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Neues „Wind an Land“-GesetzBei Bedarf Abstandsregeln abschaffen

Häuser und Windräder
Mehrere Bundesländer haben Abstandsregeln für Windräder zu Siedlungen beschlossen, die die Energiewende gefährden. (Bild: Gunnar Ries zwo, flickr, CC BY-SA 2.0)  

Sollten Bundesländer ihre Vorgaben zum Ausbau der Windenergie verfehlen und nicht genügend Flächen bereitstellen, will der Bund geltende Abstandsregelungen abschaffen. In mehreren Bundesländern sind die Abstandsregeln ein brisantes Thema.

09.06.2022 – Der Ausbau der Windenergie an Land stockt mal wieder. Das machte die letzte Ausschreibungsrunde der Bundesnetzagentur deutlich. Im Mai wurde weniger Projekten der Zuschlag zum Bau neuer Windräder erteilt als vorgesehen. Alle 114 Gebote mit einer Leistung von 931 Megawatt kamen demnach zum Zug. Ausgeschrieben waren jedoch 1320 Megawatt, die grundsätzlich Aussicht auf einen Zuschlag erhalten hätten. Zumindest gab es in den letzten beiden Ausschreibungsrunden mehr Projekte als mögliche Zuschläge.

Der Bundesverband WindEnergie macht vor allem globale Verwerfungen für den aktuellen Einbruch verantwortlich. „Neben massiven Preissteigerungen, weiter gestörten Lieferketten und daraus resultierenden Umsetzungsschwierigkeiten gehören dazu auch die schnell steigenden Zinsen. Es braucht hier kurzfristige politische Maßnahmen, um vorhandene Genehmigungen auch zu realisierbaren Projekten zu machen“, sagt Hermann Albers, Präsident Bundesverband WindEnergie.

Nach wie vor gestaltet sich die Genehmigungslage schwierig. Immerhin legten Umwelt- und Wirtschaftsministerium bereits gemeinsame Eckpunkte für einheitliche Regeln zum naturverträglichen Ausbau der Windenergie an Land vor, die die den Bau neuer Anlagen unter anderem in Landschaftsschutzgebieten und trotz kollisionsgefährdeter Vögel erleichtern soll. Zudem wird der vorgeschriebene Abstand um Flugnavigationsanlagen und Wetterradaren deutlich verkleinert. In einem neuen Gesetzespaket, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, kündigt die Bundesregierung nun an, bei Bedarf auch die Abstandsregelungen einzelner Bundesländer auszuhebeln.

Grundsätzlich sollen dem Gesetzespaket zufolge rund zwei Prozent der verfügbaren Fläche in Deutschland für die Windkraft reserviert werden. Für jedes einzelne Land sind in einem Windflächenbedarfsgesetz klare Vorgaben enthalten. Bayern etwa muss bis Ende 2026 1,1 Prozent ausweisen und bis 2032 1,8 Prozent. Sollten die Vorgaben verfehlt werden, dürfte der Bund demnach den Ländern verbieten die Abstandsregeln weiter durchzusetzen.

Brisantes Thema in einigen Bundesländern

Bayern hat seit Jahren einer der schärfsten Abstandsregeln Deutschlands. Die 10H Regelung besagt, dass Windkraftanlagen nur in einem Abstand des zehnfachen ihrer eigenen Höhe zu Ortschaften gebaut werden dürfen. Für ein 200 Meter hohes Windrad sind das zwei Kilometer. Zwar können Anlagen grundsätzlich auch näher an Ortschaften gebaut werden, die entsprechende Gemeinde muss dafür aber einen Beschluss fassen und einen neuen Bebauungsplan aufstellen. Laut einem vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Forschungsvorhaben führt die 2014 eingeführte 10H-Regel in Bayern zu einer Reduzierung der verfügbaren Fläche für die Windenergie von 85 bis 97 Prozent.

In Nordrhein-Westfalen gilt seit Mitte 2021 eine 1.000 Meter Abstandsregel von Windrädern zu den nächsten Wohngebäuden. Die gilt sogar bei sogenannten Repowering-Maßnahmen. Neue, bessere Windräder dürften an bestimmten Orten alte nicht mehr ersetzen. Eingeführt wurde das Gesetz von der alten schwarz-gelben Landesregierung. Nach der NRW-Landtagswahl Mitte Mai laufen aktuell Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Bündnis 90/Die Grünen für ein neues Regierungsbündnis. In einem Sondierungspapier wird die Abschaffung der pauschalen Abstandsregelung von 1.000 Metern von Windkraftanlagen zur nächsten Siedlung in Aussicht gestellt.

