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KlimakriseEin Wandel ohne Klimagerechtigkeit ist nicht zukunftsfähig

Touristen auf einem Schiff fotografieren mit ihren Smartphones einen kleinen treibenden Eisberg
Selfie mit Eisberg gefällig? Der Klimawandel-Tourismus blüht. Vom Flieger aufs Kreuzfahrtschiff zur Jagd nach dem schmelzenden Eis –mit Foto-Dokumentation für die kommenden Generationen. (Foto: Pixabay / Free License)

Die globale Wirtschaft sozial gerecht und humanökologisch zu gestalten – darin liegt auch der Schlüssel, die Klimakrise zu bewältigen. Wir sollten die Krise als Ansporn für einen notwendigen Wertewandel begreifen. Jeder trägt Verantwortung – doch ohne politische Regulierungen wird es nicht gehen.

27.11.2020Green Deal, Klimapaket, Kohleausstieg, Strukturwandel – klingt das nicht alles ganz vielversprechend? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte im September in ihrer Rede zur Lage der EU verstärkte Klimaschutz-Bemühungen angekündigt. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß in der Europäischen Union 55 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen. „Die Menschen möchten diese Corona-Welt hinter sich lassen, diese Fragilität und Unsicherheit. Sie sind bereit für Veränderung und für Neubeginn“, sprach von der Leyen.

An immer neuen Zielen und schönen Reden mangelt es nicht – doch jetzt kommt es auf die konkrete Umsetzung an, „damit wir die Menschen rechtzeitig und sozial gerecht vor den wirtschaftlichen und gesundheitlichen Risiken des Klimawandels schützen können“, mahnt Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Die EU könnte bei der Klimawende Pionier sein und andere Länder anregen – etwa durch verbilligte Kredite an Länder, die im Gegenzug aus der Kohle aussteigen oder wirksame CO2-Preissysteme.

Ohne Klimaschutz keine Krisenfestigkeit

Während des Lockdowns in der Corona-Krise sanken die CO2-Emissionen vorübergehend, globale Lieferketten gerieten ins Wanken und regionale Lieferketten schienen im Vorteil – während gleichzeitig der Online-Handel Umsatzrekorde verzeichnete. Berufe in der Gesundheits-, Lebensmittel- sowie Agrar-Branche wurden über Nacht für systemrelevant erklärt.

Mit dem Corona-Hilfspaket sollen nun 387 Milliarden Euro bis 2027 in die europäische Landwirtschaft investiert werden: Mehr Fläche, die konventionell bewirtschaftet wird – mit Dünger und Pestiziden – bedeutet weiterhin mehr Geld. Dabei könnte doch gerade eine Landwirtschaft, die Klima- und Artenschutz belohnt, zur globalen Krisenfestigkeit beitragen.

Doch mit dem Mercosur-Abkommen steuert Europa in die entgegengesetzte Richtung. Durch das Freihandelsabkommen mit vier südamerikanischen Staaten droht ein verstärkter Import von Soja und Fleischprodukten, für deren Anbau und Weiden riesige Regenwaldgebiete niedergebrannt werden. Mit den Billigimporten werden die europäischen Landwirte weiterhin im Preis gedrückt, um am Markt mithalten zu können. Dafür verspricht die EU den Landwirten weitere Subventionen, um die Defizite auszugleichen. Ein klimapolitischer Teufelskreis mit fatalen Folgen für Klima, Mensch und Umwelt.

Keine (ger)echte Wende in Sicht

Dass Europa nach der Corona-Krise ein Wiederaufbau-Programm braucht, ist weitestgehend Konsens. Umstritten sind Inhalt und Umfang und wie es finanziert werden soll. Trotz Staatshilfen und Kurzarbeit überweisen Konzerne enorme Summen an ihre Aktionäre, wie die NGO Oxfam ermittelt hat. Die deutsche Autoindustrie hatte sich zudem für eine staatliche Kaufprämie für fossile Verbrenner stark gemacht.

„Statt veraltete Wirtschaftsmodelle zu zementieren und in bald verlorene Vermögenswerte zu investieren, sollten wir in die neue Wirtschaft investieren, um aus der Krise gestärkt hervorzugehen“, sprach Frans Timmermanns, EU-Kommissar für Klimaschutz. Doch zuletzt haben Nachrichten zur europäischen Klimapolitik nicht gerade für Optimismus gesorgt: Beim 1,8 Billionen Euro schweren Corona-Hilfspaket kommen Klima- und Umweltschutz mit einem Budget von 80 Milliarden deutlich zu kurz. Klimaschädliche Verkehrsprojekte könnten mit den Hilfsgeldern weiter finanziert werden.

Zudem prüft die EU-Kommission die Rolle von Atomkraft als nachhaltige Investition. Die EU-Mitgliedsstaaten subventionieren fossile Brennstoffe still und heimlich mit 137 Milliarden Euro jährlich weiter, berichtete der britische Think Tank Ember. Dabei waren im ersten Halbjahr 2020 der Anteil Erneuerbarer Energien am europäischen Strommarkt erstmals größer als der an fossilen Energieträgern.

Bis 2030 werden die sogenannten sozialen Kosten von Kohlenstoff aufgrund steigender Temperaturen bereits um fast 30 Prozent höher sein, haben Forscher des Mercator Research Institute for Global Commons and Climate Change berechnet. Und das Schadensmaß wäre in Wirklichkeit viel größer: Ökosysteme werden zerstört, die Biodiversität vermindert und die Wahrscheinlichkeit von gewaltsamen Konflikten erhöht. Eine Studie der Universität Oxford macht deutlich, dass Regierungen, die ihre Wirtschaft nach einer Krise auf ökologische Weise sanieren, damit erfolgreicher sind. Investitionen in Erneuerbare Energien oder umweltfreundliche Mobilität bringen demnach langfristig Einsparungen und auch mehr Arbeitsplätze als Autokaufprämien oder die Rettung von Flughäfen.

Doch in Deutschland torpediert die Politik des Wirtschaftsministers den bisherigen Erfolg der bürgergestützten Energiewende. Auch das Kohleausstiegsgesetz und der angekündigte Strukturwandel in den betroffenen Kohleregionen sind alles andere als gerecht. „Bisher gibt es nur Potemkinsche Dörfer beim angeblichen Strukturwandel“, kommentierte Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auf Twitter. Bundesregierung und Ministerpräsidenten hätten mit Milliardenbeträgen um sich geworfen und sich als Schutzpatrone der Kohle profiliert, ohne wirklich zu sagen, wo es denn ohne die Kohle hingehen soll.

Der Bund macht eine Politik, die Erneuerbare Energien ausbremst und Kohle weiter subventioniert– dabei produzierte Deutschland im Sommer 2020 bereits 55 Prozent seines Stroms regenerativ.

Klimaschädliche Beharrungspolitik

Die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Claudia Kemfert kritisiert beim Übergang zu einer Erneuerbaren Energieversorgung die Beharrungspolitik vieler Industriestaaten, die Atomkraft, Braun- und Steinkohle – und jetzt Gas – als Brückentechnologien für unverzichtbar erklären. Das Muster sei immer gleich, so Kemfert. Ein unvermeidlicher Bedarf werde heraufbeschworen und dabei die Angst vor explodierenden Strompreisen und Blackouts geschürt. Darauf folge eine niedrige Kostenrechnung mit üppiger finanzieller Unterstützung für neue fossile Infrastrukturen. Schließlich würden mit Steuergeldern den unnützen Investitionen enorme Entschädigungszahlungen hinterhergeworfen, so Kemfert.

Dabei hilft den Klimasündern auch noch der Energiecharta-Vertrag. Mithilfe dieser Vereinbarung können Konzerne gegen Klimaschutzmaßnahmen eines Staates klagen, wenn daraus folgende politische Entscheidungen ihre Profite schmälern. So klagt der schwedische Energiekonzern Vattenfall seit Jahren vor einem privaten Schiedsgericht in Washington gegen den deutschen Staat wegen des beschlossenen Atomausstiegs. Rund 22 Millionen Euro hat das den deutschen Steuerzahler bisher gekostet. Juristen und Politiker fordern eine Abschaffung des Knebelvertrags, der in einem demokratischen Rechtsstaat nichts mehr zu suchen habe.

Alle sitzen in einem Boot – oder doch nicht?

Der Humanökologe Andreas Malmmacht in seinem Werk Fossil Capital das Problem der Machtverteilung im Hinblick auf die historische Verantwortung am Klimawandel deutlich.„Die Geschichte des Anthropozän verschleiert die extremen Ungleichheiten innerhalb der menschlichen Spezies, sowohl was die Verursachung des Problems als auch was das Leiden daran betrifft.“ Wenn es heute um Klimagerechtigkeit geht, impliziert das auch Kämpfe um Land, Wasser, Boden, Verteilungsgerechtigkeit und Menschenrechte.

