Menü öffnen

Neuer Koalitionsvertrag in NRWDie Solarpflicht kommt

Photovoltaikanlage auf einem Dach. Im Hintergrund ist ein Fußballstadion zu sehen.
Solarmodule auf der Fabrik einer Bäckerei in Gelsenkirchen. Mit einer Solarpflicht könnte es bald an vielen Orten in Nordrhein-Westfalen so aussehen. (Bild: EnergieAgentur.NRW, Wikimedia Commons, CC BY 2.0)

Der Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in NRW verspricht in Sachen Ausbau Erneuerbarer Energien einiges. Das von Kohleabbau bedrohte Dorf Lützerath ist weiterhin bedroht, kann aber hoffen.

24.06.2022 – Am gestrigen Donnerstagmittag stellten Die Parteichef:innen der künftigen Koalitionäre in NRW, Hendrik Wüst von der CDU und Mona Neubaur von Bündnis 90/Die Grünen, in Düsseldorf den neuen Koalitionsvertrag vor. Einiges, wie die Abschaffung pauschaler Mindestabstände für neue Windkraftanlagen, wurde bereits in einem Sondierungspapier vor drei Wochen festgelegt. Eine Überraschung stellt im nun vorgelegten Koalitionsvertrag die schrittweise Einführung einer Solarpflicht dar.

Photovoltaik

Bereits ab Anfang 2023 soll diese für neue öffentliche Liegenschaften gelten. Bis 2025 sollen dann alle geeigneten bestehenden Dachflächen öffentlicher Landesliegenschaften nachgerüstet werden. Ab Juli 2024 soll auch der Bestand kommunaler Liegenschaften nachgerüstet werden, sofern dieser umfassend saniert wird. Für gewerbliche Neubauten gilt eine Solarpflicht ab Anfang 2024, für private Neubauten ab Januar 2025. Steht bei privaten und gewerblichen Bestandsgebäuden eine umfassende Dachsanierung an, greift ab Januar 2026 die Solarpflicht. Eine noch zu erstellende Verordnung soll sicherstellen, dass die Pflicht nur dort greift, wo es sinnvoll und zumutbar ist. Eine Verpachtung der eigenen Dachflächen an externe Investoren soll möglich sein, sodass das Eigentum an einem Gebäude nicht zur eigenen Investition in eine Solaranlage verpflichtet.

Abgesehen von der Solarpflicht wollen CDU und Grüne dafür sorgen, dass der Betrieb kleinerer Anlagen bis 30 Kilowattpeak stark vereinfacht wird, indem diese steuerlich unberücksichtigt bleiben. Zur Reduzierung des Flächenverbrauchs wolle man dafür sorgen, dass Freiflächenanlagen vor allem dort projektiert werden, wo dann eine Doppelnutzung stattfindet, wie etwa schwimmende Photovoltaik, Agrar-Photovoltaik oder Photovoltaik über Parkplätzen. Auch in Gewerbe- und Industriegebieten, sowie an Straßen- und Schienenwegen soll ein verstärkter Ausbau der Solarenergie stattfinden.

Windenergie

Auch Windenergieanlagen sollen verstärkt in Gewerbe- und Industriegebieten sowie an Verkehrswegen gebaut werden. Ebenso sollen alle sogenannten Kalamitätsflächen – beschädigte Forstflächen – für die Windenergie geöffnet werden. Mindestens 1.000 zusätzliche Windkraftanlagen sollen in den kommenden fünf Jahren entstehen. Ziel ist es mehr Windenergieanlagen auf Flächen mit größerem Abstand zu Siedlungsflächen zu realisieren, um Akzeptanzkonflikte zu minimieren. Trotzdem soll die bislang geltende Abstandsregel neuer Windkraftanlagen zu Wohngebieten von 1.000 Metern fallen. Vor allem das Repowering, der Ersatz alter Windkrafträder durch neue leistungsstärkere am selben Ort, soll so erleichtert werden.

Um die Akzeptanz neuer Windenergieprojekte zu verbessern soll ein neues Bürgerenergiegesetz geschaffen werden, dass eine stärkere Beteiligung von Anwohner:innen regelt, etwa über Stiftungsmodelle, Nachrangdarlehen oder regional günstigere Stromtarife. Zudem sollen Projektierer verpflichtet werden 20 Prozent an Anteilen einer zu gründenden Gesellschaft für neue Windparks Anwohner:innen und Kommunen im näheren Umkreis anzubieten. Außerdem sollen gezielt Bürgerwindenergieprojekte unterstützt werden, durch Mittel aus einem Bürgerenergiefonds der NRW.Bank.

