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Die Meinung
18. August 2023

Lasst das Öl im Boden!

Über den Schutz des artenreichen Yasuní Nationalpark entscheidet in Ecuador die Bevölkerung per Referendum – und hat die Macht, ein wichtiges globales Signal für den Ausstieg aus den Fossilen zu senden.

Kathrin Henneberger, Bündnis 90/die Grünen, Mitglied des Bundestages und Obfrau im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Kathrin Henneberger, Bündnis 90/die Grünen, Mitglied des Bundestages und Obfrau im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Kathrin Henneberger
Bild: Kathrin Henneberger

Während in Alaska, Uganda und selbst in Deutschland neue Ölquellen erschlossen werden sollen und damit die Klimakrise weiter angefeuert wird, könnte aus Ecuador ein Zeichen der Hoffnung kommen: Am 20. August wird die Bevölkerung per Referendum entscheiden, ob die Erdölförderung im einzigartigen Nationalpark Yasuní gestoppt wird und damit der Regenwald besseren Schutz erhält. Dieses Referendum wurde von der Jugendbewegung YASunidos im jahrelangen Kampf erstritten, nachdem der damalige Präsident Correa 2014 den Weg für die Ölausbeutung im Gebiet Yasuní-ITT erlaubte. Zuvor hatte die Regierung das Experiment gewagt, der Weltgemeinschaft anzubieten, im überaus artenreichen Yasuní kein Öl zu fördern, wenn die entgangenen Gewinne zur Hälfte entschädigt werden. Trotz der überparteilichen Unterstützung aus dem Deutschen Bundestag gelang es aber nicht, diese Vision Realität werden zu lassen. Eine revolutionäre Idee, die CO2-Emissionen zu reduzieren, scheiterte. Jetzt gibt es diese zweite Chance, die Ölförderung im Amazonas einzudämmen.

Das Grüne Gold schützen

Mit der neu gewählten Regierung in 2007 unter Rafael Correa kam es in Ecuador zu einem Sinneswandel, der weltweit für Furore sorgte. Erstmals stellte sich eine Nation der Frage, ob die jahrzehntelange Ausbeutung der Ölreserven im Amazonas die richtige Strategie für die Zukunft sei. Der Klima- und Artenschutz im grünen Amazonas wurden als ökonomisch gleichwertig zur Frage der Förderung des schwarzen Goldes gesehen.

Dabei blickte das Land auch kritisch auf die bitteren Hinterlassenschaften einer Ölförderung im Amazonas. Die skrupellose Ausbeutung durch Texaco, später Chevron-Texaco, zeigte entsetzliche soziale und ökologische Folgen vor allem für die indigene Bevölkerung. Die Vergiftung des Wassers, des Bodens und der Luft durch das offen zu Tage tretende toxische Öl und das unaufhörliche Abfackeln von Gas führten zu Krankheiten und Todesfälle, die vielfach ignoriert wurden. So kam es zum Widerstand der zivilgesellschaftlichen und indigenen Gruppen, die hartnäckig auf die Folgen der Ölförderung hinwiesen. Als dann auch noch unter dem Nationalpark Öl gefunden wurde, entwickelten die Gruppen die Vision, dieses Öl im Boden zu lassen und dafür entschädigt zu werden. Der Vorschlag der Yasuní-ITT Initiative „Lasst das Öl im Boden“ von 2007 veränderte die politische Situation in Ecuador. Endlich flossen auch die indigenen Stimmen aus dem Amazonas in die Politik des gesamten Landes ein.

Das Echo auf diesen Vorschlag war groß. Doch nur im Deutschen Bundestag gelang es, nach einem gemeinsamen Besuch des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, auf Anregung der Grünen einen überparteilichen Antrag zu beschließen. Dieser forderte die deutsche Bundesregierung unter Angela Merkel auf, diesen Vorschlag aus Ecuador zu unterstützen. Doch während die damalige Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul den Ansatz aufgreifen wollte, wurde die Initiative unter FDP-Minister Dirk Niebel abgewürgt. Deutschland wurde nicht zum Vorreiter für die Unterstützung. Im Fazit brachte es die Regierungen der Welt nicht fertig, die Idee aus Ecuador zu honorieren. Als Rafael Correa 2014 das Ende des Y-ITT Initiative erklärte, war der Frust auch in Ecuador selbst groß. Doch die Gruppen und insbesondere die städtische Jugendbewegung YASunidos kämpften zäh und jetzt gibt es am 20. August eine zweite Chance. Wenn es gelänge, würden etwa 300 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden können.