Es sind zwar alle Länder und Menschen weltweit von den Folgen des Klimawandels betroffen – doch wir sitzen nicht alle im selben Boot. Denn jene, die am meisten dazu beigetragen haben, leiden im Schnitt am wenigsten darunter. Ihnen stehen finanzielle Mittel, Infrastrukturen und Technologien zur Verfügung, um das Ausmaß der Folgen abzufedern – zumindest heute noch. Andersherum sind jene, die durch geringen Ressourcenverbrauch und CO2-Emissionen am wenigsten Verantwortung für die Klimakrise tragen, den Folgen meist viel stärker ausgesetzt.

Neben uns die Sintflut

In den internationalen Lieferketten werden Umweltzerstörung, Emissionen oder Ausbeutung von Arbeitskraft in ferne Länder ausgelagert. Billige Arbeitskräfte und Rohstoffe kommen aus dem Globalen Süden. Die Herstellungsbedingungen und Lieferketten für unsere Konsumgüter sind kaum mehr nachvollziehbar.

Schon vor Jahren hat die deutsche Bundesregierung eine freiwillige Selbstverpflichtung für Unternehmen beschlossen, damit diese in ihren Lieferketten Menschen- und Umweltrechte beachten. Doch rund 80 Prozent der deutschen Firmen setzen diese nicht um. Nun ist ein Lieferkettengesetz im Gespräch, doch der Wirtschaftsminister blockiert. Argument: Das würde zu teuer für die deutschen Unternehmen.Doch diese Ausgaben müssten die Unternehmen ohnehin tragen, würden sie ihre Selbstverpflichtung einhalten. sagt der Wirtschaftsweise Achim Truger. Das Lieferkettengesetz überfordere weder Mittelstand noch Exporteure. Das findet auch Katharina Reuter, Geschäftsführerin der Initiative UnternehmensGrün, die sich für ein ethisches Wirtschaften stark macht. Und andere Länder, etwa Frankreich, haben längst ein solches Gesetz.

Klimasünder zur Kasse bitten

Bereits jetzt fallen etwa 26 Millionen Menschen jährlich aufgrund von Klima- und Umweltschäden in Armut. Nur wenige der reichen Industriestaaten leisten die von den UN geforderten 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe. Und die im Weltklimavertrag vereinbarten Klimahilfen werden meist als Kredite vergeben. Sabine Minninger von Brot für die Welt sieht das kritisch: „Mit Krediten geraten gerade die vom Klimawandel besonders betroffenen Entwicklungsländer nur noch weiter in die Schuldenfalle.“  

Um Klimasünder fair zu bepreisen schlagen internationale Wissenschaftler einen „Earth Atmosphere Trust“ vor: Überziehen einzelne Länder ihren Anteil am CO2-Budget, zahlen sie in den Trust ein. Das Geld wird zum Teil als Einkommen ohne Bedingungen an alle ausgezahlt, der Rest für Investitionen in den Umbau der Energiesysteme genutzt oder andere Klimaschutzprojekte.

Marktwirtschaft reparieren

Klima- und Umweltfragen sind immer auch Verteilungsfragen, und somit auch Gerechtigkeitsfragen. Die Politökonomin Maja Göpel stellt in ihrem Bestseller Unsere Welt neu denken die daraus folgende Frage: „Wie will man die ökologische Frage lösen, wenn man sie nicht als soziale Frage versteht?“ Das Wirtschaftswachstum habe seit der Globalisierung ein Vermögen geschaffen, an dem das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr als ein Viertel des Vermögenszuwachses sichern konnte, während bei den Armen kaum etwas und auch bei der Mittelschicht nur wenig angekommen sei.

Wenn zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes auf Klimaschutz, Gesundheitsversorgung, Bildung, eine resiliente Landwirtschaft und die Erneuerbare-Energien-Versorgung für Menschen ohne viel Kaufkraft eingesetzt würden, wären das rund 8,5 Billionen Dollar. Schätzungsweise die Summe Geld, die von vermögenden Menschen dieser Welt in Steueroasen versteckt werden, macht der Ökonom Gabriel Zucman eine interessante Rechnung auf.