Wärmewende

Für die Wärmewende sollen vor allem die Kommunen in die Pflicht genommen und unterstützt werden. „Ab 2023 werden wir die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, die Kommunen dazu zu verpflichten, einen kommunalen Wärmeplan als informelles Planungsinstrument zur langfristigen Gestaltung der Wärmeversorgung zu erstellen“. So steht es im Koalitionsvertrag. Für die Wärmewende und weitere Klimaschutzinvestitionen wolle man zusätzliche Mittel bereitstellen. Erdgas sei für eine Übergangszeit unverzichtbar, so die Koalitionäre, und es seien neuere moderne Gaskraftwerke nötig, aber diese müssten so gebaut werden, dass auf klimaneutrale Gase umgestellt werden kann.     

Um im Wärmesektor insgesamt den Umstieg von Öl und Gas auf Erneuerbare Energien zu beschleunigen, kündigen CDU und Grüne an, mehr Mittel in die Erforschung geothermischer Potenziale in NRW zu investieren, sowie eine Wärmepumpenoffensive und die stärkere Nutzung von Bioenergie. Um bei der Bioenergie eine Nutzungskonkurrenz zu vermeiden, sollen vermehrt Reststoffe, Bioabfälle und Gülle zum Einsatz kommen. Konkrete Zahlen zur Wärmewende werden aber nicht genannt.

Christian Mildenberger zeigte sich auf Anfrage der energiezukunft erfreut über den vorliegenden Koalitionsvertrag. "Es sind alle Formen der Erneuerbaren Energien adressiert und zwar in einer guten, progressiven Weise." Neben der Solarpflicht, Abschaffung von Mindestabständen und der angekündigten Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, hob Mildenberger auch hervor, dass die Wasserkraft weiter eine Rolle spielen soll, die im Zuge der EEG-Reform auf Bundesebene benachteiligt wird. Laut Koalitionsvertrag sei es das Ziel, Wasserkraftstandorte unter ökologischen Aspekten weiterzuentwickeln sowie an möglichst allen bestehenden
Talsperren die Kraft des Wassers für die Energieversorgung nutzbar zu machen.

Hoffnung für Lützerath?

Ebenfalls findet sich im Koalitionsvertrag die Umsetzung des Kohleausstiegs in NRW bis 2030 wieder. Alle Dörfer im sogenannten dritten Umsiedlungsabschnitt des Rheinischen Reviers sollen erhalten bleiben. Damit bleiben die fünf Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Beverath bestehen. Doch Lützerath wird nicht explizit erwähnt und könnte weiter für den Kohleabbau im Tagebau Garzweiler abgebaggert werden. Mit einer zeitnahen neuen Leitentscheidung wolle man für Klarheit sorgen, so CDU und Grüne. Bis dahin wolle man mit RWE ein Einvernehmen darüber herstellen, welche Tagebauflächen bis zur Fertigstellung der neuen Leitentscheidung noch genutzt und welche anderweitigen Eingriffe bis dahin noch erfolgen werden. Insgesamt wolle man die Tagebauplanung für Garzweiler, ebenso wie Hambach, so gestalten, dass die Flächeninanspruchnahme auf ein Minimum begrenzt wird. Besteht somit Hoffnung für einen Erhalt von Lützerath?

Auf Grundlage des Koalitionsvertrages fordert das Bündnis Alle Dörfer Bleiben, gemeinsam mit Fridays For Future und Lützerath Lebt, von der neuen Landesregierung, sich gegenüber RWE für einen Erhalt von Lützerath einzusetzen. Zudem müsse die Ausweitung des Tagebaus sofort gestoppt und die Menge an Kohle, die noch gefördert werden darf, auf ein festes Budget begrenzt werden. Nur so sei es möglich, die 1,5 Grad-Grenze noch einzuhalten. Sollte es doch noch zu einer Räumung des Dorfes kommen, kündigen die Bündnisse Widerstand an.

Liva Rudroff von Fridays For Future sagt dazu: „Wir können in Anbetracht der eskalierenden Klimakrise nicht einfach zusehen, wie notwendige politische Maßnahmen wiederholt ausbleiben. Schon jetzt haben Tausende Menschen angekündigt, sich im Falle einer Räumung der Zerstörung von Lützerath in den Weg zu stellen. Die Landesregierung muss nun alles daran setzen, in den angekündigten Gesprächen den Erhalt von Lützerath zu beschließen oder muss mit dem Widerstand der gesamten Klimabewegung rechnen.“ mf


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft