze von maximal zwei Grad festgeschrieben. Nun müssen den Worten Taten folgen. Die Erneuerbaren Energien sind der Schlüssel zur Umsetzung der Pariser Verträge.

Claudius da Costa GomezGeschäftsführerFachverband Biogas e.V.

Claudius da Costa GomezGeschäftsführerFachverband Biogas e.V.
Claudius da Costa Gomez ist seit April 2000 Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas e.V. (Bild: Fachverband Biogas e. V.)
Claudius da Costa Gomez ist seit April 2000 Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas e.V. (Bild: Fachverband Biogas e. V.)

16.02.2016 – Dass es funktionieren kann hat Deutschland mit seinem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in den vergangenen 15 Jahren eindrucksvoll bewiesen – zumindest im Stromsektor. Ein Drittel unserer elektrischen Energie wird heute schon regenerativ und dezentral erzeugt. Um 100 Prozent zu erreichen müssen die verschiedenen erneuerbaren Energieträger nun optimal aufeinander abgestimmt werden: die ertragreichen und günstigen Wind- und Solaranlagen mit den Bioenergieanlagen, die immer dann einspringen können, wenn die anderen gerade eine Pause einlegen. Denn Strom muss da sein wenn wir ihn brauchen – sicher und verlässlich.

Zu Beginn dieses Jahrtausends haben Biogasanlagen noch rund um die Uhr Strom erzeugt, circa 8.000 Stunden im Jahr. Eine durchschnittliche Anlage mit 400 Kilowatt (kW) elektrischer Leistung kann rund 1.000 Haushalte versorgen. Der gesamte Biogasanlagen-Park in Deutschland mit knapp 9.000 Kraftwerken hat im vergangenen Jahr über 32 Terawattstunden Strom erzeugt. Zusammen mit den Festbrennstoffen stammt rund ein Drittel der regenerativen Stromproduktion aus Biomasse – mehr als von der Photovoltaik und nur vier Prozentpunkte weniger als aus der Windenergie.

Doch der größte Trumpf der Biomasse liegt nicht in ihrer permanenten Stromerzeugung, sondern vielmehr in ihrer Flexibilität. Biogasanlagen sind in der Lage, genau dann Strom zu erzeugen und ins Netz einzuspeisen, wenn er gebraucht wird – an windstillen Nächten beispielsweise oder auch bei hoher Nachfrage. Und wenn viel erneuerbarer Strom im Netz ist können sie die Produktion drosseln oder ganz aussetzen und das Gas speichern. Knapp ein Drittel der deutschen Biogasanlagen sind bereits in der Lage, flexibel Strom zu erzeugen. Sie tun dies, weil sie es können. Biogasanlagen spielen dadurch eine ganz besondere Rolle in der regenerativen Energiewende.

Dass Biogasstrom immer etwas teurer sein wird als Wind- und Solarstrom liegt in der Natur der Sache. Denn Biogasanlagen nutzen nicht die aktuellen Kräfte der Natur, sondern speziell angebautes bzw. anfallendes Substrat: Bioabfälle, Gülle, Energiepflanzen. Ein Großteil unserer biogenen Abfälle wird bereits in Biogasanlagen vergoren. Bei der Gülle ist noch Luft nach oben: etwa drei Viertel der in den Ställen anfallenden Exkremente landen ungenutzt im Güllelager, wo sie dem natürlichen Zersetzungsprozess folgend Methan erzeugen, das in die Atmosphäre entweicht und zum Klimawandel beiträgt. Hier sollte konsequent gehandelt und jeder nutzbare Kubikmeter Gülle in Biogasanlagen vergoren werden! Sieben Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ließen sich dadurch einsparen. Das hat auch die Bundesregierung eingesehen und fördert den Bau kleiner Gülleanlagen.