Dabei stiehlt sich der demokratische Staat immer mehr aus der Verantwortung, indem er den Markt als eine Art Naturgewalt darstellt. Die Machtakkumulation globaler Konzerne, die daraus entstanden ist, treibt auch die Klimakrise weiter voran. Um aus diesem Dilemma zu entkommen wäre es höchste Zeit, die soziale Marktwirtschaft zu reparieren, fordern einige Ökonomen. „Für die neue Art der Gerechtigkeit müssten wir ein paar heilige Kühe der Wachstumserzählung schlachten und andere Wege gehen“, meint Göpel, die auch im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungensitzt. „Wir haben den Blick bislang zu stark auf Technologien und ökonomische Anreize gerichtet, ohne die tieferen Logiken zu reflektieren, in die sie eingebettet sind."

Wohlstand neu bemessen

Doch das BIP bleibt vorerst die wichtigste Kennzahl für die Politik. Hoher Konsum schwebt als Zeichen des Fortschritts über unseren Köpfen. Dass die Wirtschaft nachhaltiger werden muss, darin sind sich scheinbar viele einig. Ob grünes Wachstum uns retten kann und was den Wohlstand eines Landes ausmacht, darüber wird kontrovers debattiert.

Islands Premierministerin Katrin Jacobsdóttir plant nun, den Wohlstand ihres Landes künftig nicht mehr am Bruttoinlandsprodukt, sondern am Wohlergehen der Bürger zu bemessen. Dafür müsste sich die Haushaltsplanung an sozialen und ökologischen Faktoren orientieren: bessere Bildung, Gemeinschaftsprojekte stärken, mehr Arbeitsplätze im Natur- und Klimaschutz, faire Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung.

Wirtschaft fürs Gemeinwohl

Wenn CO2-Emissionen, Ressourcenverbrauch und Arbeitsausbeutung hoch besteuert würden, wäre irgendwann keiner der DAX-Konzerne mehr rentabel: In der Gemeinwohl-Ökonomie führt ethisches Wirtschaften durch steuerliche Begünstigung und andere Anreize zum Erfolg. „Die Wirtschaft soll den Menschen dienen und nicht umgekehrt“, sagt der Gründer der Initiative, Christian Felber. Rund 3.000 Unternehmen in 30 Ländern unterstützen die Idee, auch Kommunen sind dabei. Sie unterziehen sich freiwillig einer Bewertung durch unabhängige Prüfer, hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit, gerechter Lieferketten, erzeugter Emissionen sowie Solidarität.

Die meisten Teilnehmer sind Betriebe mit weniger als 1.000 Mitarbeitern. Ein wichtiger politischer Schritt wäre es, so Felber, Arbeit weniger zu besteuern als Kapitaleinkünfte und Gewinne. Kleine Betriebe mit nachhaltiger Wirtschaftsweise könnten „gesundwachsen“ – das müssen sie auch, um standhalten zu können. Es wird nicht reichen, auf Freiwilligkeit zu setzen – es braucht einen gesetzlichen Unterbau für solch ein System.

Der Ruf nach direkter Demokratie wird lauter

Wenn eine nachhaltige Klimapolitik die beste Möglichkeit ist, die Schädigungen anderer zu vermeiden, wäre es schlicht eine moralische Pflicht, eine solche Politik zu betreiben, findet Professor  Christoph Lumer. Er lehrt Moralphilosophie an der Universität Siena. Individuelle Maßnahmen helfen dabei nur bis zu einer bestimmten Größenordnung, meint Lumer. Strukturelle Maßnahmen wären erforderlich, die nur politisch beschlossen werden könnten. Aber die individuellen Beiträge machten deutlich, dass man sich zur Wahrung der eigenen Verantwortung auch um politische Lösungen bemühen sollte. Wenn die anderen – ob Individuen oder Staaten – dabei nicht mitmachen, sei das keine Ausrede. „Je mehr mitmachen, desto deutlicher wird die Schändlichkeit derer, die nicht mitmachen“, hofft der Moralphilosoph.

