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RohstoffeNorwegen plant Tiefseebergbau vor seinen Küsten

Violetter Oktopus mit großen glasigen Augen, entdeckt bei Indonesia-USA Deep-Sea Exploration of the Sangihe Talaud Region
Norwegen plant, in seinen Hoheitsgewässern Tiefseebergbau zuzulassen. Der Abbau von Rohstoffen auf dem Meeresgrund ist stark umstritten. Bei nahezu jedem Tauchgang in die Tiefsee entdeckten Forscher bisher unbekannte Arten. Bergbau würde Teile der Ökosysteme der Tiefsee unumkehrbar zerstören.  (Bild: NOAA Ocean Explorer / CC BY-SA 2.0 / via Wikimedia Commons)

Auf dem Grunde des Meeres schlummern begehrte Rohstoffe. Sie abzubauen würde die noch größtenteils unbekannten Ökosysteme der Tiefsee dauerhaft zerstören. Während über internationale Gewässer gestritten wird, will Norwegen Tiefseebergbau zulassen.

09.10.2023 – Als erstes Land strebt Norwegen an, Lizenzen für den kommerziellen Abbau in seinen küstennahen Gewässern zu erlauben. Tiefseebergbau wird noch nirgendwo auf der Welt kommerziell betrieben. Lizenzen für die Ausbeutung der Rohstoffe am Meeresgrund internationaler Gewässer wurden bisher ebenso wenig erteilt wie in nationalen Hoheitsgebieten.

Norwegen plant, den Abbau bald in einem rund 282 000 Quadratkilometer großen arktischen Meeresgebiet freizugeben. Dort werden Kupfer, Nickel, Kobalt und andere begehrte Metalle und Mineralien vermutet. Das Interesse an der kostspieligen Ausbeutung des Meeresgrunds ist in den vergangenen Jahren gestiegen, da für IT-Technologie und die grüne Wende Rohstoffe benötigt werden.

Angekündigt hatte Norwegen die Pläne bereits im Sommer, nahezu zeitgleich mit der Unterzeichnung des Internationalen Hochseeschutzabkommens. Das Abkommen, nach dem bis 2030 30 Prozent der Landflächen und 30 Prozent der Meere als Schutzgebiete ausgewiesen sein sollen, wurde rund 20 Jahre lang verhandelt. Der Schutz der Tiefsee kommt zwar vor, doch das Abkommen lässt vieles offen. Norwegen plant, konkrete Vorschläge für Tiefseebergbaulizenzen noch im Herbst im Parlament zu beraten.

Unerforschte Tiefen

Die Ausbeutung der Rohstoffe im und am Meeresboden ist stark umstritten. Seit das Interesse am Tiefseebergbau steigt, bemühen sich Wissenschaftler und Aktivisten, die Tiefsee zu schützen. Mehrjährige Forschungsprojekte und Experimente haben gezeigt, dass den reichen Ökosystemen am Meeresgrund durch Bergbauaktivitäten erheblicher Schaden zugefügt wird, von dem sie sich über Jahrzehnte nicht erholen. Bei Explorationen für eine mögliche Förderung von Manganknollen im Pazifischen Ozean waren zudem mehrere bis dahin unbekannte Lebensformen entdeckt worden.

Wissenschaftler wiesen in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hin, dass die Tiefsee zu unerforscht sei, um sinnvolle Rahmenbedingungen für einen Abbau festzulegen. Mehrere hundert Meereswissenschaftler unterschrieben einen Aufruf gegen Tiefseebergbau. Sie warnen unter anderem, dass noch unbekannte Ökosysteme ausgelöscht werden könnten – mit kaum absehbaren Folgen. Auch der Kohlenstoffkreislauf der Meere könne gestört werden. Ähnliche Warnungen veröffentlichten laut Greenpeace Schweiz unter anderem das UN-Umweltprogramm, das Weltwirtschaftsforum, das von Norwegen geleitete International Ocean Panel, die norwegische Umweltbehörde und das norwegische Institut für Meeresforschung.

Das von der Regierung Norwegens ins Auge gefasste Gebiet ist nur zu etwa einem Prozent kartiert, berichtet die Taz. Mehr als 30 Umweltschutzorganisationen – darunter auch Greenpeace und der World Wildlife Fund (WWF) – riefen nun in einem gemeinsamen Brief den norwegischen Regierungschef Jonas Gahr Støre auf, die Pläne zu stoppen.

Tiefseebergbau regulieren

Im vergangenen Sommer endete eine wichtige Frist für den Schutz der Tiefsee. Die Internationale Meeresbehörde (ISA) sollte bis dahin regeln, wie zukünftig mit Anträgen auf Tiefseebergbau umgegangen wird. Inzwischen sehen mehrere Staaten, Unternehmen und Verbände die Ausbeutung der Tiefsee kritisch. Rund 21 Staaten – darunter Deutschland  sowie die beiden skandinavischen Länder Schweden und Finnland – befürworten ein Moratorium oder eine Pause für Tiefseebergbau, ebenso die UN-Menschenrechtskommission.

Zu einer Einigung kamen die 169 Mitgliedstaaten der ISA jedoch nicht. Ob, und wenn ja unter welchen Bedingungen Tiefseebergbau in internationalen Gewässern genehmigt wird, blieb damit weitgehend im Dunkeln. Verbindliche Regeln sind nun für 2026 geplant. Trotzdem können seit Juli Anträge für den Abbau von Rohstoffen auf dem Meeresgrund eingereicht werden.

Wirtschaftlich fragwürdig

Ob die prognostizierte Rohstoffnachfrage für die grüne Wende tatsächlich durch kommerziellen Tiefseebergbau gedeckt werden kann, ist dabei nicht klar. Studien haben gezeigt, dass Rohstoffe, für die eine Knappheit prognostiziert wird, in bisher untersuchten Gebieten nicht in einer Form vorliegen, die eine Förderung wirtschaftlich umsetzbar erscheinen lässt. Knapper werdende Metalle wie Lithium und Graphit kämen in den begehrten Manganknollen in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) im Nordostpazifik beispielsweise gar nicht vor, Nickel, Kupfer und Kobalt machen gerade einmal drei Prozent des Volumens der Knollen aus. Weiterhin zeigen Analysen, dass die polymetallischen Knollen signifikant radioaktiv sind, was eine Förderung weiter erschwert und verteuert.

In einer vom European Academies Science Advisory Council veröffentlichten Studie argumentierten Wissenschaftler, dass Rohstoffe aus der Tiefsee keineswegs notwendig seien, um die Klimaziele zu erreichen.  Klar ist hingegen, dass Tiefseebergbau mit bisher bekannten Methoden die Ökosysteme der Meere erheblich beschädigen, wenn nicht zerstören würde. jb


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