Im Energiepflanzenanbau hat sich in den vergangenen zehn Jahren richtig viel getan. War es anfangs fast ausschließlich der Mais, der für Biogasanlagen angebaut und darin vergoren wurde, gibt es heute schon eine Vielzahl von alternativen Energiepflanzen. In zahlreichen Hochschulen und Instituten, aber auch im praktischen Selbstversuch der Anlagenbetreiber haben sich beispielsweise die Zuckerrübe, das Riesenweizengras oder die Durchwachsenen Silphie als Alternativen zum Mais hervorgetan.

Grundsätzlich eignet sich fast alles, was auf unseren Feldern wächst, für den Einsatz in Biogasanlagen. Allein der Biomasse- und der Gasertrag sind unterschiedlich – und beim Mais besonders hoch. Durch eine gezielte Förderung alternativer Energiepflanzen würde man sicherlich viele Betreiber dazu bringen, ihren Beitrag zu mehr Biodiversität zu leisten. Das Greening als EU-Instrument, das den Anbau von mindestens fünf Prozent ökologisch wertvoller Pflanzen vorschreibt, wäre ein probates Mittel. Leider verbieten die agrarpolitischen Vorgaben momentan noch die anschließende Verwertung dieser Pflanzen in Biogasanlagen.

Trotz dieser vielen Vorteile tritt die Biogasnutzung in Deutschland zurzeit auf der Stelle. Nur etwas mehr als 200 Anlagen sind im vergangenen Jahr neu ans Netz gegangen, was einem Anstieg der arbeitsrelevanten elektrischen Leistung von gerade mal 19 Megawatt entspricht. Das ist sehr wenig – und vor allem für die Anlagenhersteller eine Katastrophe. Die Betreiber müssen sich überlegen, wie es weiter geht. Vor allem diejenigen Biogasanlagen, die bereits 2000 ans Netz gegangen sind und laut EEG nach 20 Jahren aus der Festvergütung fallen, müssen rechnen, ob sich neue Investitionen noch lohnen – oder ob man die Anlage auf Verschleißt fährt und im Zweifel schon in ein oder zwei Jahren abschaltet. Es besteht die Gefahr, dass nicht nur der Neubau stagniert sondern zudem noch der Rückbau einsetzt.

Das wäre nicht nur für die Betreiber bedauerlich und für die über 40.000 Beschäftigten verheerend. Es schadet zudem unserer Energiewende, die auf flexible regenerative Kraftwerke verzichten müsste, auf speicherbare Energie, die nicht nur Strom, sondern auch Wärme und Kraftstoff liefert: In vielen Orten Deutschlands hängen zahlreiche Haushalte, Schulen, Kindergärten und Altenheime am Fernwärmenetz einer Biogasanlage und profitieren von der günstigen regionalen Heizenergie. All jenen droht der Rückschritt zum klimaschädlichen Öl.

Es scheint, als habe man in Berlin auf Schlagworte wie „Vermaisung“ und „Strompreisbremse“ überreagiert und das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Sicherlich muss die Biogasbranche nachjustieren und auf neue Gegebenheiten und Anforderungen reagieren. Aber eine zukunftsträchtige Branche komplett einzudampfen nur weil es ein paar Probleme gibt – das ist nicht im Sinne der Energiewende und auch nicht im Sinne der Pariser Verträge.

Biogasanlagen können als flexible und speicherbare regional verankerte Kraftwerke einen entscheidenden Beitrag zur regenerativen Energiewende leisten – und zwar sowohl beim Strom als auch im Wärme- und Kraftstoffsektor. Sie sind ein wichtiges Standbein der Landwirtschaft und können dazu beitragen, dass unsere Felder bunter und artenreicher werden. Dafür müssen jetzt in Berlin die richtigen Weichen gestellt werden!

Eine wichtige Plattform für den Austausch und die Entwicklung der Branche ist die Jahrestagung des Fachverbandes Biogas, die vom 16.-18.02.2016 zum 25. Mal stattfindet. Nähere Informationen zu der Veranstaltung und dem Jubiläum unter www.biogastagung.org




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