Nach-dem Klimagipfel in Kopenhagen im Jahr 2009 begannen sich Klimagerechtigkeitsbewegungen stärker zu formieren, um gemeinsam gegen Kohle, Fracking und für den Ausbau einer demokratisch kontrollierten Erneuerbaren-Energien-Versorgung zu kämpfen. Sie stellen Forderungen nach gerechter Verteilung, Beteiligung und Mitbestimmung, nach Menschenrechten und fairem Handel. Bürgerinitiativen erwirken bereits Klimaschutzmaßnahmen auf Landesebene – die großen klimapolitischen Themen erreichen sie aber nicht. Der Ruf vieler Bürger nach direkter Mitbestimmung auf Bundesebene wird daher lauter.

Klimakillern das Wasser abgraben

Den Weg von der Bundesebene zur Bürgerinitiative ist Gerhard Schick gegangen. Er war finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag und hat die Organisation Finanzwende gegründet. Mit Sorge beobachtet er, wie sich der Finanzmarkt von der Realwirtschaft entkoppelt hat. Ackerflächen und Wasservorräte sind zum Renditeobjekt von Finanzunternehmen und Konzernen geworden. Die Entrechtung und Vertreibung der dort heimischen Bevölkerung gilt neben der Klimakrise als Hauptgrund für Versorgungsprobleme mit Nahrungsmitteln. Mit Hilfe von Aktionen und Gesetzesvorschlägen versucht die Organisation, den Weg zu umweltfreundlichen Finanzmärkten zu unterstützen, baut Netzwerke auf, um der mächtigen Finanzlobby etwas entgegenzusetzen.

Den Mächtigen auf die Füße tritt seit vielen Jahren auch die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen urgewald. Mit mutigen Aktionen und Recherchen macht sie Missstände transparent und übt damit Druck auf Investoren, Banken und die Politik. Das ist zäh, hat aber Erfolg: Im Laufe der Jahre hat urgewald ein Atomkraftwerk verhindert und einen Stopp deutscher Hermesbürgschaften für Atomprojekte im Ausland erstritten. Auch die vier bisher größten Kohle-Divestment-Entscheidungen von Versicherungskonzernen kann die NGO für sich verbuchen.

Die internationale Divestment-Bewegung spornt dazu an, Geld aus Banken und Versicherungen abzuziehen, die weiterhin in Kohle und Öl investieren. Das so freiwerdende Kapital soll in die Entwicklung sauberer Energieversorgung und Klimaschutzprojekte fließen. Etliche Städte und Kommunen, Unternehmen und Institutionen weltweit haben ihr Investment in fossile Energien bereits zurückgezogen.

Ziel der Kampagne ist es nicht nur ethisch zu investieren, sondern auch die Klimasünder für Investoren nachhaltig unattraktiv zu machen. Denn trotz verschärfter Kohlerichtlinien in der Finanzindustrie erhalten die größten europäischen Kohlekonzerne nach wie vor Milliardensummen von Banken und Investoren. Das zeigt eine Studie der NGO-Allianz Europe Beyond Coal.

Das meiste Geld investiert der weltweit mächtigste Vermögensverwalter BlackRock über Aktien und Anleihen – und hat dabei laut einer Analyse des Institute for Energy Economics and Financial Analysis in den letzten zehn Jahren mit Investitionen in fossile Geschäfte viel Geld seiner Anleger verloren. „Es erscheint umso grotesker und erschreckend zugleich“, so die NGO urgewald, „dass BlackRock die EU in Sachen Nachhaltige Finanzen beraten soll.“

Mensch vor Markt

Wir brauchen eine Wirtschaft, die unabhängiger ist von Geldstruktur, mahnen bereits viele Ökonomen. Essenzielle Leistungen für das Gemeinwohl schätzen, ohne sie Marktgesetzen zu unterwerfen. Keine Übernutzung des Ökosystems, Ressourcen verbrauchen, die wiedergenutzt werden, Regionalität fördern, Menschen nicht zurücklassen.

Eine kleinteilige Wirtschaft wäre resilienter und schließlich sogar billiger – statt Wachstum um jeden Preis. „Wie das Experiment einer technologischen Zivilisation ausgehen wird, ist noch nicht entschieden“, schreibt Claus Thomasberger, Wirtschaftsprofessor an der HTW Berlin. „Alles wird letztendlich davon abhängen, ob es gelingt, die neuen Errungenschaften so zu gestalten, dass sie nicht mit dem Markt, sondern mit dem menschlichen Zusammenleben verträglich werden.“ Die Zeit läuft.  Nicole Allé

Lesen Sie weitere Beiträge zu einem „Gerechten Wandel“ in unserer neuen Ausgabe der energiezukunft


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