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Kommentar zum KlimastreikWir bleiben hier, wir bleiben laut

Banner mit der Aufschrift: "Klimakatastrophe stoppen! Was hindert Sie noch Klimaaktivist:in zu werden? Handelt! Sofort! Alle!
Klimastreik in Berlin: Aufruf zum aktiven Klimaschutz (Bild: Julia Broich)

Am Freitag werden wieder Rufe nach Klimagerechtigkeit auf den Straßen zu hören sein. Es ist bundesweiter Klimastreik! Gründe, sich dem Protest anzuschließen, gibt es nach sechs Jahren immer noch genug – vermutlich sogar mehr denn je - ein Kommentar.

29.02.2024 – Es begann mit einem jungen Mädchen, das vor nahezu sechs Jahren mit einem Plakat vor dem schwedischen Parlament saß. „Skolstrejk för Klimatet“ war darauf in schwarzen Buchstaben auf einem weißen Untergrund zu lesen. Mit ihrem Protest inspirierte Greta Thunberg weltweit zahlreiche Schüler:innen, sich während der Schulzeit für möglichst umfassende, schnelle und effiziente Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen.

Seither hat die Protestbewegung auch in Deutschland vieles erreicht. Sie hat den Klimawandel von der Öko-Nische in die Mitte der Gesellschaft gerückt, Wahlkämpfe geprägt und sogar eine Klage gegen die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen. Nun geht sie gemeinsam mit der mächtigen Gewerkschaft ver.di auf die Straße, um für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld im öffentlichen Personennahverkehr zu demonstrieren.

Doch auch nach all‘ diesen Erfolgen braucht es auf den Straßen die lauten Rufe nach Klimagerechtigkeit – vermutlich sogar mehr denn je. Dafür gibt es vier einprägsame Gründe.

Grund 1: Ein Ventil für Klimaangst

Beißen wir gemeinsam die Zähne zusammen, denn ich muss ein hartnäckiges Pflaster abreißen: Die Klimakrise verschärft sich zunehmend. Es lässt sich nicht leugnen, geschweige denn schönreden.

Erst vor wenigen Wochen gab der EU-Klimadienst Copernicus bekannt, dass die Erderwärmung in einem Zeitraum von zwölf Monaten erstmals 1,5 Grad heißer war als in vorindustriellen Zeiten. In diesen zwölf Monaten hat uns der Planet vor Augen geführt, was diese Veränderungen für uns bedeuten - seien es die Waldbrände auf Rhodos und Teneriffa oder die extremen Hochwassersituationen besonders im nördlichen Teil Deutschlands.

Genauso beobachten Wissenschaftler:innen derzeit, dass die sogenannte Atlantische-Umwälz-Zirkulation, zu der auch der Golfstrom gehört, bedingt durch die Erderwärmung, stetig langsamer wird. Diese Zirkulation fungiert wie eine Zentralheizung für Europa und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Wärmeversorgung der Nordhalbkugel. Bricht sie zusammen, drohen Kälte und Trockenheit, die sich vor allem negativ auf die Landwirtschaft und damit unsere Ernährungssicherheit auswirken werden.

Es fordert viel von uns, wenn wir morgens am Frühstückstisch sitzen und zu solchen Nachrichten unseren Kaffee oder Tee trinken oder beim Hören unseres Lieblingspodcasts damit konfrontiert werden. Zügig scheint die zuversichtliche Gesinnung zu schwinden. Die Klimaangst breitet sich aus.

Ein Ventil für diese Angstgefühle bieten uns Klimastreiks. Wenn wir gemeinsam mit bunten Plakaten durch die Straßen ziehen und die Sprechchöre ertönen, schaffen wir ein Gefühl von Gemeinschaftlichkeit und Solidarität. Gesendet wird das Signal einer kollektiven Veränderungsbereitschaft. Gestärkt wird das Gefühl von kollektiver Wirksamkeit, die für die Überwindung dieser Krise unabdingbar ist.

Grund 2: Jedes Zehntelgrad zählt

Obwohl es für die menschlichen Sinnesorgane kaum spürbar ist, wenn es morgen ein Grad wärmer oder kälter ist als heute, zählt bei der durchschnittlichen Erdtemperatur jedes Zehntelgrad. Allein eine Erhöhung um 0,5 Grad sorgt dafür, dass Hitzerekorde zu einer Normalität oder zahlreiche Heimatorte von Überschwemmungen oder gar Sturmfluten zunehmend betroffen sein werden.