Ein historisches Referendum

"Sind Sie einverstanden damit, dass die ecuadorianische Regierung das Erdöl im Konzessionsblock ITT für immer im Boden lassen sollte?"

So lautet die zur Abstimmung gestellte Frage. Dies ist ein großer Erfolg und das Ergebnis eines langen politischen und rechtlichen Kampfes von YASunidos gegen den ecuadorianischen Staat. Erst am 9. Mai 2023 entschied das ecuadorianische Verfassungsgericht in letzter Instanz, dass dem Referendum stattgegeben werden muss. So findet das Referendum zeitgleich mit den vorgezogenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 20. August 2023. Dies lässt kaum Zeit für eine gut vorbereitete Kampagne für die Argumente, während zeitgleich auch die Gegner gezielt daran arbeiten, den Erfolg des Referendums zu verhindern. Erschwerend hinzu kommt die angespannte politische Lage in dem Andenstaat - insbesondere nach der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio und der daraufhin ausgerufene Ausnahmezustand am 09. August. Das Referendum kann schon jetzt als historisch angesehen werden und ist eine große Errungenschaft der ecuadorianischen Zivilgesellschaft. Sie statuiert auch für die weltweite Klimabewegung ein Exempel. 

 Yasuní: ein Hot-Spot der Biodiversität.Es ist bekannt, wie wichtig der Amazonas als Regenwaldgebiet für den Artenschutz ist. Doch der Nationalpark Yasuní (Kernfläche 5000 qkm) ist noch mehr. Nicht nur, weil in ihm noch zwei Gruppen der Huaorani (Tagaeri und Taromenane) leben, die den Kontakt zu Außenwelt meiden. Sondern auch, weil mit dem angrenzenden Gebiet ein UNESCO-Biosphärenreservat von globalem Rang geschaffen wurde. Der Yasuní ist einzigartig und von globaler Bedeutung. Zahlreiche endemische, seltene und vom Aussterben bedrohte Arten leben hier. Nirgendwo sonst auf dem Planeten gibt es mehr Insektenarten (100 000 Arten pro Hektar). Auch bei den Vogelarten gehört der Park zu den artenreichsten Orten der Welt. Über 2200 Baum- und Buscharten pro Hektar im Yasuní-Park sind mit Abstand weltweit die höchste Anzahl von Baumarten. Der Grund dafür ist, dass dieses Gebiet aufgrund seiner Lage mehrere Eiszeiten überstand und so zum Rückzugsort für viele und diverse Arten wurde.

Eine Vision zum Schutz des Planeten steht zur Abstimmung

Die Zivilgesellschaft und ihr Kampf dafür, Öl im Boden zu lassen und stattdessen die grüne Lunge zu erhalten, brauchen jetzt unsere Unterstützung. Diese Idee, endlich von der Zerstörung der Natur durch die Ölförderung abzulassen und den Wert des Regenwaldes höher zu schätzen als den kurzfristigen Gewinn ist die Zukunft. Sollte das Referendum gewonnen werden, hätte Ecuador ein weltweites Zeichen für effektive Maßnahmen gegen CO2-Emissionen und für den dringend gebotenen Schutz der Biodiversität gesetzt. Ein Zeichen der Ermutigung für viele Gruppen in anderen Ländern, die den Schutz des Planeten für wichtiger erachten als kurzfristige Gewinne von transnationalen Konzernen, die unser aller Lebensgrundlagen zerstören.

Damit YASunidos ihre Kampagne für den Stopp der Ölförderung im Yasuní-Nationalpark fortführen können, sind sie auf Spenden angewiesen.

 

 

 

Text in Zusammenarbeit mit Ute Koczy, Bündnis 90/Die Grünen, MdB a.D., tätig für die Umwelt- und Menschrechtsorganisation Urgewald zum Thema globale Finanzpolitik mit Schwerpunkt Weltbank. In ihrer Zeit als Bundestagsabgeordnete (2005-2013) unterstützte sie ab 2007 die Initiative für den Yasuní.

 

 

 




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