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WeltklimakonferenzBeobachten allein reicht nicht

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Bilder: privat

Die Klimakonferenz in Glasgow neigt sich ihrem Ende zu. Mit Spannung werden die Ergebnisse der Verhandlungen erwartet. Wir haben kurz vor dem Abschluss der COP mit Celia Wicher vom BUND und Sebastian Scholz vom NABU über ihre Arbeit und Erwartungen an die Verhandlungen gesprochen.

12.11.2021 – Celia Wicher vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland ist Teil der Delegation des BUND in Glasgow. Auch Sebastian Scholz, Teamleiter Klima und Energie beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), ist in Glasgow vor Ort.

Wie seht ihr eure Rolle vor Ort und was wollt ihr erreichen?

Celia Wicher: Zum einen ist es wichtig, dass zivilgesellschaftliche Akteure den Prozess kritisch begleiten. Gerade in diesem Jahr müssen wir betonen, wer nicht hier in Glasgow dabei sein kann. Das ist auf jeder COP ein wichtiges Thema, aber in diesem Jahr hat sich das Problem durch die globale Ungerechtigkeit in der Verteilung von Corona-Impfdosen noch einmal verschärft. Deshalb versuchen wir die Botschaften unserer Kolleg:innen aus dem Globalen Süden stark zu machen. Zum anderen ist es eine wichtige Aufgabe der Zivilgesellschaft nach außen verständlich zu kommunizieren, was genau eigentlich auf der COP passiert und wie es einzuordnen ist.

Sebastian Scholz: Wir haben die formale Rolle von Observern, also Beobachtern. Der UNFCCC Prozess soll ja größtmögliche Transparenz haben. Beobachten allein reicht uns aber nicht. Uns ist es wichtig, dass wir vor Ort artikulieren, was aus unserer Sicht wichtig und nötig in den Klimaverhandlungen ist. Bei dieser Klimakonferenz ist es wichtig, dass die Ambitionen auf ein Paris-taugliches Niveau kommen, das 1,5°C Limit also nicht gerissen wird. Außerdem sind noch immer die Regeln für den Handel mit Emissionen und Emissionsminderungen offen.

Es geht um den sogenannten Artikel 6?

Scholz: Ja, einige Länder wollen allen Ernstes erreichen, dass Emissionsminderungen doppelt angerechnet werden können. Wenn Deutschland beispielsweise ein Klimaschutzprojekt in Brasilien finanziert, dann würde nach dieser Logik die Minderung sowohl in Deutschland als auch in Brasilien angerechnet. Real erfolgen die Minderungen aber natürlich nur einmal, dem Klimaschutz ist damit also nicht geholfen.

Wo muss aus eurer Sicht noch dringend eine Einigung erfolgen?

Wicher: Die Klimafinanzierung spielt eine sehr wichtige Rolle. Eigentlich hatten die Industrienationen versprochen, bis 2020 100 Milliarden Dollar jährlich zu mobilisieren, um Länder des Globalen Südens bei der nötigen Transformation zu unterstützen. Diese Zahl ging schon deutlich an den eigentlichen Bedürfnissen vorbei und wurde darüber hinaus nicht erreicht. Die Industriestaaten tragen eine große historische Verantwortung für die Klimakrise und müssen dieser endlich gerecht werden. Dazu zählt auch endlich verbindliche Maßnahmen zum Thema „Loss and Damage“ zu vereinbaren, also der Kompensation für Schäden und Verluste.

Scholz: Was sich in diesem Jahr deutlich stärker als bisher abzeichnet, ist die Frage, ob der UNFCCC-Prozess ausreicht, beziehungsweise wie er wahrgenommen wird. Fridays for Future, wie auch andere Protestbewegungen, haben sehr lautstark von außen artikuliert, dass die Verhandlungen nur "blah blah blah" seien und auch nach 26 Konferenzen noch nicht genügend passiere. Dem diametral gegenüber stehen die Bemühungen der britischen Konferenzpräsidentschaft, die fast täglich versucht neue Initiativen vorzustellen, zu Waldschutz, Kohleausstieg, Methan und so weiter, um hier positive Schlagzeilen zu erzeugen. Diese Initiativen sind zwar gut und wichtig, aber unverbindlich und sie haben mit den konkreten Verhandlungen nichts zu tun.

Wicher: Die Verkündigung von Initiativen und Koalitionen klingen auf den ersten Blick positiv, jedoch enthalten sie oftmals Schlupflöcher oder passen nicht mit dem zusammen, was Regierungen tatsächlich umsetzen, wenn sie von der COP wieder nach Hause fahren. Außerdem ist auffällig, dass der Fokus oft auf weit entfernten Zielen liegt, wie zum Beispiel den Netto-Null-Emissionen bis 2050, anstatt in der nahen Zukunft ambitionierte Maßnahmen einzuleiten. Wenn wir die 1,5 Grad Grenze einhalten wollen, ist der entscheidende Zeitraum aber nicht die Jahre bis 2050, sondern nur noch die kommende Dekade.

Und dafür muss jeder einzelne Staat naheliegende Ziele formulieren.

Wicher: „Genau. Allerdings kann man in den zwischenstaatlichen Diskussionen, zum Beispiel um die sogenannte „cover decision“, den Trend beobachten, dass der UNFCCC Prozess ursprünglich auf dem Prinzip der „common but differentiated responsibilities“ beruht, also auf der Annahme, dass manche Staaten einen größeren Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten müssen. Im Sinne der globalen Gerechtigkeit ist es aber sehr wichtig, dieses Prinzip aufrecht zu erhalten, sowohl wenn es um die Vermeidung von Emissionen als auch um die Bereitstellung von Finanzmitteln geht.

Scholz: Es geht in kleinen Schritten voran. Die Zusagen einiger Länder für mehr Ambitionen sind wichtig und gut. Indien beispielsweise will bis 2070 Treibhausgasneutral sein. Das klingt spät, ist aber eine gute und wichtige Zusage eines sogenannten Schwellenlandes. Wir sehen auch, dass das Thema Artenvielfalt stärker als bisher im Kontext der Klimakrise wahrgenommen wird. Das ist gut und wichtig, denn Klima- und Naturkrise sind eng miteinander verwoben. Und gesunde Ökosysteme sind wichtig für Klimaschutz und -anpassung sowie die Steigerung der Resilienz.

Das Interview führte Sven Kirrmann


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