Das bedeutet natürlich zum einen, dass wir uns auf einem schmalen Grat befinden, da selbst geringfügige Veränderungen mit großen Auswirkungen einhergehen können. Zum anderen birgt es auch eine Chance. Selbst wenn wir die Grenze von 1,5 Grad überschreiten sollten, bedeutet das nicht, dass sämtliche Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel umsonst waren. Unser Ziel bleibt unverändert: die weltweiten Emissionen so rasch wie möglich zu senken, um die Erderwärmung so weit wie möglich zu begrenzen und die Klimafolgen zu verringern.

Grund 3: Wir können noch so viel bewegen

Die Klimabewegung hat oft genug bewiesen, dass sie fähig ist, Einfluss auszuüben. Durch ihre Schulstreiks und Demonstrationen hat sie eine breite öffentliche Diskussion über den Klimawandel und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Bekämpfung desselben in der breiten Gesellschaft überhaupt erst angestoßen. Die Bewegung hat ferner dazu beigetragen, dass Deutschland seine Klimaziele überarbeitet und (zumindest etwas) ambitioniertere Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen festgelegt hat. Zusammengefasst: Die Bewegung hat es geschafft, dass ihr zugehört wird. Wieso sollte der Protest also nicht noch mehr erreichen können?

Das Potenzial ist theoretisch vorhanden. Es gibt die notwendigen Maßnahmenpläne. Es gibt die finanziellen Mittel zur Umsetzung. Das wissen wir. Zuversicht, dass dieses Potenzial ausgeschöpft wird, geben uns beispielsweise die positiven Entwicklungen, die wir im Energiesektor beobachten können. So hat sich 2023 der Zubau der Solarleistung im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Genauso hat Deutschland erstmals mehr als die Hälfte des Stroms aus Erneuerbaren Energien gewonnen.

Nichtsdestotrotz gibt es noch viel zu bewegen. Wo bleibt zum Beispiel das langersehnte Klimageld, was den Transformationsprozess der Industrie und Gesellschaft sozial verträglich gestalten sollte? Wann werden endlich die Arbeitsbedingungen im Nah- und Fernverkehr verbessert? Was wird unternommen, damit wir bestmöglich auf die bereits eintretenden Klimafolgen vorbereitet sind? Die Liste hier fortzuführen, würde den Rahmen sprengen.

Mit der Verschleppung politischer Maßnahmen steigt die Brisanz der Problematik und somit auch die Notwendigkeit, sich dem entgegenzustellen. Welche Botschaft würden wir senden, wenn wir plötzlich nicht mehr auf die Straße gingen? Kurz: Wir würden politische Tatenlosigkeit legitimieren.

Grund 4: Wir müssen die Demokratie aktiv leben

Eine besondere Bedeutung gewinnen die Klimastreiks in einer Zeit, in der rechtes Gedankengut wie ein Virus um sich greift. Die Bedrohung durch antidemokratische Kräfte wie die AFD, die offen die menschengemachte Erderwärmung und demokratische Prinzipien in Frage stellen, unterstreicht die Pflicht, das wichtigste demokratische Mittel der Bewegung zu verteidigen.

Eng damit verknüpft ist auch der Hass und die Hetze gegenüber Klimaaktivist:innen. Ein Beispiel ist der Fall von Luisa Neubauer, die erst kürzlich im Gespräch mit dem Tagesspiegel über Bedrohungen und Anfeindungen gegen sich und andere Akteure der Zivilgesellschaft klagte. Es handelt sich nicht um einen Einzelfall. Wegen Übergriffen auf Klimaschützer:innen liefen im Sommer 2023 mindestens 142 Verfahren gegen Autofahrer:innen und Passant:innen, die Übergriffe auf Anhänger:innen der Letzten Generation verübt haben. Die meisten wegen Körperverletzung. Solche Vorfälle erschweren den Einsatz der Zivilgesellschaft für den Klimaschutz erheblich.

Die Klimastreiks dienen daher auch als Akt des Widerstands gegen antidemokratische Tendenzen sowie als Beitrag zur Verteidigung demokratischer Grundwerte und Meinungsfreiheit.

Fazit

Klimastreiks bleiben essenziell. Das steht außer Frage. Sie sind ein Ventil für Klimaangst, Antrieb für Veränderungen und ein Akt der Demokratie. In diesem Sinne: Lasst uns Plakate bemalen und die Sprechchöre üben. Lasst uns gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft demonstrieren!


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Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Juri Hertel 29.02.2024, 20:30:05

Global Climate Strike ist dieses Jahr am 19.April:

 

https://fridaysforfuture.org/april19/


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