In Sachsen hingegen stimmte das Regierungsbündnis aus CDU, Grünen und SPD Anfang Juni für eine 1.000 Meter Abstandsregelung zu fünf Wohngebäuden mit baulichem Zusammenhang. „Das kann doch keine ernsthafte grüne Politik sein“, zitierte der Spiegel den Linkenpolitiker Marco Böhme anlässlich einer Plenarsitzung im sächsischen Landtag. Die Grünen hätten hier einen Kompromiss mit dem Teufel vereinbart. Die CDU hatte bereits im Landtagswahlkampf ihren potenziellen Wählern ein entsprechendes Gesetz versprochen, wohl um konservative Wähler:innen zu halten und gewinnen. Dabei ist der Anteil der Fläche, der in Sachsen bislang für Windkraft ausgewiesen ist, ohnehin schon gering – mit gerade einmal 0,3 Prozent der Fläche. In Sachsen wurde 2021 gerade mal ein Windrad gebaut. Das Bundesland ist damit deutschlandweit Schlusslicht.

Brandenburg dagegen lag 2021 mit 104 gebauten Windrädern gemeinsam mit Niedersachsen bundesweit an der Spitze. Doch auch dort wurde innerhalb der rot-schwarz-grünen Landesregierung Mitte Mai die 1.000 Meter Abstandsregel beschlossen, auch hier auf Drängen der CDU. Zumindest sollen so genannte „Streu- und Splittersiedlungen" von der Abstandsregelung ausgenommen werden. Zudem sollen Windräder näher an Autobahnen, Bahnstrecken und in Landschaftsschutzgebieten gebaut werden können, auch nahm man den nun vorgelegten Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorweg, dass der 1.000 Meter Abstand nicht mehr gilt, wenn die Ausbauziele nicht erreicht werden können.

In Thüringen ist die CDU nicht in Regierungsverantwortung. Mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung geben es die dortigen Verhältnisse aber her, dass die CDU trotzdem Gesetzesvorhaben durch den Landtag bringen könnte, wenn sie neben der FDP auch mit der AfD paktiert. Mit einem Antrag für ein Gesetz seitens der CDU über eine 1000-Meter-Abstandsregel für Windräder, rückte ein entsprechender Pakt in Sichtweite, obwohl die Christdemokraten nach der letzten Landtagswahl einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD veröffentlicht hatten. In einem gemeinsamen Gespräch einigten sich der Linke Ministerpräsident Bodo Ramelow und Thüringens Fraktionschef Mario Voigt nun auf weitere Verhandlungen. Auch die grüne Umweltministerin zeigte sich offen für weitere Gespräche, wenn die CDU ihren Gesetzesentwurf auf Eis lege. Bis Juli soll es eine Einigung geben.

Großes Potenzial

Sollte es eine Einigung für eine 1.000 Meter Abstandsregel geben, könnte die aber ohnehin vom Bund wieder gekippt werden, wenn die Ausbauziele in Thüringen nicht erreicht werden. Dies droht nicht nur durch die Abstandsregel zu Wohngebäuden, sondern auch, weil in Thüringen die Nutzung forstlicher Flächen für die Windkraft ausgeschlossen ist. Gerade einmal 13 Windräder wurden in dem Bundesland im vergangenen Jahr gebaut, sieben dagegen abgebaut. Auf weniger als 0,4 Prozent der Landesfläche stehen bislang Windräder.

Laut Gesetzesentwurf der Bundesregierung müsste Thüringen bis 2032, ebenso wie Brandenburg, 2,2 Prozent der Landesfläche für Windenergie ausweisen. Laut einer Flächenpotenzialanalyse im Auftrag des Bundesverband WindEnergie, wären in Thüringen sogar 9,6 Prozent möglich. In Brandenburg  wären es 8,3 Prozent, in Sachen 5,4, in Bayern 4,6 und in Nordrhein-Westfalen 2,7 Prozent der Fläche. mf


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