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Nachgefragt
19. März 2021

„Wir stehen vielen Politikern mit einer kritischen Einstellung zu Klimaschutz gegenüber“

Auf der ganzen Welt streiken heute wieder junge Menschen für die Einhaltung der Pariser Klimaziele. Im sächsischen Freiberg ist der Kampf für wirksamen Klimaschutz eine besondere Herausforderung. Fridays for Future-Aktivistin Jördis Thümmler berichtet von Klimaskeptikern im Stadtrat und wie ihr Protest trotzdem Gehör findet.

Jördis Thümmler, Fridays for Future-Aktivistin aus Freiberg, Sachsen

Jördis Thümmler, Fridays for Future-Aktivistin aus Freiberg, Sachsen
Bild von Jördis Thümmler
Foto: Jonas Benkert

40,8 Prozent weniger Emissionen im Vergleich zu 1990. Damit hat Deutschland sein Klimaziel für 2020 klar erreicht. Ein Grund zum Feiern, oder?

Ganz und gar nicht. Das Klimaziel wurde nur aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen erreicht. Vor allem im Verkehrssektor und im Industriebereich sanken die Emissionen nur wegen der Coronakrise. Darüber hinaus reichen die gesetzten Klimaziele in Deutschland nicht aus, um das Pariser Klimaabkommen und die Begrenzung der Globalen Erwärmung auf 1,5 Grad einzuhalten. Das wird von der Bundesregierung natürlich nicht erwähnt.

Warum scheitert die Bundesregierung aus eigener Kraft die Klimaziele einzuhalten?

Es fehlen einfach die strukturellen langfristigen Maßnahmen. Es findet kein systemischer Wandel statt, der großflächig für Veränderungen sorgen könnte. Das gilt im Übrigen auch für die europäische Ebene. Die Europäische Union richtet ihre Klimapolitik nicht konsequent auf die Einhaltung der 1,5 Grad Grenze aus.

Wie sieht denn Klimapolitik konkret in Freiberg aus?

Die größte Fraktion im Stadtrat stellt ein Bündnis aus CDU und FDP mit neun Sitzen. Die haben zusammen nur einen Sitz mehr als die stärkste Partei im Stadtrat, die AfD. Wir stehen entsprechend sehr vielen Politikern gegenüber, die eine kritische Einstellung zu Klimaschutzmaßnahmen haben. Debatten um neue Windräder in und um Freiberg etwa sind sehr heftig. Auch der Ausbau des ÖPNV oder von Fahrradwegen ist schwer durchsetzbar.

Findet euer Protest trotzdem Gehör?

Wir haben immerhin erreicht, dass sich innerhalb des Stadtrats eine Arbeitsgruppe gebildet hat, die sich damit beschäftigt, wie Freiberg klimaneutral werden kann. Auch bei Fahrradwegen gibt es ein paar Erfolge. Aber insgesamt ist es schon sehr schwierig inhaltlich Gehör zu finden. Oft genug führen unsere Argumente zurück zu Grundsatzdebatten darüber, ob Deutschland überhaupt etwas an der Klimakrise ändern könne und ob es sinnvoll sei, Emissionen zu reduzieren. So kommt man inhaltlich nicht voran.

Wie sehen denn die Bürger von Freiberg euer Engagement?

Auch bei den Klimastreiks begegnen uns Menschen, die die Klimakrise nicht als Problem wahrnehmen und mit denen einfach kein respektvoller Umgang auf Augenhöhe stattfindet. Aber es gibt auch viele, die zu uns kommen und sich bedanken, dass wir uns engagieren und in Freiberg was auf die Beine stellen.

Was hat dich dazu bewegt bei Fridays for Future aktiv zu werden?

Vor allem der Aspekt der Klimagerechtigkeit. Ich habe oft große Ignoranz gegenüber der Tatsache erlebt, dass schon heute viele Menschen unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden. Dieser Ignoranz und geballten Ungerechtigkeit will ich mit meinem Engagement etwas entgegensetzen. Konkret in Freiberg hat mich auch der geplante Bau einer Umgehungsstraße aufgerüttelt, die mitten durch den Stadtwald führen soll. Dort lebt unter anderem eine bedrohte Fledermaus.

Wie ist der Stand der Planungen?

Aktuell fehlt es an Geldern für den Bau. Doch wenn wieder Mittel vorhanden sind, gibt es einige im Stadtrat, die sich weiter für die Umgehungsstraße einsetzen werden. Dann gilt es wieder auf die Probleme aufmerksam zu machen, die ein Bau mit sich bringen würde. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist bereits vor Gericht gezogen, um den Bau zu verhindern. Wir unterstützen den BUND im Rahmen unserer Klimastreiks und anderen öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen, wo wir nur können. Ich habe große Hoffnungen, dass wir das Projekt noch verhindern können.

Das Interview führte Manuel Först


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