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Klage gegen Atomsubventionen

03.07.2015 – 10 Unternehmen klagen gegen Subventionen für britisches Atomkraftwerk. Käme es zu den Atomsubventionen, könnten die Preise auf dem deutschen Strommarkt um bis zu zwölf Prozent steigen und der Wettbewerb massiv verzerrt werden.

03.07.2015 - Das Bündnis aus Ökostromanbietern und Stadtwerken will im Laufe der kommenden Woche Klage gegen die Subventionen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C beim Gericht der Europäischen Union (EU) in Luxemburg einreichen. Greenpeace Energy, die Energieversorgung Filstal, die österreichische oekostrom AG sowie die Stadtwerke Aalen, Bietigheim-Bissingen, Bochum, Mainz, Mühlacker, Schwäbisch Hall und Tübingen haben sich zusammengetan, um gegen die Europäische Kommission vorzugehen, welche Atomsubventionen in dreistelliger Milliardenhöhe genehmigt hat. Die Bundesregierung hingegen lässt, wie gestern beschlossen, die Chance verstreichen, selbst Klage einzureichen. Mögliche Folge dieser Klageverneinung: Die Wiederkehr der schädlichen und teuren Atomkraft in Europa.

Der Hintergrund der Klage: Für Hinkley Point C ist eine staatlich versprochene Einspeisevergütung angesetzt, welche sich laut Klagebündnis im Rahmen der Subventionslaufzeit von 35 Jahren und unter Berücksichtigung der Inflationsanpassung auf 108 Milliarden Euro beläuft. Zudem sichere der britische Staat für den Bau des Atomkraftwerks Bürgschaften in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro sowie weitere Garantien für die Investoren zu. Diese Atomsubventionen werden vom Bündnis als „maßlos“ eingestuft, da sie ökologisch und volkswirtschaftlich unsinnig seien. Letztlich würden sie bedeutende finanzielle Nachteile für andere Energie-Anbieter, die Erneuerbaren und die Verbraucher bedeuten, so Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy.

Nach dem Scheitern des Klimabeitrages werde den Erneuerbaren Energien ein weiterer schwerwiegender Stolperstein auf dem Weg zur Energiewende vorgelegt. Für Achim Kötzle, den energiewirtschaftlichen Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen, bedeutet dies einschneidende Folgen im Bereich der Wirtschafts- und Investitionstätigkeit der Stadtwerke, aber auch für den Ausbau der Erneuerbaren Energien generell, sollten die beschlossenen Subventionsmaßnahmen nicht zurückgenommen werden. Er bezeichnet die Subventionen damit als „britische Sackgasse“, welche nicht Schule machen dürfe, da es sonst für die Energiewende in Deutschland düster aussehe.

Eine neue Studie, die von Energy Brainpool im Auftrag der Klagegemeinschaft durchgeführt würde, kommt zu dem Schluss: „Würde das Beihilfeschema für Hinkley Point C als Vorbild für weitere AKW-Projekte in Europa dienen, so hätte dies in den kommenden Jahren enorme Auswirkungen auf den deutschen Strommarkt“, so Studienleiter Thorsten Lenck. Sollte die Klage des Bündnisse scheitern, sind die Folgen dramatisch: Die Subventionen für das britische Atomkraftwerk könnten als Blaupause für geplante Atomkraftwerke in Bulgarien, der Slowakei, Slowenien, Polen, Tschechien Ungarn und Großbritannien genutzt werden. Den Erneuerbaren Energien in Europa damit ein erheblicher Schaden zugefügt werden. Sollten, und so stelle sich die Situation derzeit dar, diese neu gebauten und massiv subventionierten Atomkraftwerke folgen, so könnten diese die Preise auf dem deutschen Strommarkt um bis zu zwölf Prozent beeinflussen und so den Wettbewerb massiv verzerren. Die hohen finanziellen Beihilfen sorgten dafür, dass die subventionierten Kraftwerke sogar zu negativen Strompreisen produzieren könnten, ohne selbst Verluste zu erleiden. Und dies obwohl Atomstrom die aktuell teuerste Form der Energieerzeugung sei und die Folgekosten einer Endlagerung bisher nicht absehbar, so Tangermann.

So werde der Großhandelspreis für Strom zunächst in Großbritannien gedrückt und dann auch Importe von Strom aus Großbritannien nach Deutschland angeregt. Eben diese Importe senkten den deutschen Strompreis und die Erlöse konventioneller und erneuerbarer Kraftwerke in Deutschland. Diese preissenkenden Effekte müssten jedoch nicht zwangsläufig an den Verbraucher weitergebene werden beziehungsweise würden durch einen Anstieg der Kosten im EEG-System mitunter wieder revidiert. Denn: Durch höhere Differenzkosten werde der Atomkraftwerks-Ausbau in der Europäischen Union auch für die Verbraucher in Deutschland spürbar. Sie müssten bis zu 16,39 Euro mehr EEG-Umlage pro Jahr zahlen – allein wegen der Preiseffekte durch hochsubventionierten Atomstrom aus dem Ausland. Der Preisverfall für Börsenstrom führe zu jährlichen Mehrbelastungen des EEG-Systems von bis zu 2,2 Milliarden Euro im Jahr 2040.

Dörte Fouquet, im Energiebereich spezialisierte Rechtsanwältin, vertritt das Klagebündnis im jetzt beginnenden Verfahren vor dem EU-Gericht. Sie betont, dass anders als von der Europäischen Kommission dargestellt, der Ausbau der Atomkraft kein gemeinsames Interesse der EU sei. Vielmehr sei dieser in vielen Mitgliedsstaaten inzwischen sogar illegal. Ganz anders verhalte es sich mit den Subventionen der Erneuerbaren Energien – hier seien ausdrücklich Richtlinien zum Ausbau festgelegt wurden. Die Rechtsanwältin hat zudem weitere Schwächen und Ermessensfehler der Kommissionsentscheidung festgestellt – die Kommission habe ignoriert, dass es für Hinkley Point C keine Ausschreibung gab. Und: „Der Euratom-Vertrag, auf den sich die Kommission beruft, rechtfertige keine staatlichen Beihilfen.“ Folglich habe die Kommission damit einen falschen Bewertungsmaßstab angewandt, da es sich bei der britischen Förderung um eine rechtswidrige Betriebsbeihilfe und nicht um eine Investitionsbeihilfe handle. Zudem, so Fouquet, liege auf dem Energiemarkt kein allgemeines Marktversagen vor, welches die geplanten Subventionen rechtfertigen könne.jke


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