Menü öffnen

Klimakrise – KlimaszenarioIrreführende Prognosen zur Atomkraft-Entwicklung

Klimakrise, Atomenergie, Atomkraftwerk, kühltürme
Atomenergie ist ein klimapolitisches als auch ökonomisches Auslaufmodell. Und zudem ein Hochsicherheitsrisiko. Die Energiezukunft gehört den Erneuerbaren Energien. (Foto: Nicolas Hippert on Unsplash)

Klimaszenarien gehen laut DIW-Forschern bei Atomenergie von unrealistischen Annahmen aus. Das führt zu fehlgeleiteten Investitionen in die Kernenergie und verhindert damit den Ausbau Erneuerbarer Energien, die rentabler und risikoärmer sind.

06.11.2023 – Forschende des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) haben insgesamt 2.800 Klimaszenarien, die bislang vom Weltklimarat (IPCC) erfasst wurden, in einer aktuellen Studie ausgewertet. Ihr alarmierendes Fazit: Schon seit Jahrzehnten gehen weltweite Szenarien von einem stark überzogenen Anstieg von Atomkraftkapazitäten aus. Diese Annahmen entsprächen aber nicht der tatsächlichen langjährigen Entwicklung. Der Widerspruch wird in der Wissenschaft als Atomenergie-Szenarien-Paradox bezeichnet.

Fatale Fehlinvestitionen zu Lasten von Klima und Gesellschaft

Im Durchschnitt gingen diese Szenarien davon aus, dass sich die Atomkraft von derzeit 3.000 Terawattstunden auf über 6.000 Terawattstunden im Jahr 2050 und auf über 12.000 Terawattstunden im Jahr 2100 erhöhe, berichten die Studienautoren. „Diese Verdopplung beziehungsweise Vervierfachung der Atomstromproduktion widerspricht den technischen und ökonomischen Realitäten“, sagt Christian von Hirschhausen, Forschungsdirektor der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin. Die Gefahr bestehe, dass aufgrund der Klimaszenarien öffentliche und private Gelder in die Kerntechnologie investiert werden, sich aber nicht rentieren.

Atomenergie ist kein Klimaretter

Im Zuge der Klimakrise wird trotz aller negativen Erfahrungen mit der Atomenergie weiter diskutiert, welchen Beitrag Atomenergie zur Reduzierung der CO2-Emissionen und damit zum Klimaschutz leisten kann. Auch in Deutschland, wo der Atomausstieg eigentlich abgeschlossen ist. Rechnet man die Atommüll-Lagerung und den Rückbau alter Kraftwerke hinzu, ist Atomenergie eine der teuersten Energiequellen, heißt es in der Studie. Innovationen in der Hochrisikotechnologie, wie Plutoniumreaktoren, ließen zudem weiter auf sich warten. „Atomenergie ist kein Klimaretter. Andere Technologien sind rentabler und risikoärmer“, betont Hirschhausen.

Neubauboom von Kernreaktoren ist unrealistisch

Weltweit sind laut DIW-Studie aktuell 415 Kernreaktoren in Betrieb, rund die Hälfte werde aber bis zum Jahr 2030 aus Altersgründen vom Netz gehen müssen. Folgt man einer Steigerung der Zubaurate um 59 Prozent, wie etwa im optimistischen Szenario des IPCC-Sonderberichts zum 1,5-Grad-Ziel, müssten in den nächsten zehn Jahren mehr Kernkraftwerke gebaut werden, als aktuell überhaupt am Netz sind. „Dieser erwartete Neubauboom ist unrealistisch“, so Co-Autor Jens Weibezahn. „Derzeit wird global lediglich an etwa 50 Neubauprojekten gearbeitet, von denen 31 bereits verspätet sind – teilweise erheblich.“

Frankreich ist in Europa mit seinen 58 Kernreaktoren Spitzenreiter bei der Nutzung von Atomenergie zur nationalen Stromversorgung und hält mit teils absurden Vorstellungen an der Atomenergie-Versorgungsstrategie fest – dabei  kämpft das Land immer mehr mit den Auswirkungen des Klimawandels – ausgetrocknete Flüsse und Hitze führen im Sommer zur Abschaltung der zum großen Teil betagten Atommeiler.

Klimaszenarien besser prüfen

Den Widerspruch zwischen zu optimistischen Szenarien und der Realität – dem Atomenergie-Szenarien-Paradox – erklären die Experten mit politökonomischen, institutionellen und geopolitischen Faktoren. Insbesondere die enge Verbindung zwischen militärischer und kommerzieller Nutzung von Atomenergie sowie dem Interesse der Atomwirtschaft und den dazu gehörigen Organisationen an der Selbsterhaltung spielten dabei eine Rolle. Klimaszenarien sollten daher immer kritisch hinterfragt werden – vor allem deren Annahmen und Modelllogik. Sonst könnten Politik und Wirtschaft aus ihnen falsche Maßnahmen ableiten.

Die Zukunft gehört den Erneuerbaren Energien

Der Mythos der sauberen und günstigen Atomenergie ist längst mit einer Reihe von Argumenten und Fakten widerlegt, doch selbst in Teilen der Bundesregierung (FDP) und sogar Mitgliedern von Klimaschutzorganisationen sowie in verschiedenen Medien taucht der Ruf nach Atomkraft immer wieder auf.. „Statt auf Atomenergie sollten Politik und Wirtschaft auf Erneuerbare Energien setzen, die nicht nur strukturelle Kostenvorteile haben, sondern auch ungefährlich sind“, sagt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin. „Die Zukunft liegt in den Erneuerbaren, nur mit ihnen kann die Transformation der Energiewirtschaft gelingen.“

Das gilt auch in geopolitischer Hinsicht, denn mit Fortsetzung der Atomenergie bleibt auch die Abhängigkeit von Uranlieferungen aus kriegstreibenden Staaten und diktatorischen Systemen bestehen. Atomkraftwerke sind zudem eine strukturelle Gefahr für die ganze Welt.  Russland hatte bspw. im letzten Jahr das größte Atomkraftwerk Europas Saporischschja angegriffen und eingenommen. na


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft