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Klimaklage





Wissenschaftsplattform KlimaschutzNicht wirklich zufrieden

Parlamentsgebäude mit Kuppel, mit einer Straße im Vordergrund
Die Wissenschaftsplattform Klimaschutz hat die Vorhaben der Ampel-Regierung in ihre Analyse aufgenommen, mit dem Ergebnis, dass noch viel Luft nach oben ist. (Bild; pxhere, Public Domain)

Die Richtung stimmt bei der Bundesregierung, aber für die Klimaziele reicht das nicht, so das Resümee führender Wissenschaftler:innen. Probleme beim Emissionshandel, der Agrarpolitik und Bürgerbeteiligung sollten schnellstmöglich angegangen werden.

21.02.2022 – Es ist die erste umfassende Analyse, die die Wissenschaftsplattform Klimaschutz veröffentlicht hat. Im Jahresgutachten 2021 haben die beteiligten Wissenschaftler:innen die Maßnahmen und Ziele für den Klimaschutz in Deutschland und Europa einer genaueren Analyse unterzogen und Empfehlungen für das weitere Vorgehen erarbeitet.

Die Richtung stimme bei der von der Bundesregierung vorgelegten Maßnahmen. Aber für deren selbst gesetzte Klimaziele würden sie nicht reichen, warnt Sabine Schlacke, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Verwaltungs- und Umweltrecht an der Universität Greifswald, die neben Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, den Vorsitz der Wissenschaftsplattform Klimaschutz (WPKS) inne hat.

Ins Leben gerufen wurde die WPKS bereits in der vergangenen Legislaturperiode von den damaligen Ministerinnen für Umwelt, Svenja Schulze, und Bildung, Anja Karliczek. Sie sollte und soll wissenschaftliche Unterstützung für das Klimaschutzprogramm 2030 und den Klimaschutzplan 2050 liefern und ist interdisziplinär mit hochrangigen Wissenschaftlern besetzt.

Neben der Verwaltungsrechtlerin Schlacke und dem Klimaökonom Edenhofer, sind unter anderem eine Soziologin, ein Betriebswirtschaftswissenschaftler, Naturwissenschaftler:innen und Wissenschaftler:innen aus technischen Bereichen vertreten. Die Empfehlungen der WPKS richten sich an die künftige Ausgestaltung der europäischen und deutschen Klimaschutz-Governance sowie Förderung von Schlüsseltechnologien und Fragen der Akzeptanz und Verteilungsgerechtigkeit klimapolitischer Maßnahmen.

Lob und Kritik

Das WPKS unterstützt die von der EU-Kommission vorgeschlagene Einführung eines Emissionshandels für die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr. Wichtig sei es jedoch, dass die Kommission frühzeitig die Perspektiven für eine Integration des neuen Systems mit dem bestehenden Emissionshandel für die Sektoren Energie und Industrie klärt. Auch sollte dieser, wie vorgeschlagen, sozial flankiert werden, sich aber immer an den tatsächlichen CO2-Preisen richten.

Deutliche Kritik dagegen übt die WPKS an der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Diese stehe nicht im Einklang mit den EU-Klimaschutzzielen. Die Wissenschaftler:innen schlagen unter anderem finanzielle Anreize für die Vermeidung von Emissionen und die Stärkung von Senken vor. Die Bepreisung zweier wesentlicher Emissionsquellen, Lachgasemissionen durch Dünger und Methanemissionen aus der Rinderhaltung, würden Möglichkeiten bieten, ebenso wie die Bepreisung von Emissionen aus der Nutzung von Böden und Wäldern und zugleich Vergütung bei der Bindung von CO2 in Senken.

Neben natürlichen Senken wie Wälder, fordert die WPKS die weitere Förderung technischer CO2-Senken in Deutschland und Europa. Von der Privatwirtschaft wie von der öffentlichen Hand finanziell gefördert werden sollten jedoch nur klimaneutrale Technologien. Damit beziehen sich die Wissenschaftler auch auf die Diskussion um die geplante Taxonomie-Verordnung, wonach bislang Atomkraft und Gas vorübergehend ebenfalls als nachhaltig eingestuft werden sollen.

Neben CO2-Vermeidungstechnologien legt die WPKS auch einen Fokus auf eine höhere Ausbaugeschwindigkeit Erneuerbarer Energien und den grundsätzlichen Aufbau einer funktionierenden Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland und der EU. Eine Elektrifizierungswelle sei nötig. Deutschland müsse sich aber darauf einstellen Energieimportland zu bleiben und daher die Weichen für den Import von grünem Wasserstoff schaffen. Weitere Expert:innen jedoch sehen den Import von Wasserstoff kritischer.

Akzeptanz in den Vordergrund

Essenziell sei es Fragen der Akzeptanz und Verteilungsgerechtigkeit klimapolitischer Maßnahmen anzugehen, so die WPKS in ihrer Analyse. Der CO2-Preis für Verkehr und Wärme sollte schon jetzt in Deutschland sozial abgefedert werden. Zwar solle nicht von der Bepreisung klimaschädlichen Verhaltens abgewichen werden, aber es sollten frühzeitig Kompensationsmaßnahmen eingeleitet werden, die insbesondere einkommensschwächere Haushalte entlasten. Letzte Woche warb ein breites Bündnis für die schnelle Einführung eines von der Bunderegierung ohnehin geplanten Klimageldes.

Des Weiteren fordern die Wissenschaftler:innen bessere Beteiligungsverfahren, etwa beim Netzausbau. Bürger:innenräte halten sie für ein geeignetes Mittel Empfehlungen zu formulieren. Die Erfahrungen mit den Räten in Frankreich, Dänemark und dem deutschen Bürgerrat Klima hätten gezeigt, dass die beteiligten Bürger:innen in der Lage sind, sich auf eine Vielzahl von Vorschlägen zu einigen und auch dazu bereit wären, persönliche Einschnitte hinzunehmen. Zudem könnten lokale Bürgerenergiegemeinschaften, etwa durch die Gründung von Genossenschaften für neue Windkraft- und Solaranalgen, sowie die Stärkung kommunaler Verwaltungen helfen, Klimaschutzmaßnahmen zu fördern. mf

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